![Ruderer auf der Spree unmittelbar vor dem Kanzleramt | IMAGO / Bernd Elmenthaler Ruderer auf der Spree unmittelbar vor dem Kanzleramt](https://images.sportschau.de/image/f8f8fb0a-d715-4596-8bc7-5c40d9c32214/AAABlRMGinM/AAABkZLrr6A/original/rudersport-kanzleramt-spree-100.jpg)
Vor der Bundestagswahl Ein Sportminister in Berlin - Chancen und Risiken
Deutschland wählt seinen Bundestag – und damit die Richtung in der Sportpolitik. Kommt ein Sportminister? Und schießt der Sport hier ein Eigentor?
Der Sport, und das ist angesichts der welt- und bundespolitischen Lage keine Überraschung, spielt im Wahlkampfgetöse vor der Bundestagswahl am 23. Februar nur eine Nebenrolle. Dabei ist der Bedarf an entschlossenem sportpolitischen Handeln groß: Olympiabewerbung, marode Sporstätten, weniger internationale Erfolge - es gibt viel zu tun.
Die Ergebniskrise im deutschen Spitzensport rückte Ende Januar dann doch einmal in die Schlagzeilen, als CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz mit Blick auf das schlechte Abschneiden bei Olympia 2024 in Paris forderte, Bundesjugendspiele mit Siegerurkunden wieder an allen Schulen einzuführen.
Merz zeigt sich schlecht informiert
Wenn die Lösung so einfach wäre, hätten sich Politik und Sport jahrelange Arbeit sparen können beim Versuch, den Spitzensport durch eine effizientere Förderung nach vorne zu bringen. Natürlich aber ist es nicht so einfach und Merz’ Vorstoß war inhaltlich extrem dünn und sogar irreführend.
Siegerurkunden bei Bundesjugendspiele sind genauso wenig abgeschafft worden wie das Toreschießen bei Fußballspielen in der E- und F-Jugend, wie es Merz ebenfalls herausposaunte. Trotzdem konnte sich der Unioner sicher sein, johlenden Applaus für seine Stammtisch-Parolen zu erhalten - willkommen im Wahlkampf 2025.
Sportmilliarde für Infrastruktur
Dabei hat das Wahlprogramm der CDU/CSU durchaus Interessantes zu bieten in Sachen Sport: ein Ja zur Bewerbung um Olympische Sommerspiele, mehr Unterstützung fürs Ehrenamt, Geld für die Sanierung der Sportstätten. All das eint die Union im Grundsatz mit SPD, Grüne, Linke und FDP. Aber sie wird auch konkret.
Beim Ehrenamt will die Union Bürokratie abbauen, Haftungsfragen klären und die Übungsleiter- und Ehrenamtpauschalen spürbar erhöhen. Bei den Sportstätten verspricht sie eine "Sportmilliarde", was auch die Grünen und die Linken tun: eine Milliarde Euro pro Jahr vom Bund für eine bessere Sport-Infrastrukur. Und die CDU/CSU will eine halbe Stunde Sport pro Tag für Grundschulkinder - Bildungspolitik ist allerdings Ländersache.
Union will Sport ins Kanzleramt holen
Ein Alleinstellungsmerkmal der Union ist ihr Plan, den Sport ins Kanzleramt zu holen mit einem Staatsminister für Sport und Ehrenamt. Die Idee ist nicht neu und geht in die Richtung, wie es in Nordrhein-Westfalen oder Thüringen gehandhabt wird. Aber ist die Idee auch gut?
"Das ist im Moment schwer zu beurteilen, weil ja unklar ist, welchen Aufgabenbereich dieser Staatssekretär oder die Staatssekretärin dann zu verantworten hat", sagt Professor Lutz Thieme, Sportwisschenschaftler an der Hochschule Koblenz, im Sport-inside-Podcast.
