
Wahl zum IHF-Präsidenten Deutscher tritt gegen "Pharao" Moustafa an - "Es braucht frische Impulse"
Der skandalumwitterte Präsident des Welthandballverbandes bekommt einen deutschen Gegenkandidaten. Gerd Butzeck tritt gegen den seit 25 Jahren amtierenden Hassan Moustafa an: "Es braucht frische Impulse."
Die Beteiligung an einem großen Manipulationsskandal ist nachgewiesen. Er hat in die Kasse seines Verbandes gegriffen und etwa eine halbe Million Euro entnommen, ohne dafür Belege einzureichen. Es gab unter ihm sagenhafte Erhöhungen der Spesen und auch Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit.
Schon vor 16 Jahren sagte jemand über Hassan Moustafa: "Mit so einem Menschen an der Spitze dürfen wir uns nicht wundern, wenn im Handball jetzt ständig die Rede von Korruption und Bestechung ist."
Aber Moustafa ist immer noch an der Spitze der International Handball Federation (IHF), und er will da auch bleiben, obwohl er im Juli 81 Jahre alt wird und bei verschiedenen Auftritten Zweifel gesät hat, ob er der Aufgabe noch geistig gewachsen ist. Hassan Moustafa, seit dem Jahr 2000 Präsident der IHF, will kandidieren, wenn im Dezember 2025 gewählt werden wird, in Kairo, der Hauptstadt seiner ägyptischen Heimat.
Zum ersten Mal seit 2009 wieder ein Gegenkandidat
Die sagenhaften Ergebnisse von um die 90 Prozent wie bei den vergangenen drei Wahlen dürfte er aber bei weitem nicht bekommen. Dieses Mal wird es - zum ersten Mal seit 2009 - wieder einen Gegenkandidaten geben.
Er heißt Gerd Butzeck (Foto rechts, links IHF-Präsident Hassan Moustafa), ist 66 Jahre alt, geboren in Solingen, wohnhaft in Wuppertal. Butzeck war Mitte der 80er Jahre beim TSV Milbertshofen der erste hauptamtliche Manager im deutschen Handball. Gleichzeitig war er Manager der sowjetischen Nationalmannschaft (die Kontakte wurden geknüpft während des Studiums von Mathematik und Russisch in Moskau), später Vizepräsident des belarusischen Handballverbandes. Er war Schiedsrichter in der deutschen Bundesliga, er saß in der Exekutivkommission des Europäischen Verbandes EHF, er ist Geschäftsführer der "Group Club Handball" und des "Forum Club Handball", einer Interessenvertretung der internationalen Spitzenvereine.
Butzeck: "Nicht zu erwarten, dass ich gewählt werde"
Butzeck ist seit Jahrzehnten bestens vernetzt, und er ist Realist. "Es ist nicht zu erwarten, dass ich gewählt werde", sagte er am Montag (07.04.2025) im Gespräch mit der Sportschau, zwei Tage nachdem er vom Präsidium des Deutschen Handballbundes (DHB) zum Kandidaten bei der Wahl zum Boss der IHF vorgeschlagen worden war.
"Gerd Butzeck ist einer der erfahrensten und profiliertesten Handball-Funktionäre - global vernetzt und mit Einblicken in unseren Sport von der Basis bis zum absoluten Top-Level. Er besitzt die notwendige Gestaltungskraft für die weitere Professionalisierung des Handballsports", wurde DHB-Präsident Andreas Michelmann zu der Entscheidung zitiert.
Formell muss die Kandidatur bis zum 21. September angemeldet werden, gewählt wird auf dem Kongress in Kairo zwischen dem 19. und 22. Dezember.
Moustafa mit sehr vielen sicheren Stimmen
Es sind also noch ein paar Monate Zeit für einen Wahlkampf, der aussichtslos erscheint. Von den 210 Mitgliedsverbänden der IHF, die jeweils eine Stimme haben werden, kommen 99 aus Afrika und Asien. Sie stehen geschlossen hinter Moustafa, der ein paar krumme, aber eben auch viele gute Geschäfte gemacht hat, durch die er Geld verteilen konnte. Ein weiteres Mittel, um Rückhalt zu gewinnen, nutzte er ebenfalls. Die Weltmeisterschaft wurde von 24 auf 32 Teilnehmer erweitert.

