Montage: Karsten Schwanke vor einem Kunstschnee-Streifen in einem Skigebiet

Wintersport im Klimawandel Der triste Blick auf das schöne Hobby Skifahren

Stand: 21.01.2025 08:20 Uhr

Auch im Skiurlaub sieht ARD-Wetterexperte Karsten Schwanke die Folgen des Klimawandels. Viele Skigebiete haben ihr Ende vor Augen - andere dagegen profitieren.

Karsten Schwanke vereint zwei Dinge in einer Person, die nur kompliziert miteinander vereinbar sind. Zum einen ist er leidenschaftlicher Skifahrer und zum anderen hat er als Meteorologe und ARD-Wetterexperte einen schonungslosen Blick auf die schnell fortschreitende Erderwärmung.

Deren Folgen, so erzählt Schwanke im Podcast von Sport inside, erlebe er beim Skifahren am eigenen Leib. "Wenn ich mir nur die letzten zwei Winter nehme, da hat es im Januar, also im sogenannten Hochwinter, in hochgelegenen Skigebieten in Österreich und in der Schweiz mehrfach auf bis auf zweieinhalbtausend Metern Höhe geregnet. Das gab es in den 90er Jahren und Anfang der 2000er Jahre nicht."

Karsten Schwanke: "Werden das Ende noch erleben"

Sein Hobby und sein Beruf machen ihn auch privat zum gefragten Ratgeber. "Immer mehr Freunde aus dem Bekanntenkreis fragen: Sag mal, Karsten, wie lange können wir noch Ski fahren? Dann sage ich: Wir werden es noch erleben, dass wir es nicht mehr können."

Die Wissenschaft ist sich einig, dass Skisport-Tourismus zumindest in Deutschland ein Auslaufmodell ist, angefangen bei den Mittelgebirgen wie im Schwarzwald, im Harz oder im Erzgebirge. Zuletzt haben viele dieser Gebiete zwar günstige Wintertage erlebt, aber ohne intensive künstliche Beschneiung könnte zum Beispiel Winterberg im Sauerland schon lange keinen ernsthaften Skitourismus mehr anbieten. Und auch moderne Schneekanonen brauchen niedrige Temperaturen.

Aus für Mittelgebirgs-Skigebiete im Jahr 2050?

Deshalb nennt Jürgen Schmude, emeritierter Tourismusforscher von der Universität München, den Einsatz von Kunstschnee eine Übergangstechnologie. "Im Augenblick lohnt sich das wahrscheinlich schon noch, sonst würden das die Akteure nicht tun", sagte Schmude bei WDR 5. Aber wegen der steigenden Temperaturen "werden die Mittelgebirge langfristig von der Karte der Wintersportgebiete verschwinden - und langfristig meint 2050".

Für die deutschen Alpen sind die Prognosen nicht viel besser. Dort blieben 2050 "vielleicht noch zwei, drei Skigebiete übrig, die ökonomisch sinnvoll einen Winterbetrieb anbieten", sagte Schmude.

Schönau am Königssee: Rodeln statt Skifahren

Irgendwann kommt eben der Punkt, an dem sich der finanzielle Aufwand für den Kunstschnee und die Pisten-Präparierung nicht mehr lohnt. In Schönau am Königssee ist dies bereits der Fall. Das Skigebiet am Jenner mit der Bergstation auf 1.672 Metern Höhe hat dichtgemacht. Erst 2019 hatte man dort noch 57 Millionen Euro in neue Lifte und breitere Pisten investiert, aber anschließend kamen zu wenige Skifahrer.

Jetzt erlebt der Ort seinen ersten Winter ohne Skibetrieb, dafür mit neuer Rodelbahn, die deutlich günstiger präpariert werden kann.

Die Touristen schauen aufs Geld

Ein Problem der Skigebiete in Deutschland: Große Teile des Publikums sind preisbewusst, auch bei den Skipässen. Deshalb muss jede Preiserhöhung wohl überlegt sein, sagt Maximilian Wittig, Geologe an der Universität München. Er forscht zum Thema Wintersport in Zeiten des Klimawandels. "Mit jedem Stück teureren Ticketpreis muss der Markt sich darüber im Klaren sein, dass eine gewissen Gruppe dann als Zielgruppe ausfällt", sagt Wittig im Plusminus-Podcast.

Allerdings steigen die Kosten unaufhaltsam, weil mehr Kunstschnee nötig ist und die Saisons kürzer werden. Die nötigen Umsätze müssen also an weniger Schneetagen eingefahren werden. Teurere Preise sind unausweichlich, Skifahren wird dadurch immer mehr vom Volks- zum Elitesport. Und ab Mitte des Jahrhunderts werden fast nur noch Regionen in höheren Lagen Skipisten anbieten können.

"Dort wird es auch weiterhin Skitourismus geben, der wird dann auch weiter boomen", sagt Tourismus-Experte Schmude. "Aber diese Gebiete liegen eben nicht in Deutschland, sondern in Frankreich, in der Schweiz, in Österreich oder Italien."

Zermatts Skigebiet: Ein Profiteur des Klimawandels?

