Biathlon-WM Deutsche WM-Bilanz: Zwischen Tränen, Klebstoff und Märchen
Sportlich waren die deutschen Biathleten bei der WM in Nove Mesto so erfolgreich wie im vergangenen Jahr in Oberhof. Doch von den Titelkämpfen in Tschechien bleiben einige negative Emotionen - und Arbeit beim Verband. Sportdirektor Bitterling lobt und kritisiert nach der WM.
Es muss irgendwann so in etwa zur Halbzeit der Biathlon-WM gewesen sein, als der tschechische Gastgeberort einen neuen Namen bekam – zumindest bei den deutschen Fans. Aus Nove Mesto wurde Nove Misto. Warum? Weil es so richtig mistig lief bei den Deutschen.
Keine Medaillen und viel Frust. "Es ist sehr hart", gestand beispielsweise Vanessa Voigt nach der Verfolgung und Rang 15: "Ich musste schon auf der Strecke mit den Tränen kämpfen. Man reißt sich das ganze Jahr den Arsch auf und dann sowas zum Höhepunkt." Was nicht nur Voigt, sondern auch die anderen Medaillenkandidaten Franziska Preuß oder Benedikt Doll oder auch Philipp Nawrath ärgerte: Mit dem Skimaterial waren die Deutschen teilweise nicht konkurrenzfähig. "Es hat sich angefühlt wie im Flugzeug, die vorn Business-Class, und wir zweite Klasse", fand Voigt eine passende Metapher dafür, dass selbst kleine Biathlon-Nationen wie Estland oder Lettland teilweise schnellere Ski unter den Füßen hatten als die Deutschen.
Schwierige Bedingungen in "Nove Misto"
In "Nove Misto" hatten die deutschen Skitechniker mit schwierigen Verhältnissen zu tun. Alter Schnee, Plusgrade, viel Salz im Schnee – alles das, womit die Deutschen bereits in den vergangenen Jahren Probleme hatten, spitzte sich in diesem Jahr und dem Verbot von Fluorwachsen zu. Und das habe sich teilweise wie Klebstoff unter den Skiern angefühlt, so Benedikt Doll.
Nawrath: "Nimm es an"
Immerhin: Eine Krisensitzung zur Halbzeit der WM zwischen den Sportlern, den Technikern und der sportlichen Führung brachte zumindest in der zweiten Woche Verbesserungen. Oder, wie es Nawrath sagte: "Ich habe mir gedacht, nimm es an, wie es kommt, lass es über Dich ergehen. Alles andere kann man zumindest am Schießstand regeln."
Hettich-Walz und "die Medaille fürs ganze Team"
Und über den Schießstand kamen die Deutschen dann auch zu drei Medaillen. Im Einzel der Frauen jubelte Janina Hettich-Walz über Silber, in dem Rennen konnten auch WM-Neuling Selina Grotian und Vanessa Voigt über Rang vier und fünf jubeln. "Das ist eine Medaille für das ganze Team", strahlte Hettich-Walz nach dem ersten Einzelrennen-Podestplatz ihrer Karriere.
Doll bricht Bann nach sieben Jahren
Und auch im Einzel der Männer durfte das deutsche Team jubeln. Nach sieben Jahren schaffte es Benedikt Doll in einem WM-Rennen mal wieder aufs Podest. Bei der WM 2017 in Hochfilzen gewann er den Sprint, in Nove Mesto wurde er nun Dritter im Einzel. "Es ist eine Riesen-Befriedigung, zu zeigen, dass ich es noch kann."
Biathlon-Märchen durch "Ersatzfrau" Schneider
Nicht nur eine Befriedigung, sondern ein echtes Biathlon-Märchen erlebte Sophia Schneider mit der WM-Staffel der Frauen. Die 26-Jährige war "gefühlt schon dabei, abzureisen", als sie wenige Stunden vor dem Rennen am Samstag (17.02.2024) noch nachnominiert wurde. Schneider musste die erkrankte Franziska Preuß als Schlussläuferin ersetzen, und sie machte das Rennen ihres Lebens. Mit vier Nachladern sicherte sie den deutschen Frauen WM-Bronze und damit ganz persönlich ihre zweite WM-Medaille nach WM-Silber mit der Staffel bei der Heim-WM in Oberhof 2023.
Bitterling: "Keine Krise"
Mit drei Medaillen reisen die Deutschen aus dem mittleren Osten Tschechiens ab. Kann man damit zufrieden sein? Sportdirektor Felix Bitterling ordnet die Medaillenausbeute so ein: "Wir müssen nicht die große Krise herbeireden. Wir haben drei Medaillen, letztes Jahr hatten wir auch drei, damals noch mit Denise Herrmann-Wick."
