Safe-Sport-Code verabschiedet Ruhe im Sturm - Der DOSB präsentiert sich versöhnlich
Eine Palastrevolution ist ausgeblieben, die Mitgliederversammlung des DOSB verlief ruhig - die Konflikte schienen aber durch.
DOSB-Präsident Thomas Weikert zeigte sich auf der Mitgliederversammlung am Samstag (07.12.2024) in Saarbrücken selbstkritisch, sprach in seiner Zwischenbilanz-Rede die wichtigsten Streitpunkte des deutschen Sports an. Und das sind derzeit so viele, dass sogar über ein mögliches vorzeitiges Ende von Weikerts Amtszeit geraunt worden war.
Versöhnliche Töne nach Kritik im Vorfeld bei DOSB-Versammlung in Saarbrücken
Doch davon war in Saarbrücken öffentlich wenig zu spüren. Auch Stefan Klett, Präsident des Landessportbundes NRW, zeigte sich versöhnlich. "Heute hat auch Präsident Thomas Weikert dadurch, dass er sich für gewisse Vorgänge entschuldigt hat, gezeigt, dass man verstanden hat, dass es Kritik gegeben hat. Wir haben diese Dinge gestern in den Vorgesprächen und Konferenzen offen angesprochen."
Klett hatte im Vorfeld der Versammlung im Gespräch mit der Sportschau die DOSB-Spitze kritisiert, vor allem weil es am Zugang zur Spitzenpolitik im Bund gefehlt habe. Mit Blick auf die vorgezogenen Bundestagswahlen im Februar sagte er: "Eines steht fest: Der deutsche Sport muss sich nach der Wahl neu ausrichten."
Ganz abgerückt ist er von der Idee vorgezogener Präsidiumswahlen - Weikerts Amtszeit läuft noch bis 2026 - nicht. "Sollte am Ende die Erkenntnis kommen, dass vielleicht politische Rahmenbedingungen oder andere Regierungskonstellationen nicht mehr übereinstimmen, muss man weitere Dinge überlegen", sagte Klett. "Aber da bin ich jetzt erst einmal ganz entspannt."
Weikert beschwört "weihnachtlichen Frieden"
Auf der Pressekonferenz nach der Versammlung sagte Weikert: "Die letzten zwei, drei Wochen waren natürlich nicht schön. Ich freue mich, wenn Weihnachten ist und der weihnachtliche Frieden einkehrt." Aber auch die Versammlung habe ein einheitliches Bild des Sports gegeben. "Ich habe nicht den Eindruck, dass etwas zurückgeblieben ist."
Zugesetzt haben dürfte Weikert die Personalie Torsten Burmester. Sein Präsidium hat den Vorstands-Chef kürzlich abberufen, nachdem dieser als Kölner Oberbürgermeisterkandidat präsentiert worden war. Die öffentliche Kommunikation dazu war bisher äußerst dünn und auch in Saarbrücken erwähnte Weikert seinen ehemaligen obersten Angestellten nur kurz.
"Bei aller persönlicher Wertschätzung für Torsten und Dankbarkeit müssen wir als Präsidium natürlich die Interessen des DOSB im Blick behalten." Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), kritisierte Weikert für den Umgang mit Burmester - der zuvor beim DBS gearbeitet hatte und nun vom DOSB abrupt vor die Tür gesetzt wurde. Die Trennung dürfte aktuell ein Fall für die Anwälte sein.
"Safe-Sport-Code" verabschiedet
Der DOSB konnte am Samstag auch Erfolgsmeldungen liefern. Die Mitglieder verabschiedeten den "Safe-Sport-Code", die "beste Lösung gegen interpersonelle Gewalt", sagte Vorstandsmitglied Michaela Röhrbein, die auch durch die Versammlung führte.
Einig war man sich, dass der Code noch Unsicherheiten birgt, gerade mit Blick auf die Umsetzbarkeit an der Basis, in den Vereinen. Detailkritik kam vom Deutschen Schwimm-Verband (DSV) und vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) auch in der Hoffnung, dass nachgebessert wird. "Natürlich wird sich der Safe-Sport-Code weiterentwickeln, wir bleiben hart dran an einem sehr harten Thema", sagte Röhrbein.
Deutsche Olympia-Bewerbung - offizielles Interesse in Richtung IOC
Ein zentraler Punkt waren natürlich die Bestrebungen, Olympische Sommerspiele nach Deutschland zu holen. Die Versammlung stimmte zu, in konkrete Gespräche ("Continuous Dialogue") mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zu gehen und damit offiziell Interesse zu bekunden.
Allerdings ist weiter unklar, wie groß beim IOC die Gesprächsbereitschaft ist. IOC-Präsident Thomas Bach hatte zuletzt gesagt, dass man gar nicht über Olympia in Deutschland zu diskutieren brauche, solange die Visa-Frage für Athleten aus Russland und Belarus nicht geklärt sei - Stichwort Autonomie des Sports.
Bundesinnernministerin Nancy Faeser (SPD) sagte nun in Saarbrücken, dass es gar keine Einreisesperren für russische Athleten gebe und dass man dem IOC in den vergangenen Wochen und Monaten in Gesprächen auf höchster Ebene versichert habe, die Autonomie des Sports zu respektieren.
Irritation über Bach-Aussagen zu Russland
Warum sich Bach kurz vor der Mitgliederversammlung trotzdem so ablehnend geäußert hat, bleibt unklar. Faeser sagte: "Das verstehe ich nicht." Weikerts Kommentar: "Da müssen Sie Thomas Bach fragen." Er glaube aber, dass Bachs Worte sogar geholfen haben, sagte Weikert. "Frau Faeser hat reagiert und ich bin zuversichtlich, dass das ausreicht."
Eine der wenige kritischen Äußerungen zum Olympiathema kam von Alfons Hölz, dem Präsidenten des Deutschen Turner-Bundes. Er ließ durchblicken, dass sich die Sportfachverbände nicht genug beteiligt sehen beim bisherigen Prozess.
"Wenn nächstes Jahr in der Mitgliederversammlung das Konzept vorgestellt wird und damit eine harte Entscheidung getroffen wird, welche Stadt oder Region es wird, dann erwarten wir die Einbeziehung im Vorfeld", sagte Hölzl. "Nicht nur Informationen, sondern Einbeziehung."
Spannend wurde es bei der Wahl um die vakante Position des Vizepräsidenten. Im zweiten Wahldurchgang setzte sich der Kandidat der Spitzenverbände, Martin Engelhardt (Präsident Deutsche Triathlon-Union), mit 51 Prozent hauchdünn durch gegen Jörg Ammon, den Sprecher der Landessportbünde.
Neuer Vorstand Bouffier in Saarbrücken abwesend
Der kommissarisch in den Vorstand berufene ehemalige hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) tritt seinen Dienst erst im Januar an und trat auf der Mitgliederversammlung nicht in Erscheinung. Offenbar sind auch Vertragsdetails noch nicht final geklärt, ließ Weikert auf der Pressekonferenz durchblicken.
Für die Aufgabe, die Interessen des Sports in Richtung Politik zu vertreten, gab das Präsidium Bouffier eine Aufgabenliste mit. Sie ließ mit Blick auf den anstehenden Bundestagswahlkampf ein Zehn-Punkte-Programm verabschieden mit Forderungen in Richtung der Entscheidungsträger. Darunter: die Berufung eines Staatsministers für den Sport im Bundeskanzleramt.