Ein schillerndes Beispiel ist Zermatt in der Schweiz. Das dortige Matterhorn Ski Paradise preist sich als höchst gelegenes Skigebiet der Alpen mit dem Peak auf fast 4.000 Metern. Der Theodulgletscher ist auch im Sommer für Skifahrer geöffnet. Zudem ist das Skigebiet sehr groß, erstreckt sich grenzübergreifend bis nach Italien.

Auch wenn der Gletscher am Matterhorn, wie alle Gletscher dieser Erde, rapide schrumpft - Zermatt hat beste Voraussetzungen, die allermeisten anderen Skigebiete der Alpen zu überleben. Und so profitiert das Matterhorn Ski Paradise sogar von der Erderwärmung, zumindest mittelfristig - und wenn man negative Folgen wie zunehmende Schlammlawinen und Felsstürze ausblendet.

21.11.2023 06:00 Uhr

Gutes Geschäft mit wohlhabenden Touristen

Zynischerweise kann man von einer Verknappung des Marktes sprechen, wenn Skigebiete dicht machen. Bleibt die Nachfrage weiter groß, können die wenigen übrig bleibenden Anbieter die Preise steigern. Und damit hatte Zermatt noch nie ein Problem. "Wir sind das teuerste Skigebiet in Europa", sagte Markus Hasler, Geschäftsführer der Zermatt Bergbahnen AG, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. 8.000 Euro muss eine vierköpfige Familie für einen einwöchigen Skiurlaub in Zermatt hinblättern, hat ein Wirtschaftsinstitut ausgerechnet.

Dass Zermatt seine hohen Preise offensiv formuliert, hängt mit der Zielgruppenstrategie zusammen. Das Bergdorf versteht sich als Luxus-Destination, zieht mit dem weltberühmten Matterhorn im Rücken Touristen aus den USA, Großbritannien und Asien an - ein internationales, gut betuchtes Publikum.

Neue Seilbahn, neue Pisten - neuer Weltcup-Anlauf?

Die Strategie funktioniert, die Bergbahnen vermelden Rekordgewinne und weitere Investitionen. Neueste Attraktion: Alpine Crossing, eine beeindruckende Seilbahn von Zermatt ins italienische Cervinia über das Kleinmatterhorn hinweg - mit Superlativ. Es ist die höchste Alpenüberquerung per Seilbahn zwischen zwei Ländern

Die Zermatter investieren auch in neue Pisten - und auf einer davon könnte bald ein Skiweltcup stattfinden. In den vergangenen Jahren hatte Zermatt noch für Negativschlagzeilen gesorgt. Eine spektakuläre Abfahrtsstrecke namens Gran Becca sollte den Saisonauftakt stellen. Höchster Start, längste Strecke, einzige Grenzüberquerung im Weltcup - auch hier wieder Superlative.

Abfahrt Zermatt-Cervinia - ein Debakel

Allerdings behielten die Kritiker des Projekts Recht mit ihren Bedenken, dass das Wetter so weit oben und so früh, nämlich Ende Dezember/Anfang November, zu unbeständig sei. Beim ersten Versuch 2022 gab es zu wenig Schnee, beim zweiten Versuch 2023 zu viel Wind. Alle acht geplanten Weltcups in Zermatt/Cervinia mussten abgesagt werden. Damit die Saison nicht jedes Jahr mit einer Hiobsbotschaft startet, strich der Weltverband FIS die neue Strecke wieder aus dem Kalender.

In Zermatt kam das nicht gut an, zumal die Bedingungen 2024 ironischerweise wohl gepasst hätten für Weltcuprennen. Außerdem verweist Franz Julen, Initiator der Strecke, auf einen Vertrag mit der FIS über fünf Jahre. "Es ist am Ski-Weltverband, uns Vorschläge zu unterbreiten", sagte er im November in der NZZ.

Auch 2023 keine Rennen am Matterhorn

Sportschau, 19.11.2023 13:05 Uhr

Neuer Anlauf für einen Weltcup in Zermatt?

Eine Idee kommt aber auch aus Zermatt selbst. Vom Gornergrat nach Schweigmatten hinunter ist eine neue Piste geplant, eigentlich nur für Touristen. Sie könnte aber auch für Weltcuprennen infrage kommen.

Der Start liegt auf 2.800 Metern Höhe, also tiefer als bei der Gran Becca. "Die Strecke ist auch etwas geschützter, dort könnte ich mir das auf jeden Fall eher vorstellen", sagt ARD-Wetterexperte Schwanke, der auch in Zermatt schon Ski gefahren ist. Wegen der Nordhanglage gilt die Alternativstrecke vom Gornergrat bis in den April als schneesicher.

Neue Piste frühestens 2027/28 bereit für Weltcups

Allerdings muss die Piste noch gebaut werden, frühestens 2027/28 wäre ein Weltcup in Zermatt möglich. Bis mindestens dahin müssen die Zermatter also noch warten, bis das Matterhorn die TV-Übertragungen der FIS-Rennen schmückt.

Aber auch ohne diese zusätzliche Werbung können sie sich wohl sicher sein: Die Touristen werden weiterhin kommen und sicherlich auch wieder bereit sein, die teuren Skipässe zu kaufen. Der Preis ist dynamisch, ändert sich je nach Bedingungen und Andrang. Ein Tag Skifahren kann dadurch in Zermatt bis zu 130 Euro kosten.