IHF-Präsident Hassan Moustafa bei seiner Rede nach nach der Handball WM 2025
Eine WM im Handball ist quasi eine offene Europameisterschaft. Einzig Katar holte mal eine Medaille bei einem Weltturnier, aber das mit einer Mannschaft, die hauptsächlich in Europa rekrutiert wurde. In ihr spielten gebürtige Spanier, Kroaten und Franzosen.
Nationen wie Brasilien und Moustafas Heimatland Ägypten haben aufgeholt, aber nur in der Spitze. "Die IHF hat es nicht geschafft, Handball auf anderen Kontinenten nach vorne zu bringen und vernünftig zu strukturieren. Wir brauchen frische Impulse", sagt Butzeck. Ein Deutscher will also den Handball im großen Rest der Welt fördern, während der Nordafrikaner Moustafa dafür sorgte, dass Handball nahezu ausschließlich in Europa, und das nicht mal in allen Ländern, ein ziemlich großes Ding ist.
Komplizierte Gemengelage
Die Gemengelage im Handball ist so kompliziert, wie sie wirkt. In Europa gibt es seit Jahren - wenn auch keinen geschlossenen - Widerstand gegen Moustafa, der wegen seines autokratorischen Führungsstils auch "Pharao" genannt wird.
Nach Informationen der Sportschau hatten sich die Europäer im Lauf des Jahres 2024 darauf geeinigt, Morten Stig Christensen ins Rennen gegen Moustafa zu schicken. Der Däne führte den Verband seines Heimtlandes seit 2007 erfolgreich. In den vergangenen vier Auflagen wurde Dänemark jeweils Weltmeister bei den Männern. Christensen verstarb dann aber am 1. November 2024 plötzlich mit nur 65 Jahren. Die Suche begann von neuem, und sie endete bei Butzeck, der sich allerdings Monate vor der Wahl keinen Illusionen hingibt: "Es würde mich sehr freuen, wenn die Europäer geschlossen für mich stimmen würden - allerdings würde es mich auch wundern."
DHB dankt Moustafa für "alles, was er bisher für den Handball getan hat"
In einem Vierteljahrhundert an der Spitze der IHF hat Hassan Moustafa Abhängigkeiten geschaffen und die Zahl der offenen Kritiker so minimiert. In seiner Mitteilung zur Kandidatur Butzecks schrieb auch der Deutsche Handballbund: "Wir möchten mit diesem Vorschlag der internationalen Handball-Familie eine Option anbieten, so die globale Zukunft des Handballs mitgestalten zu können. Zugleich sind wir Dr. Hassan Moustafa dankbar für alles, was er bisher für den Handball getan hat."

Hassan Moustafa mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier bei der Eröffnung der WM 2019 in Deutschland
Butzeck bestätigte zwar der Sportschau, den oben zitierten Satz 2009 gesagt und so indirekt Moustafa Korruption unterstellt zu haben, in den Wahlkampf wolle er aber defensiver gehen "und nach vorne schauen". Gleichwohl sagt er: "Ohne Gegenkandidat müsste Europa damit rechnen, dass Hassan Moustafa für weitere vier Jahre gewählt wird. Der Handball hat sich in Europa in den letzten Jahren gut und dynamisch entwickelt, aber weltweit liegt sehr viel Potenzial brach. Wir brauchen Veränderung."
"Ich sehe Handball als olympische Sportart in Gefahr"
Diese Veränderung und wirksame Globalisierung seien auch notwendig, um den Sport beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zu fördern. Mit Thomas Bach sei nun ein Präsident abgetreten, der als Deutscher wahrscheinlich eine ganz andere Wahrnehmung von Handball hat als seine Nachfolgerin Kirsty Coventry aus Simbabwe. Für den Moment fürchtet Butzeck wegen der größtenteils auf europäische Nationen beschränkten Popularität: "Insbesondere durch die Abwahl des Deutschen Thomas Bach als IOC-Präsident sehe ich Handball als olympische Sportart in Gefahr. Seine Nachfolgerin Kirsty Coventry aus Simbabwe hat vermutlich noch nie ein Handballspiel gesehen."