Biathlon in Östersund "Haben gewitzelt" - Biathlet Rees krönt Fabel-Auftakt mit Gelb
Schon oft verpasste Biathlet Roman Rees das Podest um eine Winzigkeit. Am Sonntag in Östersund passte nun alles zusammen. Rees gewann seinen ersten Weltcup - und belohnte sich gleich doppelt.
"Wir haben noch darüber gewitzelt", schmunzelte Biathlon-Sportdirektor Felix Bitterling nach den Einzelrennen im schwedischen Östersund. "Wir haben noch darüber gewitzelt und gesagt, wir haben jetzt zwei Chancen, das Gelbe Trikot zu haben." Daran geglaubt habe niemand. "Dass das jetzt bei den Männern aufgeht und speziell bei Roman. Das ist grandios."
Ausgerechnet Roman Rees
Erstmals seit ziemlich genau 15 Jahren ist einer der deutschen Biathlon-Männer Spitzenreiter im Weltcup und darf das Gelbe Trikot tragen. Zuletzt war der dreimalige Olympiasieger Michael Greis am 6. Dezember 2008 Gesamtweltcup-Führender. Und nun ist es durch seinen Sieg im Einzel-Rennen von Östersund am Sonntag (26.11.2023) Roman Rees. Ausgerechnet Roman Rees.
Der 30-Jährige schaffte es bisher zweimal auf Rang drei, häufiger verpasste er das Podest aber äußerst knapp. Viermal wurde er im Weltcup Vierter, viermal Fünfter – immer wieder schrammte er durch Schießfehler hauchdünn am "Stockerl" vorbei. An diesem Sonntagabend im zentralschwedischen Jämtland schoss und lief Rees zum ersten Weltcupsieg seiner Karriere und ins Gelbe Trikot.
Besonnen, reflektiert, treffsicher
"Ich bin einfach unglaublich glücklich, mal ein Rennen gewonnen zu haben. Das war schon immer ein Traum", freute sich der Schwarzwälder direkt nach dem Rennen. "Das macht eine Karriere auch ein bisschen rund", so der zumeist besonnen und reflektiert auftretende Rees. Seit Jahren besticht der Freiburger durch solide Schießleistungen mit Trefferquoten um die 88 Prozent. Im vergangenen Winter konnte Rees sich auch läuferisch steigern. Doch immer wieder klemmte ein Schuss. Zum Beispiel vor einem Jahr beim Weltcup-Auftakt in Kontiolahti oder im Olympia-Einzel von Peking 2022. Nur ein Fehlschuss - und das Weltcuppodest oder die Olympiamedaille waren dahin.
Und auch in Östersund ärgerte sich Rees schon über einen Fehler. Der letzte Schuss im letzten Stehendanschlag ging daneben. "Was es heute spezieller für mich macht, ist, dass es sich im Wettkampf gar nicht so angefühlt hat. Es war ein ganz normales Rennen, nicht mal perfekt geschossen", analysierte Rees: "Ich habe mich zwischendurch auch richtig geärgert, dass ich den einen danebengeschossen habe."
Konkurrenz patzt am Schießstand
Ein Schießfehler – das gelang bei wechselndem Wind in Östersund nicht jedem. Johannes Thingnes Bö schoss zweimal daneben. Der Schwede Sebastian Samuelsson, Laufstärkster am Sonntag in Östersund, sogar dreimal. Nur zwei Biathleten im Feld der 103 Starter blieben fehlerfrei – der Franzose Emilien Claude und der Österreicher Felix Leitner. Aber die konnten läuferisch weder mit Rees noch mit dem starken zweitplatzierten Justus Strelow oder dem neuntplatzierten Benedikt Doll mithalten.
Rees kennt die Schattenseiten
"Irgendwann lag das in der Luft. Ich habe mich sukzessive angenähert", erklärte Rees den größten Erfolg seiner Karriere. "Aber dass es dann auch passt, liegt an verschiedenen Faktoren. Material, Lockerheit, gutes Schießen, Tagesform. Die Konkurrenz hat mitgespielt. Und dann kommt dann auch sowas raus." Rees weiß, wovon er spricht. Dass alles passen muss für einen Erfolg. Denn in seiner Karriere stand er schon oft auf der Verliererseite. Bei Olympia 2018, als er wegen eines Infektes komplett ohne Olympiastart blieb. Oder in der Saison 2019/2020, als er den Sprung ins Weltcupteam verpasste und hauptsächlich im zweitklassigen IBU-Cup starten musste.
Zwei Rennen - vier Podestplätze
Das ist fast vier Jahre her. Ende November 2023 haben Rees und die Deutschen zum Biathlon-Saisonauftakt vier Podestplätze in zwei Einzel-Wettkämpfen geholt – neben Rees und Strelow auf eins und zwei bei den Männern konnten bei den Frauen Franziska Preuß und Vanessa Voigt mit den Plätzen zwei und drei überraschen: "Da müssen wir vermutlich ein bisschen zurückdenken, wann das bei beiden Geschlechtern mal so aufgegangen ist", grübelte Bitterling. Überraschend war der Erfolg auch deshalb, weil im Vorfeld der Saison teilweise deutliche Kritik am Material der Deutschen laut geworden war. Beim Testwettkampf im norwegischen Sjusjoen Anfang November beispielweise fuhr die Konkurrenz den Deutschen in den Abfahrten reihenweise davon.
"Super-Job" im Wachs-Truck
Auch deswegen hob Bitterling nach dem Einzel von Östersund die Techniker besonders hervor. "Gratulation an alle. In erster Linie möchte ich da unsere Wachser nennen, die mussten ja schon einige Zeilen über sich lesen, die sie vielleicht nicht so erfreut hat. Sie haben einen Super-Job gemacht." Kalte Temperaturen von rund Minus sechs Grad Celsius kamen dem deutschen Wachs-Truck dabei sicher zupass. Bei Temperaturen um die Null Grad haben dagegen Norweger und Schweden eher Vorteile.
Bier und Kuchen als Belohnung
Aber daran dachte im deutschen Team am Sonntag kaum jemand. "Wir werden das ein bisschen feiern", versprach Bitterling als Belohnung für die vier Podestplätze. Männer-Cheftrainer Uros Velepec wusste auch schon, wie: "Für das Gelbe Trikot gibt es für jeden ein Bier und einen Kuchen." Nur Roman Rees, der schaute schon ein bisschen in die Zukunft: "Für mich ist der Sieg etwas ganz Besonderes. Aber jetzt muss ich mir natürlich ein neues Ziel setzen." Vielleicht hat das mit der Farbe Gelb zu tun.