Markus Söder, Friedrich Merz und Lars Klingbeil (v.l.n.r.)
analyse

Koalitionsvertrag Viel Zuspruch für den Sport - außer beim Geld

Stand: 10.04.2025 16:08 Uhr

Der organisierte Sport frohlockt angesichts des Koalitionsvertrags der neuen Bundesregierung. Allerdings bleibt vieles vage - und Zusagen wurden abgeschwächt.

"Unsere drei zentralen Forderungen sind fast vollumfänglich aufgenommen werden", lässt sich Thomas Weikert, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zitieren. "Insofern sehen wir vier hoffnungsvollen Jahren für den Sport entgegen."

Dass sich der DOSB begeistert über politische Entscheidungen aus Berlin äußert, ist selten, aber der am Mittwoch (09.04.2025) veröffentlichte Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD hat einen Nerv getroffen. Eine der genannten zentralen Forderungen des DOSB war ein Staatsminister für Sport im Kanzleramt - und der soll nun tatsächlich kommen.

Mehr Sport-Lobby im Kanzleramt

Der Sport erhofft sich durch die neue Personalie mehr politisches Gehör und einen kürzeren Draht zum Kanzler, im Idealfall mit einer sportbegeisterten Person, die von einem Sport-Lobbyisten kaum zu unterscheiden ist. Bisher war der Hauptansprechpartner der für Sport zuständige Staatssekretär im Innenministerium - die Wege zum Regierungschef sind nun tatsächlich kürzer. Aber was erhofft sich die Regierung?

Die historische Entscheidung steht im Koalitionsvertrag ganz am Ende des Unterkapitels Sport und wird in einem knappen Satz abgehandelt: "Wir ernennen einen Staatsminister für Sport und Ehrenamt im Kanzleramt." Mehr steht da nicht.

Mehr Bürokratie durch den Staatsminister

Aller Voraussicht nach wird der Sport weiterhin im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) verortet sein. Der neue Staatsministerposten hat wohl die Hauptaufgabe, die Sportthemen aus den verschiedenen Ressorts zu koordinieren - vor allem aus den Ministerien für Gesundheit, Verteidigung und Bauwesen.

Dafür zu sorgen, dass alle in die gleiche Richtung schwimmen, erscheint sinnvoll. Aber braucht es dafür eine Ministerin oder einen Minister? Fest steht nur: Die Bürokratie wird wachsen, statt zu schrumpfen, schließlich muss das neue Amt informiert und mitgenommen werden.

Machtkämpfe sind programmiert

Und inwiefern darf es auch lenken? Ein Kompetenzgerangel mit dem Innenministerium scheint unausweichlich. Und auch mit dem Sport dürfte es weiter Reibereien geben.

Die neue Regierung hat nun einen hochrangigen Beamten und ein eigenes Sprachrohr für den Sport. Wo reiht sich da der DOSB ein, der stets auf die Autonomie des Sports pocht und sich dabei in der Führungsrolle sieht?

Das Ja zur Olympia-Bewerbung war sicher

Ein Selbstläufer war die Zusage der Regierung, eine Bewerbung um Olympische Spiele zu unterstützen. Nach dem berauschenden Fest Paris 2024 ist die Olympiabegeisterung in der Politik gestiegen. Weniger groß dürfte die Begeisterung darüber sein, wie langsam und umständlich der DOSB eine Bewerbung für die Sommerspiele 2036, 2040 und 2044 angeht.

Wenig Klarheit, viele offene Fragen

Robert Kempe, Sportschau Olympia 2024

Am Mittwoch hat er den Zeitplan erneut nach hinten korrigiert, erst im September 2026 soll feststehen, mit welcher Bewerbung Deutschland ins Rennen geht. Und dann die nötigen finanziellen Zusagen aus Berlin zu bekommen, dürfte ungemein schwerer werden als einen allgemeinen Zuspruch im Koalitionsvertrag.

Die Sportmilliarde als Luftnummer?

Wenn es ums Geld geht, hat die Sportbegeisterung in Berlin dann doch Grenzen - das zeigt sich beim Unterpunkt Sportinfrastruktur, das dritte zentrale Anliegen des DOSB. In den Arbeitspapieren hatte es noch geheißen, die neue Regierung wolle Ländern, Kommunen und Vereinen mit mindestens einer Milliarde Euro pro Jahr dabei helfen, Sportstätten zu sanieren. Angesichts des geplanten Sondervermögens für Infrastruktur von 500 Milliarden Euro in den kommenden zwölf Jahren erschien diese Zusage durchaus realistisch.

Nun aber fehlt im Koalitionsvertrag der wichtige Zusatz "pro Jahr". So könnte die schwammige Sportmilliarde, die die CDU/CSU auch im Wahlprogramm stehen hatte, ohne Wortbruch auch auf vier Jahre verteilt werden, was lediglich 250 Millionen Euro pro Jahr bedeuten würde.

Nicht mehr Geld vom Bund als bisher

Das wäre dann keine Steigerung im Vergleich zu bisher, denn auch zuletzt hat der Bund Sportstätten auf verschiedenen Wegen gefördert. Ein Beispiel: Alleine aus dem Förderprogramm "Sport, Jugend und Kultur" standen von 2015 bis 2023 jährlich im Schnitt mehr als 200 Millionen Euro für Sanierungsprojekte zur Verfügung.

Die klammen Kommunen sind dringend auf Hilfe aus Berlin angewiesen, um die zahlreichen maroden Sporthallen und Schwimmbäder zu modernisieren.

Soziale Absicherung für Spitzensportler

Bemerkenswert ist, dass der Koalitionsvertrag konkret auf Bedürfnisse der Sportlerinnen und Sportler eingeht, deren Lobbyverband Athleten Deutschland verbucht das als Erfolg. Die Profis sollen sozial besser abgesichert werden, Mutterschutz in Anspruch nehmen können und bei ihren dualen Karrieren gestärkt werden. Prämien für gewonnene Medaillen sollen zudem steuerfrei werden.

Löblich sind die Bekenntnisse für das Zentrum Safe Sport, das Bundesprogramm gegen Extremismus und Antisemitismus, die Hilfe für Opfer des DDR-Zwangsdopings und die "Koordinierungsstelle Fanprojekte".

Die aufgeführte Traineroffensive klingt auch toll, aber Pläne in diese Richtung gab es schon oft, hatten aber bislang einen geringen Effekt.

Sportentwicklungsplan und Sportfördergesetz fehlen

Gar nicht erwähnt wird der von der Vorgänger-Regierung angegangene, aber früh ausgebremste Sportentwicklungsplan, der die verschiedenen Sport-Player aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und organisiertem Sport hinter einem Ziel vereinen sollte. Hier ist der künftige Sportminister gefragt, einen neuen Versuch zu starten.

Auch das geplante Sportfördergesetz mit der Agentur für Spitzensport taucht nicht namentlich auf, dafür das allgemeine Vorhaben, die Spitzensportförderung effizienter zu gestalten und sich an den eingeleiteten Prozessen zu orientieren. Interessant ist dabei der ausdrückliche Hinweis, der Hoheit des Haushaltsgesetzgebers Rechnung zu tragen.

Bedeutet: Der Bund soll und will darüber entscheiden, wie die staatlichen Fördermittel dem Spitzensport zugutekommen. Bisher hat der DOSB bei dieser Frage maßgeblich mitgemischt und will das auch weiterhin tun. Das Kompetenz-Gezerre zwischen Sport und Politik dürfte also weitergehen - mit der Erschwernis, dass nun durch den neuen Sportminister ein weiterer Beteiligter mitmischt.