![Lutz Thieme, Sportwissenschaftler an der Hochschule Koblenz | wdr/privat Lutz Thieme, Sportwissenschaftler an der Hochschule Koblenz](https://images.sportschau.de/image/a3c72794-1367-4db1-b204-eb2053a5557f/AAABknZ0Fls/AAABkZLlUbs/16x9-960/lutz-thieme-100.jpg)
Lutz Thieme, Sportwissenschaftler an der Hochschule Koblenz
"Wenn es nur bedeutet, dass die jetzige Sportabteilung aus dem Bundesinnenministerium ins Kanzleramt wechselt, dann ist man auf der einen Seite näher am Machtzentrum der Politik, verliert aber auf der anderen Seite die Unterstützung dieses großen Hauses Bundesinnenministerium."
Wie stark wäre ein Bundes-Sportminister?
Denkbar wäre aber auch, dass Sportthemen aus anderen Ministerien im Kanzleramt zusammengeführt würden - etwa aus dem Bau-, Gesundheits- und Verteidigungsministerium. "Damit würde eine ganz andere zentrale Funktion entstehen, die den Sport dann sehr nah an die politischen Machtzentren heranführt", sagt Thieme.
Es ist auch der ausdrückliche Wunsch des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), den Sport im Kanzleramt zu verorten. Das Kalkül dürfte sein, dort besser lobbyieren zu können mit kurzen Wegen zum Regierungschef - und idealerweise einem sportbegeisterten Minister, der offen ist für die Interessen der Sportverbände.
Mehr staatlicher Einfluss auf den Spitzensport?
Doch ein solcher Akteur könnte auch Nachteile für den DOSB mit sich bringen - etwa bei dem Anspruch, weiterhin die Spitzensportförderung maßgeblich mitzugestalten. Dies tut der DOSB bisher unter anderem, indem er gemeinsam mit dem BMI über die Verwendung der Zuschüsse für die Spitzenverbände entscheidet. Und er möchte auch weiterhin ein gewichtiges Wort mitreden, wenn denn künftig die geplante Agentur für Spitzensport die Förderung regelt.
Diese Agentur ist zentraler Bestandteil des Sportfördergesetzes, das nach dem Aus der Ampelregierung im Bundestag keine Mehrheit mehr gefunden hat, aber (irgendwann) nach der Neuwahl wieder in Angriff genommen werden dürfte. Großer Zankapfel zwischen Politik und Sport sind die Stimmanteile im wichtigen Stiftungsrat der Agentur.
Streit um den Einfluss in der Agentur
Der DOSB hat scharf kritisiert, dass sich das BMI dort im Gesetzesentwurf das letzte Wort gesichert hatte, also die Hoheit über die grundsätzliche Ausrichtung der Agentur. Wie so oft wird die Autonomie des Sports eingefordert und auf die größere Expertise in den eigenen Reihen verwiesen. Das BMI dagegen hat den Bundesrechnungshof im Nacken, der ausdrücklich einfordert, dass die Politik über die Verwendung von Steuergeldern entscheidet - und nicht etwa ein Interessenvertreter wie der DOSB.
Nach dem Scheitern des Gesetzentwurfs im Bundestag darf der organisierte Sport hoffen, dass die Pläne in seinem Sinne weiterentwickelt werden. Doch das könnte schwieriger werden mit einem starken Mann oder einer starken Frau für den Sport in Berlin.
Der Sport muss sich hinten anstellen
"Jemand, der im Kanzleramt im Range eines Staatssekretärs ist, dem würde ich unterstellen, dass er oder sie natürlich auch maßgeblich an Entscheidungen für den Sport mitwirken möchte", sagt Thieme. Das gelte dann auch in der geplanten Agentur für Spitzensport.
Der organisierte Sport blickt also gespannt Richtung Berlin, sicher auch nach der Wahl. Geduld ist gefragt, nicht nur wegen der politischen Lage, sondern auch wegen der klammen Staatskassen. Der Sport wird sich wohl auch bei den Koalitionsverhandlungen mit einer Nebenrolle begnügen müssen.