Diskussion über Asthma-Sprays im Sport "Es bedeutet Sieg oder Niederlage"
Eine neue Studie zum Thema Asthma und Doping steht kurz vor der Veröffentlichung. Der leitende Wissenschaftler fordert die Welt-Anti-Doping-Agentur zum Handeln auf.
Können Athleten durch Asthma-Medikamente ihre Leistung steigern? Auf diese seit Jahren umstrittene Frage haben Wissenschaftler aus Ulm, Berlin und Köln eine Antwort gefunden: Die Medikamente verbessern die Atmung und machen das Herz leistungsfähiger. Zudem zeigen die Untersuchungen, dass auch Muskelwachstum möglich ist. Die Erkenntnisse werden die Diskussionen über das Reizthema Asthma und die Folgen für die Anti-Doping-Regularien verstärken.
Für Studienleiter Jürgen Steinacker vom Universitätsklinikum Ulm sind die Ergebnisse aus zwei Jahren Forschung klar: "Die Leistungssteigerung ist wahrscheinlich nach unseren Daten. Bei einer Belastung von 60 bis 90 Minuten beziffere ich sie auf ungefähr zwei bis drei Prozent. Im Leistungssport ist dieser Unterschied gigantisch." Dieser könne bei einer Bergetappe der Tour de France 500 bis 1.000 Meter ausmachen. "Das kann über Sieg oder Niederlage entscheiden", sagt Steinacker.
Im Leistungssport gibt es laut Statistiken bis zu vier Mal mehr Asthmatiker als in der Allgemeinbevölkerung. Der hohe Einsatz von Asthma-Sprays, besonders im Radsport und in Wintersportarten, wird daher seit Jahren kontrovers diskutiert. Vor allem die Frage, ob bestimmte Asthma-Wirkstoffe auch zum Dopen genutzt werden. Bislang gab es keinen wissenschaftlichen Beweis für eine Leistungssteigerung. So kam es zur Idee, eine Studie dazu durchzuführen.
WADA finanziert Studie
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat das Projekt aus Ulm mit einer Fördersumme von 315.000 Dollar finanziert. Die Wissenschaftler schauten sich die Asthma-Wirkstoffe Salbutamol und Formoterol genauer an. Diese sind im Leistungssport nicht verboten, sondern gehören zu den anwendungsbeschränkten Mitteln. Die WADA legt für diese Mittel einen Grenzwert fest. Dieser gibt den Athleten vor, wie hoch ein Medikament dosiert werden darf, ohne dass es als Doping gilt.
In der Vergangenheit hat es im Sport immer wieder Fälle gegeben, in denen Sportler positiv auf diese Asthmamedikamente getestet wurden. Einer der bekanntesten Fälle ist der des viermaligen Tour-de-France-Siegers Chris Froome. Er hatte doppelt so viel Salbutamol im Urin wie der Grenzwert erlaubte – und wurde nach monatelangen Diskussionen dennoch freigesprochen. Der norwegische Skilangläufer Martin Johnsrud Sundby erhielt dagegen wegen des übermäßigen Salbutamol-Gebrauchs eine Sperre von zwei Monaten.
Studienleiter fordert Maßnahmen
Für die Studie haben je zwölf gesunde Frauen und Männer vor dem intensiven Fahrradfahren die Wirkstoffe Formoterol beziehungsweise Salbutamol inhaliert oder ein Placebo. Zum Schutz der Probanden lag die verabreichte Dosis erheblich unter den Grenzwerten. Dennoch wurde der leistungssteigernde Effekt deutlich.
Aufgrund der Studienergebnisse fordert der Ulmer Wissenschaftler Steinacker, die aktuellen Grenzwerte von Salbutamol und Formoterol noch weiter abzusenken, um Fairness im Sport herzustellen. Ihm ist es aber auch wichtig, unnötige Behandlungen und Nebenwirkung zu vermeiden. Denn inzwischen sei die Medizin weiter, und man könne Asthma auch ohne klassische Asthma-Sprays behandeln.
WADA hält an Regeln fest
Die WADA interpretiert die Ergebnisse der Studie aus Ulm zurückhaltender und will an den aktuellen Grenzwerten festhalten. Solange die Dosis der Wirkstoffe gering bleibe, brauche man sich keine Sorgen zu machen, dass die Leistung gesteigert werde, sagte der WADA-Wissenschaftsdirektor Olivier Rabin der ARD-Dopingredaktion. "Diese Studie hat gezeigt, dass die Regeln, so wie sie jetzt sind, gute Regeln sind."
Studienleiter Steinacker hofft, in der weiteren Debatte mit der WADA noch auf ein Umdenken. Die Studie wird in den nächsten Wochen veröffentlicht - und dann für weitere Diskussionen sorgen.