Eckfahne mit dem Emblem von Rot-Weiss Essen

Sexismus im Fußball Statement von Rot-Weiss Essen lässt Fragen offen

Stand: 08.04.2025 12:33 Uhr

Neun Tage braucht Rot-Weiss Essen nach den sexistischen Ausfällen seiner Fans gegenüber Schiedsrichterin Fabienne Michel, um ein Statement zu den Vorfällen zu veröffentlichen.

Es ist ein Hochrisikospiel, entsprechend nervös sind alle Verantwortlichen im Vorfeld: Rot-Weiss Essen empfängt am vergangenen Sonntag (06.04.25) Hansa Rostock. Kurz vor Anpfiff ergreift RWE-Vorstandsmitglied Alexander Rang im Gespräch mit dem Moderator des übertragenden Senders die Gelegenheit, sich öffentlich zu den sexistischen Vorfällen des vorangegangenen Spiels beim SC Verl am 28. März zu äußern.

"Rot-Weiss Essen ist ein hochemotionaler Verein. Aber wir haben auch Werte und der Ruhrpott steht auch für Offenheit und gegen Diskriminierung und darum ist es uns ein besonders wichtiges Anliegen, dass wir uns auch bei unserer Schiedsrichterin von letzter Woche, Fabienne Michel, entschuldigen wollen, auch öffentlich entschuldigen wollen", sagt Rang.

Zum selben Zeitpunkt wird auf der Homepage des Klubs ebenfalls ein Statement veröffentlicht: "Rot-Weiss Essen tritt, und so ist es auch in unserer Vereinssatzung verankert, diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen entschieden entgegen", wird Rang darin zitiert.

Von Sexismus ist im RWE-Statement nicht die Rede

In den Tagen zuvor war dieses entschiedene Entgegentreten nicht zu erkennen. Erst Recherchen der Sportschau hatten eine Aufarbeitung ins Rollen gebracht. Auch jetzt will sich der Klub über das Statement hinaus auf Anfrage nicht zu weiteren Details rund um die Vorfälle in Verl äußern. In dem Statement vom vergangenen Sonntag distanziert sich Rang von den sexistischen Gesängen einiger RWE-Fan und versichert: "Wir werden den DFB bei den Ermittlungen bestmöglich unterstützen."

Eine klare Benennung der Vorfälle bleibt jedoch aus. So ist lediglich von Beleidigungen in Richtung der Schiedsrichterin die Rede, nicht aber von Sexismus oder verbaler, sexualisierter Gewalt. Das aber ist ein wichtiger Unterschied, macht Rechtsanwältin Christina Clemm deutlich. "Menschen werden in unterschiedlichen Kontexten und meiner Wahrnehmung nach zunehmend beleidigt", sagt die Autorin des Buches "Gegen Frauenhass": "Aber bei Frauen oder queeren Menschen kommen häufig frauenverachtende, massiv herabwürdigende Äußerungen und Vergewaltigungsandrohungen hinzu. In einer Gesellschaft, die geprägt ist von Frauenhass und geschlechtsbezogener Gewalt, tragen solche Äußerungen zur Normalisierung bei."

Rechtsanwältin Christina Clemm

Rechtsanwältin Christina Clemm

Verweis auf Bildungsarbeit

Rot-Weiss Essen verweist indes im Statement auf die Bildungsarbeit des Vereins in Zusammenarbeit mit dem "Lernort Hafenstraße". Diese richtet sich an Schülerinnen und Schüler. Die angebotenen Workshops beschäftigen sich mit dem Thema "Antirassismus" und "Nachhaltigkeit". Sexismus im Fußball ist dort kein Thema. 

Zudem richtet sich die Bildungsarbeit an Schülerinnen und Schüler, nicht etwa an die Fans, die im Stadion lauthals Vergewaltigungsfantasien auf den Platz gebrüllt haben und auf die niemand reagiert hat. Bei rassistischen Vorfällen ist das inzwischen anders. Ein Verdienst von Fanorganisationen und Vereinen, die hier seit Jahren Bildungsarbeit leisten. 

Geschlechtsspezifische Gewalt - ein Problem über den Fußball hinaus

In der Öffentlichkeit mehren sich inzwischen auch Diskussionen darüber, ob es sich im Fall von Fabienne Michel überhaupt um eine besondere Form der Beleidigung und Diskriminierung handele. Verwiesen wird auf die Tatsache, dass auch männliche Schiedsrichter regelmäßig Gewaltandrohungen erfahren - bis hin zu Morddrohungen.

Seit Jahren ein Problem im Fußball, das immer wieder adressiert und diskutiert wird. Und das der DFB aktiv angeht. Sowohl auf als auch neben dem Platz. Ein Ergebnis dieser Bemühungen ist die "Kapitänsregelung", die inzwischen bundesweit eingeführt ist.

Der Unterschied zu sexistischer Diskriminierung ist allerdings, dass Gewalt- und Morddrohungen gegenüber Schiedsrichtern in der Regel nicht im Chor über den Platz geschrien werden. Sie findet nicht öffentlich im Stadion statt. Zudem können Schiedsrichter entscheiden, solche Drohungen in einem zivilrechtlichen Verfahren zur Anzeige zu bringen und entsprechend strafrechtlich verfolgen zu lassen.

Gewalt gegen Frauen ist Alltag

Diese Gewalt ist aber nicht geschlechtsspezifisch. Das heißt: Schiedsrichter werden nicht bedroht, weil sie Männer sind. Das ist bei Schiedsrichterinnen anders. Im vorliegenden Fall wurden kollektiv sexualisierte Gewaltphantasien verbalisiert. Diese Form der Abwertung von Frauen in männerdominierten Räumen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Ebenso, dass diese Form der Gewalt keine unmittelbare Reaktion hervorruft und stattdessen normalisiert ist.

Die Folge ist, dass die Zahl der Gewalttaten gegen Frauen seit Jahren steigt. Statistiken zeigen, dass jeden Tag in Deutschland ein Mann versucht, seine (Ex)-Partnerin zu ermorden, dass jeden dritten Tag eine Frau durch die Hände ihres (Ex)-Partners stirbt.

"Es ist deshalb wichtig und gerade auch in einem Umfeld wichtig, das männlich dominiert ist, gegen solche Beleidigungen konsequent vorzugehen und klarzumachen, dass sexualisierte Gewalt nie hingenommen wird, nie lustig ist, nie harmlos ist, auch nicht verbal", so Rechtsanwältin Christina Clemm: "Wer die Begeisterung aller Geschlechter für eine Sportart fördern möchte, muss dafür sorgen, dass sichere Räume für alle geschaffen werden." Dazu gehört auch, dass sich Vereine, Funktionäre, Fans und Medien aktiv zum Thema Sexismus verhalten.