Sportschau-Check vor WM-Halbfinale "Matildas" träumen vom Titel - England wird ihn gewinnen
Spanien, Schweden, England und Australien spielen um den Einzug ins Endspiel der Frauen-WM in Down Under. Wer machte bisher den besten Eindruck? Und wer hat das Zeug, erstmals den Titel zu gewinnen? Der Sportschau-Tipp vor dem Halbfinale.
Spanien - Tiki-Taka alleine reicht nicht zum WM-Titelgewinn
Vorrunde: 3:0 gegen Costa Rica, 5:0 gegen Sambia, 0:4 gegen Japan Achtelfinale: 5:1 gegen Schweiz Viertelfinale: 2:1 n.V. gegen Niederlande
Nach den Querelen im Vorfeld der WM zeigt sich das spanische Team beim Turnier in Australien und Neuseeland als echte Einheit. Die Mannschaft von Trainer Jorge Vilda überzeugt mit einer starken Offensive, obwohl der angeschlagene Superstar Alexia Putellas bisher keine tragende Rolle spielt. Das Team ist nicht nur spielfreudig mit seinem Tiki-Taka, sondern auch stressresistent: Der klaren Vorrunden-Niederlage gegen Japan ließ "La Selección" den eindrucksvollen Achtelfinalsieg gegen die Schweiz folgen - und im Viertelfinale gegen die Niederlande zeigten die Südeuropäerinnen in der Verlängerung die richtige Reaktion auf den späten Ausgleich. Gegen die spielstarken Japanerinnen und zeitweise auch die Niederlande zeigte sich die spanische Abwehr allerdings nicht WM-Titel-reif.
Prognose der Sportschau-Redaktion: Nutzt Spanien im Halbfinale seine Torchancen besser als gegen die Niederlande, ist das Endspiel möglich. Gegen den Titelgewinn spricht aber die fehlende Konstanz in den Leistungen.
Tipp von ARD-WM-Reporter Bernd Schmelzer: Spanien ist technisch herausragend, aber nicht effektiv genug vor dem Tor. Und was machen die Kräfte nach den laufintensiven Spielen? Titelchance: 45 Prozent.
Schweden - Mit viel Erfahrung nur fast auf den WM-Thron
Vorrunde: 2:1 gegen Südafrika, 5:0 gegen Italien, 2:0 gegen Argentinien Achtelfinale: 5:4 i.E. gegen USA Viertelfinale: 2:1 gegen Japan
Die von Peter Gerhardsson trainierten und gut eingestellten Schwedinnen fühlen sich in Down Under pudelwohl - anders kann man die bisherige Turnierleistung mit fünf Siegen nicht zusammenfassen. Der Beginn gegen Südafrika war zwar mühsam, danach aber beeindruckte die erfahrene "Damslandslaget" - neun Spielerinnen im Kader sind 30 Jahre oder älter - die Konkurrenz. Im Achtelfinale gewann Schweden nervenstark gegen spielerisch überlegene US-Amerikanerinnen im Elfmeterschießen, im Viertelfinale ließ die starke Defensive (erst zwei Gegentore in fünf Partien) Japans Offensive nicht zur Entfaltung kommen. Ein großes Plus ist die Gefahr bei Standards vor allem durch Amanda Ilestedt (vier Tore). Aus dem Spiel heraus geht in der Offensive allerdings zu wenig - das dürfte sich am Ende rächen.
Prognose der Sportschau-Redaktion: Schweden ist nach Platz 3 bei der WM 2019, Olympia-Silber 2021 und dem Halbfinal-Aus bei der EM 2022 eigentlich bereit für den großen Schritt auf den Fußball-Thron. Doch ein Quäntchen fehlt zum großen Erfolg.
Tipp von ARD-WM-Reporter Bernd Schmelzer: Die Schwedinnen sind mit allen taktischen Wassern gewaschen. Aber spielen die Nerven mit, wenn es um alles geht? Titelchance: 55 Prozent.
Australien - Halbfinal-Hürde dürfte zu hoch sein
Vorrunde: 1:0 gegen Irland, 2:3 gegen Nigeria, 4:0 gegen Kanada Achtelfinale: 2:0 gegen Dänemark Viertelfinale: 7:6 i.E. gegen Frankreich
Klarer Fall: Das große Plus der Australierinnen bei ihrer achten WM-Teilnahme ist auch in der entscheidenden Phase des Turniers der Heimvorteil. Die "Matildas" werden auf einer Welle der Begeisterung von Spiel zu Spiel und von Runde zu Runde getragen - daran änderte auch der Dämpfer im zweiten Gruppenspiel gegen Nigeria nichts. Die Defensive um Steph Catley ist das Aushängeschild der Co-Gastgeberinnen: Australien schlug mit Kanada und Frankreich zwei Top-Ten-Mannschaften, als einziges Halbfinal-Team spielte man vier Mal zu null. Die Offensive brachte es dagegen bisher nur auf neun Tore, das sind die wenigsten der Halbfinal-Teams. Hier macht sich der Erfolgsdruck vielleicht am meisten bemerkbar. Gut also, dass Trainer Tony Gustavsson nun auch von Beginn an wieder auf seinen lange an der Wade verletzten Superstar Sam Kerr setzen kann.
Prognose der Sportschau-Redaktion: Im Halbfinale gegen die abgezockten Europameisterinnen aus England müsste - ob mit oder ohne Sam Kerr - ein Sahnetag her, um das Finale zu erreichen. Die Hürde dürfte trotz Unterstützung von den Tribünen aber zu hoch sein.
Tipp von ARD-WM-Reporter Bernd Schmelzer: Australien lebt von der Emotion auf und außerhalb des Platzes. Das Momentum ist auf Seiten der "Matildas". Titelchance: 70 Prozent.
England - Nach dem EM-Titel folgt der ganz große Wurf
Vorrunde: 1:0 gegen Haiti, 1:0 gegen Dänemark, 6:1 gegen China Achtelfinale: 4:2 i.E. gegen Nigeria Viertelfinale: 2:1 gegen Kolumbien
Von vorne bis hinten zu überzeugen wusste England bei der WM-Endrunde bisher nicht - und trotzdem gehen die Europameisterinnen als Titelfavorit Nummer 1 in die letzte Turnierwoche. Nach der Pflichterfüllung in der Vorrunde zeigte sich die Mannschaft in der K.o.-Runde gegen zwei Überraschungsteams der WM auch körperlich und mental in weltmeisterlicher Verfassung. Die spielerische Qualität des Teams ist sowieso unumstritten. Ein großer Vorteil ist, dass Trainerin Sarina Wiegman in ihrem Kader jede Menge Spielerinnen hat, die im vergangenen Jahr den EM-Titel im eigenen Land gewonnen haben. Die "Lionesses" werden den Druck im Halbfinale und im Endspiel in Leistung umzuwandeln wissen. Noch ein Plus: Die im Semifinale nach der Roten Karte aus dem Nigeria-Spiel noch einmal gesperrt fehlende Lauren James stünde im Spiel um den Titel ausgeruht wieder für den Angriff zur Verfügung - und könnte dort den Unterschied ausmachen.
Prognose der Sportschau-Redaktion: Den "Lionesses" gelingt mit einem Erfolg gegen Australien die Wiedergutmachung fürs bittere Halbfinal-Aus gegen die USA vor vier Jahren. Doch der erstmalige Einzug in ein WM-Endspiel wird ihnen nicht genug sein.
Tipp von ARD-WM-Reporter Bernd Schmelzer: Wenn die Europameisterinnen das Halbfinale überstehen, werden sie auch das Endspiel gewinnen. Titelchance: 60 Prozent.