Kommission legt Bericht vor Missbrauchsvorwürfe im Deutschen Tennisbund
Nach NDR-, Sportschau- und SZ-Berichten über Vorwürfe des Machtmissbrauchs gegen den ehemaligen Vize-Präsidenten war eine Kommission zur Aufarbeitung beauftragt worden. Ihr Bericht deutet auf Defizite auch in der Aufarbeitung hin.
Winterpause und ein schönes Weihnachtsfest wünscht der Deutsche Tennisbund am 16. Dezember seinen Mitgliedern. Einen Tag später veröffentlicht der DTB dann doch noch eine Nachricht, auf die einige gewartet haben dürften. Das Ergebnis der 12-monatigen Aufarbeitung zu Machtmissbrauchsvorwürfen im deutschen Tennis. Dem Tennisbund selbst liegt der Bericht der Kommission schon seit Ende Juni vor.
Mindestens vier Fälle interpersonaler Gewalt
Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass es in den vergangenen vier Jahrzehnten in mindestens vier Fällen zu interpersonaler Gewalt gekommen sei. Unter den Begriff "interpersonale Gewalt" fallen Formen psychischer, physischer und sexualisierter Gewalt sowie der Vernachlässigung. Es gebe darüber hinaus Anhaltspunkte für eine "Vielzahl weiterer Fälle" im Tennissport in Deutschland, heißt es in der Meldung.
Der komplette Bericht umfasst nach Angaben des dreiköpfigen Gremiums 147 Seiten. Veröffentlicht wurde nun jedoch nur eine Meldung von 51 Zeilen. Der komplette Bericht enthielte personenbezogene Angaben, die "die Intimsphäre der Auskunftspersonen" beträfen. Daher habe die Kommission dem DTB empfohlen, den Bericht nicht zu veröffentlichen.
Betroffener kritisiert die Veröffentlichung
Das sehen von Missbrauch im Tennis Betroffene teilweise anders. "Man bekommt das Gefühl, es soll weiter vertuscht werden", kritisiert ein Betroffener den Deutschen Tennisbund, der seine Geschichte sexualisierter Gewalt im Tennis mit der Kommission geteilt hatte. Den Verantwortlichen fehle die Empathie gegenüber Betroffenen. Zudem sei der Erkenntnisgewinn der nun veröffentlichten Aufarbeitung gering. "Dafür hätte ich keinen Bericht einer Aufarbeitungskommission gebraucht, das weiß ich auch so", kommentiert die Person die Veröffentlichung des DTB.
Mit der Aufarbeitung hatte der Deutsche Tennisbund die Wissenschaftlerin Ute Sacksofsky, den Frankfurter Rechtsanwalt Felix Rettenmaier und den ehemaligen Tennisprofi Eric Jelen beauftragt. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass ein fehlendes Schutzkonzept Fälle von interpersonaler Gewalt begünstigt habe. "Zudem erleichterten eine fehlende Sensibilisierung für das Thema interpersonaler Gewalt sowie die Verbandsstrukturen einen Machtmissbrauch."
Inzwischen habe der DTB zwar "ein Schutzkonzept zur Vermeidung interpersonaler Gewalt" eingeführt, heißt es in der Kurzzusammenfassung. Den Schutz, den dieses Konzept bietet, hält die Kommission nach eigenen Angaben aber "für nicht ausreichend". Gründe für diese Einschätzung werden nicht genannt.
Kommission habe auch Medienberichte ausgewertet
Während des Untersuchungszeitraums hat die Kommission nach eigenen Angaben auch Medienberichte ausgewertet. Allein die von NDR, Sportschau und SZ über die Jahre recherchierten Fälle interpersonaler Gewalt im Tennis gehen weit über die von der Aufarbeitungskommission ermittelten Fälle hinaus.
In der ARD-Dokumentation "Machtmissbrauch – Das offene Geheimnis im Tennis" hatten allein 14 Tennisprofis von Machtmissbrauchsvorwürfen gegenüber DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff berichtet
Unter anderem hatten der ehemalige Tennisprofi Maximilian Abel und der noch aktive indische Spieler Sriram Balaji Vorwürfe sexualisierter Gewalt gegen Dirk Hordorff erhoben. Hordorff war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Vize-Präsident des Deutschen Tennisbundes und ist kurz nach Veröffentlichung der Vorwürfe zurückgetreten. Er ist inzwischen verstorben. Die Vorwürfe hatte er stets zurückgewiesen. Auf die konkreten Vorwürfe gegen ihn geht der nun veröffentlichte Kurzbericht von 51 Zeilen nicht ein.
Zweite Aufarbeitungskommission, die ihre Arbeit beenden konnte
Der NDR hatte auch über den Missbrauch eines anderen Tennis-Trainers aus Schleswig-Holstein berichtet. Der Trainer Joachim J. hatte vor Gericht den 40-fachen sexuellen Missbrauch von einer Schutzbefohlenen und eine sexuelle Belästigung gestanden. Er wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Auch der Deutschlandfunk berichtete in der Vergangenheit über einen weiteren Betroffenen von sexualisierter Gewalt als Kind durch seinen Trainer.
In der Recherche von NDR, Sportschau und Süddeutscher Zeitung hatte vieles darauf hingedeutet, dass es auch im Tennis Personen gegeben hat und gibt, die von Übergriffen gewusst, aber nichts unternommen haben. Ob die Kommission auch solche Personen ausfindig gemacht hat, geht aus den wenigen Zeilen nicht hervor. Ebenso fehlt die Information, ob in diesen Fällen Disziplinarmaßnahmen eingeleitet worden sind.
Die Aufarbeitungskommission Tennis ist die zweite der aktuell vier Aufarbeitungskommissionen im deutschen Sport, die ihre Arbeit beenden konnte. Vor anderthalb Monaten hatte die Aufarbeitungskommission Schwimmen als erste einen Abschlussbericht vorgelegt. Die vom Schwimmverband veröffentlichte Zusammenfassung hat auf immerhin 19 Seiten bereits Bekanntes aufgelistet und Empfehlungen ausführlich beschrieben. Die Aufarbeitungskommission Handball wurde durch eine Gerichtsentscheidung gestoppt. Die Kommission, die die von Turnerinnen eines Vereins in Weimar geschilderten Übergriffe durch ihren bereits rechtskräftig verurteilten Trainer untersucht, ist noch in Arbeit.