Skispringen Pius Paschke - Alter schützt vorm Siegen nicht
Mit 33 Jahren holte Pius Paschke seinen ersten Weltcup-Sieg, mit 34 seinen zweiten. Über einen Mann, der lange auf den großen Sprung warten musste.
Ein Rückblick ans Jahresende 2023: Seit 13 Jahren ist Pius Paschke im deutschen Nationalkader und seit fast 19 Jahren bei internationalen Skisprung-Wettkämpfen dabei. Bis dahin verläuft seine Karriere wenig bilderbuchhaft, doch das sollte sich schlagartig ändern. Bei seinem ersten Weltcup-Einzelerfolg im Dezember des Vorjahres in Engelberg ist er 33 Jahre alt. So alt war vor ihm noch niemand bei seinem ersten Sieg.
Vorspulen zum Saisonstart 2024: Auch diesmal legt der gebürtige Münchner wieder stark los. Beim Weltcup-Auftakt in Lillehammer steht er zunächst im Mixed mit dem deutschen Team und einen Tag später zum zweiten Mal in seiner Karriere im Einzel ganz oben auf dem Podium. Und was gehört zu einem Paschke-Erfolg dazu? Natürlich eine Premiere. Mit seinen nun 34 Jahren ist er der älteste Träger des Gelben Trikots als Gesamtführender im Weltcup. Wenn schon siegen, dann aber für die Geschichtsbücher. Dabei war das alles so nicht vorherzusehen.
Der weite Weg des Pius Paschke
Jahrelang war der Continental Cup seine Heimat. 2010 startete Paschke zum ersten Mal in diesem zweitklassigen Wettbewerb. "Ich habe mir dort aber alles Schritt für Schritt erarbeitet, viel gelernt", sagte er rückblickend: "Manchmal habe ich schon gedacht, puh, bis zum Weltcup, das ist ein weiter Weg. Aber ich habe immer das machen dürfen, was mir Spaß bereitet hat."
Sein Debüt im Weltcup feierte er im Dezember 2013 in Engelberg. Noch einmal vier Jahre später holte ihn der damalige Bundestrainer Werner Schuster fest ins Weltcup-Team. Da ist Paschke 27 Jahre alt. Zum Vergleich: Sein jetziger Teamkollege Andreas Wellinger war im Alter von 22 Jahren schon zweifacher Olympiasieger.
Horngacher lobt "Fighter" Paschke
Doch Paschke beweist einen langen Atem. 2020 wurde er Team-Vizeweltmeister im Skifliegen, 2021 holte er bei der Heim-WM in Oberstdorf Gold im Team. In Ruka steht er Ende November 2023 zum ersten Mal im Weltcup auf dem Podest - und in Engelberg einen knappen Monat später sogar ganz oben.
Auch Karl Geiger kennt den Weg seines Mannschaftskameraden in die Weltspitze: "Bei seinem Durchhaltevermögen ist das mehr als verdient", sagte der Oberstdorfer nach Paschkes Erfolg in Engelsberg. Ähnlich sah es auch Bundestrainer Stefan Horngacher: "Jeder weiß, welcher Fighter Pius ist, wie er immer zurückgekommen ist."
Bei Paschke hat es "lang gedauert"
In der Schweiz reichte es für Paschke nach dem Sieg am ersten Wettkampftag noch zu Platz drei am zweiten. Damit holte er alle seine drei Weltcup-Podestplatzierungen innerhalb eines Monats. Unweigerlich zählte er im Kampf bei der Vierschanzentournee plötzlich zu den Titelanwärtern, hatte im Kampf um den Goldenen Adler aber nach schwachen Sprüngen in Oberstdort und Garmisch-Partenkirchen sowie einem Nuller in Innsbruck keinerlei Chancen. Paschke verlor ein wenig sein Momentum, die Ergebnisse waren nicht mehr ganz so stark wie noch zu Saisonbeginn. Dennoch springt er seine konstanteste Serie und beendet die Saison 23/24 als Gesamt-10..
Und der Winter 2024/25 startete mit einem nochmals verbessertem Paschke. Erst war er die treibende Kraft beim Mixed-Sieg im ersten Wettbewerb des Winters, dann folgte der Coup im ersten Einzel und zum Abschluss gab es mit Rang zwei einen weiteren Podestplatz. Während er auf der Schanze wieder "raketenverdächtig" (Horngacher) abhebt, verliert er in der Mixed-Zone nie die Bodenhaftung. "Es hat bei mir schon lang gedauert", gibt er offen zu und freut sich: "Dass es in diesem Jahr im ersten Wettkampf gleich so aufgeht, ist geil."
Feel-Good-Story Pius Paschke
"Es ist ein bisschen wie im Film", fasste Paschke das erste Wochenende des Winters 2024/25 zusammen. Vergleicht man seine Karriere mit den verschiedenen Genres der Filmkunst, könnte man meinen, dass Paschke zunächt eher in einer Independent-Produktion mitgespielt hat, nun aber Teil eines Feel-Good-Blockbusters geworden ist. Und er selbst hat Gefallen gefunden an seiner neuen Hauptrolle: "Ich gewöhne mich dran. Von mir aus gehe ich jedes Wochenende zur Siegerehrung. Da habe ich kein Problem mit." Doch was sind die Gründe für seinen späten Aufstieg in die Riege der Stars?
Über die Jahre habe er herausgefunden, was "für mich und meinen Sprung wirklich wichtig ist". Trotz seines hohen Alters lerne er nie aus, sagt er völlig unaufgeregt. Er habe in diesen Weltcup-Trubel erst einmal reinwachsen müssen - auch mental. Und er weiß ganz genau, wo er sich noch verbessern muss: in der Konstanz. "Das große Ziel ist es, dass ich das über ganzen Winter durchziehe, weil ich im Januar und Februar noch mal ein bisschen anfalle. Ich will es mal schaffen, bis Ende März durchzuziehen", erklärte er in der Saisonvorbereitung. Es ist auch diese Selbstreflexion und Bescheidenheit, die ihn in für Skispringer gehobenem Alter dorthin gebracht hat, wo er jetzt steht.
Nur drei Sieger noch älter als Paschke
Paschke ist zwar der älteste Premierensieger, aber es gibt noch ältere Weltcup-Sieger. Der Japaner Noriaki Kasai stand auch mit 42 Jahren noch ganz oben auf dem Podest und ist damit Spitzenreiter in dieser Liste. Nach seinem Erfolg in Lillehammer steht Paschke dort mit 34 Jahren, 6 Monaten und 3 Tagen auf Rang vier.
In zwei Monaten könnte er eine Position nach vorne rücken. Möglich wäre das zum Beispiel mit einem Sieg beim Skifliegen in Oberstdorf. Oder ein paar Tage später in Willingen. Denn ein Heim-Sieg im Weltcup fehlt Paschke noch. Er würde dann den Slowenen Robert Kranjec überholen und sich wieder einen Altersrekord schnappen. Er wäre der älteste Springer, der einen Weltcup vor heimischem Publikum gewinnen könnte. Das war eben jenem Kranjec 2016 in Planica gelungen. Und wenn es in diesem Winter damit nichts werden sollte, hat Paschke ja noch ein paar Jahre Zeit dazu.
Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals am 18. Dezember 2023 veröffentlich und am 24. November 2024 überarbeitet.
Mit Material von sid/dpa