
"Sommermärchen"-Prozess Beckenbauers Strippenzieher und die ominösen 6,7 Millionen
Auch ein enger Vertrauter Franz Beckenbauers trägt im "Sommermärchen"-Prozess kaum zur Aufklärung bei, wozu die Zahlung der ominösen 6,7 Millionen Euro diente. Fedor Radmann schließt Bestechung aus, plausible Erklärungen fehlen ihm genau wie Erinnerungen.
Wenn eines ihrer Kinder 20 Euro von ihr haben wolle, dann frage sie wofür. Mit diesem Beispiel versucht Richterin Eva-Marie Distler, dem Zeugen Fedor Radmann klarzumachen, dass sie dessen Aussage doch zumindest stark anzweifelt.
Distler ist die Vorsitzende Richterin am Landgericht in Frankfurt bei dem Prozess, in dem nur noch Theo Zwanziger als Angeklagter übrig geblieben ist. Der ehemalige Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) muss sich wegen schwerer Steuerhinterziehung verantworten, aber darum geht es auch am 21. Verhandlungstag nur marginal.
Das Gericht und die Staatsanwaltschaft möchten vor allem wissen, wofür die zehn Millionen Schweizer Franken genutzt wurden, die sich Franz Beckenbauer 2002 vom damaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus lieh, und die schließlich beim katarischen Fußballfunktionär Mohamed bin Hammam landeten. Diese zehn Millionen Schweizer Franken sind samt Zinsen später zu den ominösen 6,7 Millionen Euro geworden, die einen Schatten auf die als "Sommermärchen" bezeichnete Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland legen.
Radmann schließt Bestechung aus
Fedor Radmann, inzwischen 80 Jahre alt, bestens vernetzt, ein enger Vertrauter des im Januar 2024 verstorbenen Beckenbauer, wirkte dabei mit, die WM nach Deutschland zu holen. Als er 1998 um Hilfe gebeten worden sei, seien die Konkurrenten Südafrika und England "weit voraus" gewesen, die Lage "extrem schwierig".
Am 6. Juli 2000 jedoch erhielt Deutschland den Zuschlag, mit 12:11 Stimmen im letzten Wahlgang gegen Südafrika. "Irgendwie haben wir es geschafft", sagt Radmann vor Gericht. Irgendwie, etwa dadurch, dass "wir nie belehrend waren", sondern einfach nett und überzeugend - irgendwie. Bestechung schließt er aus: "Von uns ist nach meinem Wissen kein Euro gezahlt worden."
Radmann ist einer, der mit Strippenziehen Millionen verdient hat. In der Branche ist er auch als "Schiebor" bekannt. Bevor er am Donnerstag (20.02.2025) mit seiner Aussage beginnt, sagt Richterin Distler: "Man hat hier manchmal doch den Eindruck, dass sich sehr gerne nicht erinnert wird." Radmann erinnert sich dann an vieles. Aber an vieles auch nicht.
Zehn Millionen "Sicherheit" für 250 Millionen Zuschuss
Das Gericht und die Anklage glauben, dass er sich zumindest bei einigen Fragen nicht erinnern will oder eben nicht sagt, an was er sich erinnert. "Das glaube ich nicht", sagt Distler etwa, als Radmann behauptet, er habe nicht hinterfragt, warum denn der Weltverband FIFA eine "Sicherheit" (die Beckenbauer einst "Provision" nannte) von zehn Millionen Schweizer Franken verlange, um dann später ein Vielfaches davon als Zuschuss für die Ausrichtung der WM zu zahlen. Letztlich waren es 250 Millionen. Oder, um in der von Richterin Distler angeführten Analogie zu bleiben: Warum sollte ein Kind seiner Mutter 75 Cent geben, um dann 20 Euro zu erhalten?
Radmann sagt, das mit der "Sicherheit" sei ihm schon "komisch" vorgekommen, allerdings nur, weil die FIFA die ganze Angelegenheit mit dem Zuschuss "nicht intern" geklärt habe, sondern das Duo Beckenbauer/Radmann habe einschreiten müssen.
Radmanns Version: Beckenbauer sei bei einem Treffen Ende 2001 in Zürich mit dem damaligen FIFA-Präsidenten Sepp Blatter in dessen Büro verschwunden und habe danach gesagt, dass es jetzt ganz gut mit dem Zuschuss aussehe, nachdem der Weltverband zunächst gar nichts habe geben wollen. Radmann solle deshalb mit bin Hammam sprechen, der in der Finanzkommission der FIFA sitze, und den er gut kenne.
Radmann trägt nichts Wesentliches bei
Später habe dann ein Mitarbeiter des Katarers angerufen und gesagt, es werde ein Zuschuss in noch offener Höhe gezahlt, wenn denn die "Sicherheit" von zehn Millionen Schweizer Franken fließe. "Nein, ich habe nicht gedacht, dass da irgendjemand geschmiert werden müsste", sagt Radmann, als die Richterin eine dahingehende Vermutung äußert, die aufgrund der skandalträchtigen Historie der FIFA naheliegt.
Reinhard Grindel, DFB-Präsident von 2016 bis 2019, hatte vor dem Landgericht in Frankfurt ausgesagt, dass er gehört habe, bin Hammam habe mit dem Geld aus Deutschland Stimmen für Blatter gekauft, damit der als Präsident der FIFA wiedergewählt werde. Der Zeuge Radmann trägt am Donnerstag nichts Wesentliches zur Aufklärung bei, auch nicht der Zeuge Marcus Höfl, der langjährige Manager von Beckenbauer.
Jetzt bleibt noch Ex-FIFA-Chef Blatter
Die 6,7 Millionen Euro dürften ominös bleiben. Das glaubt auch der Angeklagte. Theo Zwanziger glaubt aber auch, wie die Wahrheit ans Licht hätte kommen kommen. "Warum wurde nie ein Ermittlungsverfahren gegen Mohamed bin Hammam eingeleitet", fragt Zwanziger mit Blick auf die schweizerischen Behörden, die in dem ganzen Sumpf auch ermittelt haben. Die Antwort gibt er selbst: "Man hat es nicht gewollt."
Die FIFA, so Zwanziger, sitze in der Schweiz, und die WM 2022 in Katar, habe nach den Verhören auch deutscher Funktionäre noch ausgestanden. Mohamed bin Hammam wird vorgeworfen, die WM mithilfe von Bestechung in seine Heimat geholt zu haben. Die französische Justiz hat einen Haftbefehl erlassen, im Juni 2023.
In Frankfurt hofft das Gericht, auch ohne den einstigen Strippenzieher aus Katar noch Licht ins Dunkel zu bringen. Auf der Zeugenliste steht unter anderem noch Sepp Blatter.