Bitterling kritisiert Sportler: "Irgendwann annehmen"
Ganz ohne Kritik bleibt die WM-Bilanz des Biathlon-Sportchefs aber nicht. Kritik am Mindset seiner Sportlerinnen und Sportler: "Irgendwann muss man so ein Thema aber auch einmal annehmen. Das müssen wir uns schon ankreiden", sagt der 46-Jährige mit Blick auf die immer wieder aufkommende Materialdiskussion: "Es war klar, dass man am Schießstand noch sauberer arbeiten muss. Das ist klar, wenn man nicht das Überbrett an den Füßen hat. Aber es wäre möglich gewesen."
Engere Zusammenarbeit mit Langläufern geplant
Doch auch im Verband soll etwas passieren. Zum Beispiel eine engere Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen. Zum Thema Skipräparation habe er während der WM bereits mit seinem Kollegen Andreas Schlütter, Sportlicher Leiter Langlauf im Deutschen Skiverband, gesprochen. "Das ist eine Aufgabe. Wir haben da unsere Spezialisten im Verband, mit denen werden wir in aller Ruhe sprechen und dann dieses Thema so gut wie möglich angehen", sagte Bitterling.
Und die Sportler? Die schauen nach vorn und hoffen auf bessere Bedingungen. "Die Weltmeisterschaft ist rum, und wenn es nach Oslo geht, kann es schon ganz anders aussehen", hofft Voigt auf kältere Temperaturen und schnellere Ski.
Fragezeichen bei Doll - Lächeln bei Voigt
Beim nächsten Weltcup am ersten März-Wochenende in Oslo ist dann auch klar, ob Benedikt Doll im Februar 2025 im Schweizer Lenzerheide Anlauf auf seine neunte Weltmeisterschaft nehmen wird. Der 33-Jährige liebäugelt mit dem Karriereende, will in den nächsten Tagen seine Entscheidung bekannt geben. Ob der Massenstart von Nove Mesto ein besonderes Rennen gewesen sei, wollte am Sonntag ZDF-Reporter Nils Kaben mit Blick auf das möglicherweise nahende Karriereende wissen. "Ja", so die trockene Antwort von Doll: "Weil es das letzte WM-Rennen von Nove Mesto war", ließ sich der Schwarzwälder nicht aus der Reserve locken.
Vanessa Voigt hofft dagegen auf jeden Fall auf einen Einsatz in Lenzerheide und damit auf ihre dritte WM. An Lenzerheide hat die 26-Jährige gute Erinnerungen: Im Dezember 2016 und in ihrem erst zweiten Rennen im IBU Junior Cup wurde sie hier gleich Sprint-Dritte. Und auch an die WM in Nove Mesto hat die Deutsche bereits jetzt Erinnerungen: "Ich gehe mit einem Lächeln aus der WM", sagte die Thüringerin am Abschlusstag: "Ich bin happy, dass ich mit dem Kopf immer bei der Sache geblieben bin, vor allem am Schießstand. Trotz der Dinge, die draußen waren". Nove Mesto wird also zumindest bei Voigt nicht nachhaltig als "Nove Misto" erinnert werden.
Datum | Entscheidung | Sieger/in |
---|---|---|
Mi., 7. Februar | Mixed-Staffel (4x6 km) | Frankreich |
Fr., 9. Februar | Sprint der Frauen (7,5 km) | Julia Simon |
Sa., 10. Februar (17:05 Uhr) | Sprint der Männer (10 km) | Sturla Holm Laegreid |
So., 11. Februar (14:30 Uhr) | Verfolgung der Frauen (10 km) | Julia Simon |
So., 11. Februar (17:05 Uhr) | Verfolgung der Männer (12,5 km) | Johannes Thingnes Bö |
Di., 13. Februar (17:10 Uhr) | Einzel der Frauen (15 km) | Lisa Vittozzi |
Mi., 14. Februar (17:20 Uhr) | Einzel der Männer (20 km) | Johannes Thingnes Bö |
Do., 15. Februar (18:00 Uhr) | Single-Mixed (4x3 km + 1,5 km) | Lou Jeanmonnot / Quentin Fillon Maillet |
Sa., 17. Februar (13:45 Uhr) | Staffel der Frauen (4x6 km) | Frankreich |
Sa., 17. Februar (16:30 Uhr) | Staffel der Männer (4x7,5 km) | Schweden |
So., 18. Februar (14:15 Uhr) | Massenstart der Frauen (12,5 km) | Justine Braisaz Bouchet |
So., 18. Februar (16:30 Uhr) | Massenstart der Männer (15 km) | Johannnes Thihnges Bö |