Biathlon in Östersund Franziska Preuß - wie Phönix aus der Asche
Die deutschen Biathletinnen starten beim Weltcup in Östersund mit einem Ausrufezeichen in den Winter. Allen voran Franziska Preuß begeistert nach langer Leidenszeit.
Es fehlte nicht viel. Es fehlte eine Skilänge. Es fehlte die Winzigkeit von 0,1 Sekunden für Franziska Preuß an diesem denkwürdigen Sonntag im schwedischen Östersund. Im Kampf gegen die Uhr musste sich die 29-jährige Biathletin aus Oberbayern zum Weltcup-Auftakt im Einzel nur Lisa Vittozzi geschlagen geben.
Preuß trotzt Pleiten, Pech und Pannen
Und dennoch: Platz für Ärger oder gar Unzufriedenheit gab es an diesem Tag nicht. "Wenn man bedenkt, woher ich gerade komme, bin ich super zufrieden", sagte Preuß im Anschluss an das Rennen mit Blick auf die von Pech und Pannen geprägten vergangenen Monate. Los ging es bereits Ende 2021, als sie auf der Treppe stürzte und sich den Fuß verstauchte.
Es folgte ein positiver Coronatest, zu den Olympischen Spielen in Peking 2022 war sie trotz der Bronzemedaille mit der Staffel nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte. Im Januar dieses Jahr dann die Notbremse: Saisonabbruch wegen anhaltender gesundheitlicher Probleme - gleichbedeutend mit dem Verpassen der Heim-WM in Oberhof.
"Körper war am Ende"
"Der Körper war einfach am Ende", sagte Preuß vor dem Saisonstart. Zwischenzeitlich stand sogar ein Karriereende im Raum. Ihren Sport ließ sie eine ganze Zeit erst einmal außen vor, kam auf andere Gedanken.
Mit drei Goldmedaillen bei den deutschen Meisterschaften im September kamen das Selbstvertrauen und der Glaube langsam wieder zurück. Auch, wenn es in der Vorbereitungsphase bei den Test- und Qualifikationsrennen in Sjusjoen (Norwegen) "nicht wie gewünscht" lief: "Mich hat die Qualifikation für den Weltcup gestresst. Ich war krank im Vorfeld, hatte eine kurze Downphase. Das ging mir schon sehr nah", gewährte die 29-Jährige Einblick in ihr Seelenleben.
Doch mit dem Trainerentscheid für das deutsche Weltcup-Team zu ihren Gunsten kam das Umdenken. "Ich habe mich gefreut, das abgehakt und nach vorne geschaut. Umso schöner ist es jetzt", strahlte Preuß nach ihrem Comeback-Coup von Östersund.
"Es fallen tausend Steine herunter"
Vor allem ihre Leistung beim Schießen beeindruckte. Preuß, die am Vortag nicht in den Staffeln gelaufen war, brachte alle 20 Schuss ins Ziel. Alles andere als eine Selbstverständlichkeit und daher auch die Grundlage für ein Top-Ergebnis. "Heute hat es richtig Spaß gemacht. Ich habe mich so gut auf diese blöden schwarzen Scheiben konzentrieren können", freute sich die ehemalige Weltmeisterin.
Und auch läuferisch stimmt die Form. Klar, zu Top-Athletinnen wie den Öberg-Schwestern, Julia Simon, oder eben Vittozzi fehlt noch ein Stück. Durch ihre starke Vorstellung am Schießstand konnte Preuß dieses Defizit aber schon wettmachen.
Minimaler Wermutstropfen
So betrug ihr Vorsprung nach dem letzten Schießen knapp zwölf Sekunden auf Vittozzi. "Ich wusste, dass es gegen eine Topläuferin wie sie schwer wird. Ich hab dann auf der ersten Hälfte versucht, locker zu bleiben", analysierte Preuß, nachdem es "haarscharf" nicht gereicht hatte: "Klar ist es ein bisschen ärgerlich mit den 0,1 Sekunden. Aber ich habe alles gegeben. Von daher will ich mir auch nichts vorwerfen."
Tatsächlich hätte sie mit einem Sieg das erste Gelbe Trikot für eine deutsche Biathletin nach mehr als sechseinhalb Jahren holen können. Den minimalen Wermutstropfen konnte Preuß an diesem für sie rundum gelungenen Tag aber gut verkraften: "Es war der Saisonanfang und ich bin erst einmal erleichtert. Es fallen tausend Steine herunter."
Preuß, Voigt und Schneider knacken WM-Norm
Doch nicht nur ihre Saison begann in Östersund vortrefflich. Auch Vanessa Voigt und Sophia Schneider zeigten, dass sie mindestens in der erweiterten Weltspitze mitlaufen können. Während Schneider, die sich schon in der Mixed-Staffel am Vortag stark präsentiert hatte, mit Platz fünf ihr bestes Weltcup-Ergebnis in einem Einzelrennen holte, konnte Voigt sogar ihr zweites Weltcup-Podest feiern. Beide haben wie Preuß damit bereits die Norm für die Weltmeisterschaften in Nove Mesto im Februar geschafft. Das Fundament für die weitere Saison ist gelegt, was auch Cheftrainer Kristian Mehringer beeindruckte: "Das haben wir so nicht erwartet. Die Mädels haben einen Super-Job gemacht. Das freut uns natürlich riesig."
Vor allem für Preuß, die während ihrer Leidenszeit von ihrem Freund und Ex-Weltmeister Simon Schempp unterstützt wurde, soll der Saison-Auftakt nur der Anfang gewesen sein. Nach dem Rücktritt von Olympiasiegerin Denise Herrmann-Wick, die in der vergangenen Saison die eher durchwachsenen Leistungen ihrer Teamkolleginnen kaschiert hatte, liegt es an ihr, die deutschen Biathletinnen in einen erfolgreichen Winter zu führen. Dass sie der Aufgabe trotz zahlreicher Rückschläge gewachsen ist, hat sie mit ihrer Leistung in Östersund bewiesen. Kurz: Franziska Preuß ist wieder da.