Knackpunkt Ski-Präparierung Ist das Rätsel um schlechte deutsche Biathlon-Ski gelöst?
Noch wartet das deutsche Team bei der Biathlon-WM auf eine Medaille. Die Mannschaft tut sich schwer und das Technikteam hadert mit der richtigen Präparierung der Langlaufski. Im Sportschau-Gespräch erklärt der Cheftechniker, wo die Knackpunkte liegen. Das Material ist aber nur ein Grund für das bisher medaillenlose Abschneiden.
Es ist fast Halbzeit bei der Biathlon-WM. Fünf von zwölf Wettkämpfen in Nové Město sind gelaufen. Und die Deutschen stehen noch ohne Medaille da. Lange muss man zurückblättern, um ein ähnlich erfolgsloses deutsches WM-Abschneiden zu finden. Mehr als zehn Jahre ist es her, dass die Deutschen zuletzt in den ersten fünf WM-Rennen ohne Siegerpodest blieben – 2013 war das. Der WM-Ort damals: das tschechische Nové Město na Moravě.
Nun also wieder Nové Město. Und wieder lange Gesichter bei den Deutschen. "Ärgerlich", nannte Johannes Kühn das bisherige Abschneiden. Vanessa Voigt gestand nach der Verfolgung, dass sie zeitweise "mit Tränen in den Augen" gelaufen sei. Und die aktuell beste Deutsche, Franziska Preuß, wusste nach Platz sechs in der Verfolgung nicht, "ob ich enttäuscht bin oder nicht".
"Wenn wir das wüssten, wären wir weiter"
Die Gründe für das bisher medaillenlose Abscheiden? Schnell waren die Skitechniker ausgemacht und wurden kritisiert. Doch wer genauer hinschaut, entdeckt vielfältige Ansatzpunkte. Die Ski, die Laufleistung, das Schießen.
Vor allem beim Männer-Sprint am Samstag war deutlich, dass Benedikt Doll, Philipp Nawrath und Co. mit nicht konkurrenzfähigem Material unterwegs waren. Und auch insgesamt gilt: Die Mannschaft tut sich extrem schwer mit den Strecken in den tschechischen Wäldern, mit dem Schnee, den warmen und nassen Bedingungen - kurzum, die Ski stehen in der Kritik. Das Technikteam hadert mit der richtigen Präparierung der Langlaufski, dabei hatten sie sogar für diese Welttitelkämpfe aufgerüstet.
Mehr Techniker als sonst an Bord
Neun anstatt wie gewohnt sechs Techniker haben sie mitgenommen, neben dem Wachs-Truck noch einen eigenen Schleif-Truck, um das beste Set-up, das beste Gesamtpaket zu finden. Doch Nové Město und die deutschen Ski, das scheint irgendwie ein kompliziertes Paar zu sein. "Es ist schwierig zu erklären. Das Grund-Set-up erarbeitet man sich über viele Jahre und das basiert auf Erfahrungen. Die Entscheidung macht am Ende aber nur unter ein Prozent aus. Wenn wir wüssten, warum das Präparieren hier so schwer ist, dann wären wir weiter", erklärt Cheftechniker Sebastian Hopf.
Salz, damit der Schnee hält
Wegen der warmen Temperaturen musste der Veranstalter die Strecke salzen. Das Salz entzieht dem Schnee die Feuchtigkeit. Der Untergrund wird fester und es dauert ein paar Stunden, bis sich wieder ein nasser Film bildet, der viel Wasser bindet. Die Techniker testen aber deutlich vor dem Wettkampf, da kann sich einiges wieder ändern. Hopf fügt hinzu: "Es hängt auch damit zusammen, wie viele Athleten und Techniker über bestimmte Abschnitte der Strecke laufen. Da entstehen große Unterschiede."
"Der Schliff am Ski ist wie das Profil eines Autoreifens"
Die Schleifmaschine im Truck ähnelt einer Waschmaschine. Das Wasser schäumt leicht und rotiert hinter der Glasscheibe, darüber dreht sich der rosafarbene Schleifstein, wenn ein Ski darübergezogen wird. Das Gerät brummt in einem tiefen Ton laut vor sich hin. Ein schwarzer Gummireifen drückt den Ski nach unten, hält ihn mit dem Schleifstein wie in einem Sandwich, Wasser tropft nach unten in die Trommel.
