Nigeria gegen England

Sieg im Elfmeterschießen England zittert sich gegen Nigeria ins WM-Viertelfinale

Stand: 07.08.2023 15:17 Uhr

England hat sich bei der WM in Australien und Neuseeland ins Viertelfinale gezittert. Die Europameisterinnen setzten sich am Montag (07.08.2023) in Brisbane gegen Nigeria mit 4:2 im Elfmeterschießen durch.

Von Hanno Bode

Nach regulärer Spielzeit und Verlängerung hatte es 0:0 gestanden. Die "Lionesses" zeigten dabei eine durchwachsene Vorstellung und hatten Fortune, dass die Afrikanerinnen zu inkonsequent bei der Finalisierung ihrer Angriffe waren. In der Runde der letzten Acht treffen die Britinnen nun auf den Sieger der Partie Kolumbien gegen Jamaika. Beide Außenseiter treffen am Dienstag (08.08.2023, 10 Uhr MESZ, im Liveticker bei sportschau.de) in Melbourne aufeinander.

Ich bin heute um zehn Jahre gealtert. Ich habe wenige Spiele erlebt, die derart intensiv waren.
Englands Trainerin Sarina Wiegman

"Diese Mannschaft ist etwas ganz Besonderes. Wir haben es vor einem Jahr bei der EM geschafft, wir haben es im Finalissima geschafft, und jetzt machen wir einfach weiter", sagte Chloe Kelly, die den letzten Elfmeter verwandelte, der "BBC". Beim Kontinental-Vergleich "Finalissima" hatte England im April gegen Brasilien ebenfalls den Titel geholt, nun winkt der Hattrick.

Coach Waldrum trotz WM-Aus stolz

Während die Engländerinnen weiter vom ersten WM-Triumph träumen dürfen, ist das Ozeanien-Turnier für Nigeria beendet. Randy Waldrum, dessen Zukunft als Trainer der "Super Falcons" offen ist, fand nach dem unglücklichen Ausscheiden dennoch nur lobende Worte für seine Spielerinnen. "Ich bin unsagbar stolz auf sie. Diese Mannschaft hat eine glänzende Zukunft. Ich glaube, dass sie eine der besten Mannschaften der Welt werden kann", sagte der US-Amerikaner.

Nigeria überzeugt durch taktische Variabilität

Für die hoch favorisierten Engländerinnen war das Duell mit dem elfmaligen Afrikameister von Beginn an eine komplizierte Aufgabe. Die große Problematik für die Europäerinnen bestand dabei primär darin, die Taktik des Gegners zu durchschauen. Denn mal igelten sich die "Super Falcons" in der eigenen Hälfte ein, mal liefen sie die "Lionesses" schon an deren Strafraum an. Die Partie zu befrieden und Dominanz auszuüben, gelang der Elf von Trainerin Sarina Wiegman-Glotzbach im ersten Abschnitt nur in ganz wenigen Phasen.

Spielerisch blieb bei den Europameisterinnen vor der Pause vieles Stückwerk. Eigentlich zu vieles für einen Turniermitfavoriten. Auch die Rückkehr von Defensivstrategin Keira Walsh machte sich zunächst nur bedingt positiv bemerkbar. Die 26-Jährige, die sich im zweiten Gruppenspiel gegen Dänemark verletzt und danach erst wieder einmal mit der Mannschaft mittrainiert hatte, stand überraschend in der Anfangsformation.

"Super Falcons" mit den besseren Chancen

Die Nigerianerinnen waren auch ohne ihre vorerst angeschlagen auf der Bank sitzende Starstürmerin Asisat Oshoala zunächst das gefährlichere Team. Michelle Alozie besaß per Kopf die erste Chance der Partie - Alessia Russo konnte gerade noch vor der Linie klären (13.). 180 Sekunden später fehlten dann nur Zentimeter für eine dieser Geschichten, die angeblich nur der Fußball schreibt: Ashleigh Plumptre, gebürtige Engländerin mit nigerianischem Großvater, traf mit einem Schuss aus 17 Metern nur die Latte. Kurz darauf scheiterte die vereinssuchende Verteidigerin dann auch noch an Keeperin Mary Earps (17.).

Russo vergibt Englands Führung

England benötigte schon die Hilfe des Kontrahenten, um zum ersten nennenswerten Abschluss zu kommen. Nach einem Querschläger von Glory Ogbonna hatte Russo eigentlich freie Bahn. Aber statt auf das Gehäuse zuzulaufen, schloss die Stürmerin sofort ab. Und das nicht besonders gut - Keeperin Chiamaka Nnadozie konnte parieren (23.).

