
Saisonfazit Skispringen Deutsche Adler zwischenzeitlich mit gestutzten Flügeln
Für die deutschen Skispringer geht eine ereignisreiche Saison zu Ende. Der Winter begann fast wie im Traum, doch rund um den Jahreswechsel war vom Aufwind der ersten Wochen plötzlich nichts mehr zu spüren. Erst zum Saisonhöhepunkt waren die deutschen Adler wieder da. Ähnlich lief es für die deutschen Frauen, bei ihnen gab es ebenfalls viele Aufs, aber auch einige Abs.
In Planica durfte am letzten Skisprung-Wochenende noch einmal gemeinsam gejubelt werden. Beim emotionalen Abschied von Markus Eisenbichler, der ebenso wie Stephan Leyhe seine Karriere beendet, feierten die Skispringer des Deutschen Skiverbandes (DSV) mit dem zweiten Platz im Teamfliegen und dem dritten Platz von Andreas Wellinger im letzten Einzel einen versöhnlichen Abschluss nach einer nicht immer leichten Saison. Von einem "Wechselbad der Gefühle" sprach DSV-Sportdirektor Horst Hüttel anschließend. Denn der Anfang des Winters hatte Begehrlichkeiten geweckt, die aber mit der Vierschanzentournee einen herben Dämpfer erhielten. Doch der Reihe nach ...
Die Saison begann mit einem Paukenschlag. In Lillehammer segelte Pius Paschke im ersten Springen der Saison gleich mal ins Gelbe Trikot. Viele der Experten und vermutlich auch der deutsche Skisprung-Oldie selbst hielten das für eine Momentaufnahme. Doch es wurde ein Monat voller Freude und Jubel. Paschke stand in fünf der ersten acht Wettkämpfe ganz oben auf dem Podest, dazu kam der Sieg im Super-Team gemeinsam mit Andreas Wellinger. Der 34-Jährige aus München konnte in dieser Phase machen, was er wollte, er war einfach nicht zu schlagen. Die Heimspringen in Titisee-Neustadt wurden zu Paschke-Festspielen.
Mit der Tournee kommt der Einbruch
Der Spätberufene gab sich in dieser Zeit bemerkenswert locker, wollte sich keinen Druck anmerken lassen. Doch kurz vor der Vierschanzentournee begann das Straucheln. Bei der Generalprobe in Engelberg verpasste Paschke erstmals die Top 10, dennoch ging das deutsche Team "positiv" gestimmt in die Tournee. Doch die prestigeträchtige Wettkampfserie wurde aus deutscher Sicht ein Rückschlag. Statt wie erhofft um den Gesamtsieg mitspringen zu können, musste das DSV-Team den Österreichern beim Dreifacherfolg Spalier stehen. Nie waren Paschke und Co. wirklich in Schlagdistanz zum Gesamtführenden, am Ende fehlten 60 Punkte nach vier Springen auf Sieger Daniel Tschofenig.
Es wirkte wie ein Bruch in der Saison der Mannschaft von Bundestrainer Stefan Horngacher. Bis auf ein paar einzelne Top-10-Platzierungen sprangen die deutschen Männer meist nur noch hinterher, auch bei den Heimweltcups in Oberstdorf und Willingen. "Aktuell ist es schon ein bisschen zäh, wir haben heute eigentlich noch weiter verloren. Unser Ziel war es, den Abstand ein bisschen zu verkürzen. Das ist uns absolut nicht gelungen", lautete die ernüchternde Analyse von Horngacher Anfang Februar.
Neue Thermik bei der WM
Nach 15 Springen ohne Podest waren die Erwartungen vor den Weltmeisterschaften in Trondheim entsprechend gering. Doch das deutsche Team zeigte sich in Norwegen wieder verbessert - auch wenn bei den Titelkämpfen nicht alles glatt lief. Die Silbermedaille von Wellinger auf der kleinen Schanze könnte angesichts der manipulierten Anzüge der Gastgeber sogar noch einen goldenen Anstrich bekommen. Einen Titel schnappte sich der 29-Jährige dann doch noch in Norwegen. Eine Woche nach der WM konnte er bei der Raw Air - dem norwegischen Pendant zu Vierschanzentournee - triumphieren.
Doch wie fällt nun das Gesamtfazit der deutschen Männer aus? Pius Paschke schließt die Saison beim ersten Gesamtsieg von Tschofenig immerhin noch auf Rang fünf ab. Es ist das beste Ergebnis in der lange Zeit nicht von Erfolgen gekrönten Karriere des Bayern. Auch im Nationencup muss der DSV nur den Ösis den Vortritt lassen, profitierte hier aber von der Suspendierung der norwegischen Topspringer, die keine weiteren Punkte für ihre Nation holen konnten.