Mit bloßem Auge sind die unterschiedlichen Schliffe auf dem schwarzen Belag des Skis kaum zu erkennen. Christian Beetz hält den Ski diagonal nach oben, das Auge ganz dicht am Belag. Er dreht ihn hin und her, sodass sich das Licht bricht: "Die unterschiedliche Struktur ist wie bei einem Autoreifen. Es gibt welche für nasse oder trockene Verhältnisse, kalte oder warme, feine oder grobe. Man muss die Struktur wählen, die am besten das Wasser absorbiert, damit der Ski ideal und vor allem schnell gleiten kann", beschreibt Schleifer Beetz.
Nové Město und ein deutsches Déjà-vu
Erinnerungen an den Weltcup in der vergangenen Saison und auch an die Weltmeisterschaften 2013 kommen hoch. Nicht nur wegen der Medaillenbilanz der ersten Rennen. Die Materialprobleme waren damals nicht ganz so gravierend, aber auch bei der vergangenen WM im mittleren Osten Tschechiens hatte man Schwierigkeiten, das richtige Material zu finden.
In den bisherigen Einzelrennen der WM 2024 waren die Laufrückstände riesig. Hatte man doch in dieser Saison zumindest teilweise mit den führenden Norwegern und Franzosen mithalten können. Doch weit weg scheinen die Momente, als zum Saisonauftakt mit Roman Rees, Philipp Nawrath und Franziska Preuß gleich drei Deutsche ins Gelbe Trikot liefen.
Cheftechniker: "Set-up hat Verbesserungspotenzial"
Ganz aktuell und in den mährischen Wäldern um Nové Město machen es Laufrückstände von weit über einer Minute fast unmöglich, um die WM-Medaillen zu kämpfen.
Da stellt sich die Frage nach dem Warum. Zeit ist genügend gewesen, andere Nationen haben Top-Material unter den Füßen und in der deutschen Mannschaft ist viel Know-how vorhanden. "Unser Set-up hat Verbesserungspotenzial, aber wir können jetzt nicht alles über den Haufen werfen", gibt Hopf zu. Dennoch tun sie alles: Jeden Tag arbeiten die Techniker bis zu zwölf Stunden - Ski schleifen, präparieren, auf der Strecke testen. Bis zu 240 Kilometer legen sie am Tag gemeinsam in der Loipe zurück. Selbst nach den Rennen geht die Arbeit für das Service-Personal weiter: "Wir testen die Ski noch mal und vergleichen sie mit anderen Nationen, um vielleicht Unterschiede feststellen zu können."
Aussprache im Mannschaftshotel
Am Montagmorgen gab es die große Aussprache im Mannschaftshotel zwischen Athleten, Trainern und Technikern. Man wolle nun enger zusammenstehen, noch sei diese WM gerade mal bei der Halbzeit, und es gelte sich nun zusammenzureißen, um das Maximale herausholen zu können, erklärte Sportdirektor Felix Bitterling nach dem Meeting.
Ja, die Skier - aber auch das Schießen
Doch auch das gehört zur Wahrheit über das bisherige deutsche Abschneiden: Das mäßige Material ist ein sehr wichtiger, aber eben nur ein Aspekt, warum auf dem WM-Medaillenspiegel bisher noch keine deutsche Fahne zu sehen ist. Die DSV-Athleten ließen bessere Platzierungen auch am Schießstand liegen. In der Mixed-Staffel erwischte ausgerechnet Franziska Preuß einen schwarzen Tag - die Medaille entglitt den Deutschen nach ihrer Strafrunde. Im Frauen-Sprint war es vielleicht genau der eine Fehler Stehend, der Preuß die Medaille kostete. Und in der Männer-Verfolgung mussten die vier Deutschen allein beim Stehendschießen elfmal in die Strafrunde.
2013: Medaillenbann bricht mit Frauen-Einzel
2013, als die WM letztmals in Nové Město gastierte, wurde der deutsche Medaillenbann übrigens im 15-Kilometer-Einzel der Frauen gebrochen. Durch Andrea Henkel, die mit der achtbesten Laufzeit bestes Material hatte. Und die als eine von nur drei Athletinnen am Schießstand fehlerfrei blieb. Dafür krönte sie sich mit WM-Silber. Am Dienstag (13.02.2024, 17.10 Uhr live im Ersten und im Live-Ticker) steht nun erneut das Einzel der Frauen an: Vielleicht genau der richtige Zeitpunkt für eine 180-Grad-Wende, damit diese Biathlon-Weltmeisterschaften aus deutscher Sicht doch noch ein versöhnliches Ende finden.