Die Chance war dennoch eine Art Initialzündung für die Britinnen. Hernach bekamen die Favoritinnen das Geschehen etwas besser in den Griff, ohne dabei allerdings wesentlich zwingender in den Offensivaktionen zu werden.

Schiedsrichterin nimmt Elfmeter zurück

Ein Freistoß von Alex Greenwood sowie ein - gelinde ausgedrückt - unglückliches Einsteigen von Rasheedat Ajibade gegen Rachel Daly nährten dann kurzfristig die Hoffnungen der Europäerinnen auf die Führung. Denn Schiedsrichterin Melissa Paola Borjas Pastrana hat nicht nur zwei Vornamen, sondern auch zwei sehr gute Augen. Also sanktionierte die Spielleiterin den Textiltest der blauhaarigen Nigerianerin inklusive Schubser mit einem Strafstoß.

Eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung, auch wenn Ajibade bei diesem Zweikampf gewiss nicht der Vorsatz der schweren Körperverletzung zu unterstellen war. Dass sich Daly offenbar für ein Engagement bei einer Schauspielbühne bewerben wollte und sehr theatralisch fiel, war allerdings völlig unnötig und wurde ihr vielleicht auch zum Verhängnis.

Denn nach Sichtung des Bewegtbildes nahm die Schiedsrichterin ihre Entscheidung zurück (34.). So blieb es beim 0:0, das auch zur Halbzeit Bestand hatte.

Englands Shootingstar Lauren James

Sportschau FIFA Frauen WM, 07.08.2023 09:44 Uhr

Kanu scheitert am Aluminium

Auch nach dem Seitenwechsel sahen die zahlenden Zuschauerinnen und Zuschauer in Brisbane sowie an den diversen Endgeräten in aller Welt ein Duell auf Augenhöhe, in dem die Nigerianerin Uchenna Kanu ein zweites Mal an diesem kühlen australischen Abend das Aluminium zum Beben brachte (47.). Die Afrikanerinnen blieben auch in der Folge stets gefährlich - und ein äußerst unangenehmer, weil taktisch extrem disziplinierter und in den Zweikämpfen sehr präsenter Gegner.

James sieht Rote Karte

Englands Offensivbemühungen blieben mit Ausnahme eines Kopfballs von Daly, den Nnadozie parierte (76.), größtenteils Bemühungen. Von der nach zuvor fraglos tollen WM-Auftritten hochgejubelten Lauren James fehlte zwar nicht jede Spur. Zu sehen war die Angreiferin aber manchmal lange Zeit nicht. Der Frust der 21-Jährigen war groß, wie sich in der 84. Minute zeigte, als sie nach einem Zweikampf mit Alozie zu Fall kam, keinen Freistoß bekam und ihre Gegenspielerin anschließend beim Aufstehen mit den Stollen ins Gesäß trat.

Schiedsrichterin Pastrana schaute sich die Szene noch einmal auf dem Bildschirm an und kam zu der einzig richtigen Entscheidung: Rote Karte für James (87.). Bald darauf endete die reguläre Spielzeit torlos, sodass es in die Verlängerung ging.

Nigeria dominant, aber harmlos

Nigeria war nicht nur in Überzahl, sondern wirkte auch körperlich und mental frischer als der Favorit. Die Afrikanerinnen drängten auf das 1:0, waren im letzten Drittel des Feldes aber trotz der Einwechslung von Barcelona-Angreiferin Oshoala Mitte des zweiten Durchgangs immer noch nicht zwingend genug. Ein Schuss von Oshoala, der Earps aber vor keine großen Probleme stellte (117.), war noch die beste Chance der nach dem Platzverweis dominanten Afrikanerinnen in der Extrazeit.

England mit besseren Nerven im Elfmeterschießen

Das Elfmeterschießen musste also die Entscheidung bringen. Und dieses begann mit Fehlschüssen der Münchnerin Georgia Stanway sowie der früheren Wolfsburgerin Desire Oparanozie. Anschließend verwandelte Beth England für die "Lionesses", während Alozie den Ball in Brisbanes Abendhimmel jagte. Danach trafen Daly und Greenwood für England und Ajibade und Christy Ucheibe für Nigeria, sodass Chloe Kelly beim Stand von 3:2 für die Entscheidung zugunsten der Europäerinnen sorgen konnte. Und die eingewechselte Stürmerin bewahrte die Nerven und schoss ihr Team in die Runde der letzten Acht.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau FIFA Frauen WM | 02.08.2023 | 08:35 Uhr