Und was sagt der Cheftrainer? Horngacher ist erst einmal froh, dass nun ein wenig Ruhe einkehrt. "Es ist ganz okay, dass es jetzt vorbei ist. Es war eine lange Saison, die viel Kraft gekostet hat." Mit den positiven Eindrücken der letzten Springen könne man sich etwas beruhigter auf die kommende Saison vorbereiten, dennoch gelte es, die Schwächephase genau zu analysieren. "Das braucht ein wenig Zeit!" Mit der Saison könne man "trotz allem zufrieden sein". Aber auch Sportdirektor Hüttel erklärte, sein Team werde "viele Hausaufgaben mit nach Hause nehmen". Es gehe nun darum, junge Athleten im Weltcup zu etablieren, um die Zukunft des deutschen Skispringens nicht zu gefährden.
Erst fliegt Schmid davon, dann jagt Freitag dem Sieg hinterher
Auch die deutschen Skispringerinnen hatten in diesem Winter mit dem ein oder anderen Rückschlag zu kämpfen. Bei den Frauen war Katharina Schmid zu Saisonbeginn die prägende Figur auf den Schanzen. Von den ersten fünf Wettkämpfen gewann sie drei und wurde zwei Mal Zweite. Bis Mitte Januar hinein trug sie das Gelbe Trikot. Dann aber ging es auch bei ihr - ähnlich wie bei Paschke - plötzlich nicht mehr so leicht von der Hand. In den letzten 15 Wettkämpfen schaffte sie nur zwei weitere Top-5-Plätze, die Hoffnungen auf den ersten deutschen Gesamtweltcupsieg waren dahin. Auch, weil an der Spitze die Slowenin Nika Prevc eine Saison für die Geschichtsbücher ablieferte. 15 Saisonsiege waren zuvor nur Sara Takanashi gelungen, mit der Rekordpunktzahl von 1.933 Zählern holte die erst 20-Jährige ihren zweiten Gesamtweltcupsieg in Folge. Zudem stellte sie einen neuen Weltrekord im Skifliegen der Frauen auf.
Da half es auch nichts, dass Selina Freitag in der zweiten Saisonhälfte immer wieder ihre Weltklasse unter Beweis stellte. Doch sie sollte immer wieder an der schier übermächtig wirkenden Prevc scheitern. In den letzten neun Weltcup-Springen des Winters stand die Sächsin nur einmal nicht auf dem Podest, trotzdem muss sie weiter auf ihren ersten Einzelsieg im Weltcup warten. Denn Prevc gewann die letzten zehn Springen am Stück und sicherte sich zwischenzeitlich auch noch die WM-Titel von der Normal- und von der Großschanze. Auch da jeweils auf Platz zwei: Selina Freitag.
Freitag: "Die Beste in unserer Liga"
Trotz der verpassten Möglichkeiten fällt das Fazit der deutschen Frauen fast durchweg positiv aus. "Die Nika springt einfach in einer anderen Liga. Deswegen red' ich mir das ein bisschen schön und sage: Ich bin die Beste in unserer Liga", sagte Freitag nach dem Saisonabschluss mit einem Lächeln. Auch wenn der ganz große Triumph fehlt, genieße sie die zweiten Plätze: "Das schaffen nicht so viele". Ihre Konstanz habe sich deutlich verbessert und zu den starken Ergebnisse geführt. Zudem hatte sie beim Skifliegen endlich die magische 200-Meter-Marke geknackt.
"Alles in allem kann ich sehr zufrieden sein", befand auch Schmid - trotz der schwächeren zweiten Saisonhälfte. Obwohl sie offen zugab, sich das "anders vorgestellt" zu haben nach dem starken Start in den Winter. Dies gelte es nun zu verarbeiten und den Sommer zu genießen. Bundestrainer Heinz Kuttin zeigte sich im Rückblick ebenfalls "sehr happy" mit den gezeigten Leistungen: "Das haben wir so nicht erwartet. Ich habe ein hohes Ziel ausgegeben mit dem Gewinn des Nationencups und das ist uns souverän gelungen. Dazu Platz zwei und drei im Einzelweltcup." Nun gehe es darum, im kommenden Winter Prevc anzugreifen. Dafür werde man akribisch arbeiten.
Görlich mit bitterem Winter
Ein bittere Note gab es bei den Frauen aus schwarz-rot-goldener Sicht leider auch noch. Luisa Görlich war der Pechvogel dieses Winters. Nachdem sie die Vorsaison mit einem Kreuzbandriss beendete, kehrte sie erst im Februar zurück und erkämpfte sich durch gute Leistungen in wenigen Wettkämpfen ein WM-Ticket. Dort aber stürzte sie in der Qualifikation zum Normalschanzen-Wettbewerb und fällt jetzt erneut mit einem Kreuzbandriss und Meniskusschaden für viele Monate aus.