Der Nationaltrainer der norwegischen Skispringer Magnus Brevig

Nordische Ski-WM Betrug im Skispringen - Die Suche nach den Schuldigen

Stand: 10.03.2025 12:25 Uhr

In der Affäre um manipulierte Skisprunganzüge bei den Norwegern sind personelle Konsequenzen nur eine Frage der Zeit. Gleichzeitig werden Stimmen laut, die klarere Regeln von der FIS fordern.

Betrogene Gegner. Betrogene eigene Springer. Und eine peinliche Blamage vor den Augen der Sportwelt. Der WM-Skandal um manipulierte Anzüge bei den norwegischen Skispringern kennt nur Verlierer. Während die beiden besten norwegischen Adler, Marius Lindvik und Johann André Forfang, beteuern, nichts von den Manipulationen gewusst zu haben, dürften die Tage von Magnus Brevig als Cheftrainer gezählt sein.

Lindvik und Forfang: "Sind völlig am Boden zerstört"

"Wir sind beide völlig am Boden zerstört. Keiner von uns wäre mit einem Anzug gesprungen, von dem wir gewusst hätten, dass er manipuliert war. Niemals", erklärten Lindvik und sein Kollege Johann André Forfang in einer gemeinsamen schriftlichen Verbandsmitteilung. Auf seiner Instagram-Seite schrieb Forfang: "Diese Weltmeisterschaft sollte eine Traumwoche werden, aber stattdessen ist sie zu einer Tragödie geworden."

Anonym gefilmte und Medien zugespielte Videos hatten gezeigt, wie das norwegische Team im Beisein von Cheftrainer Magnus Brevig die Wettkampfanzüge auf unzulässige Art und Weise manipulierte. Lindvik und Forfang wurden für das Großschanzen-Einzel disqualifiziert. Auf der Normalschanze hatte der 26 Jahre alte Lindvik noch den WM-Titel gewonnen.

Skispringer räumen eigene Verantwortung ein

Norwegens Sportdirektor Jan Erik Aalbu räumte am Sonntag (09.03.2025) bei einer Pressekonferenz ein, dass der Verband bei zwei Anzügen wissentlich betrogen habe.

"Wir haben betrogen"

Sportschau Wintersport

Das Ausmaß des Skandals - also ob vielleicht schon vorher bei anderen Wettbewerben betrogen wurde - ist bislang unklar. "Auch wir Sportler tragen Verantwortung dafür, dass der Anzug passt, aber wir haben keine Routinen, um die Arbeit der Beteuer zu kontrollieren", ließen Lindvik und Forfang mitteilen.

Cheftrainer Brevig vor dem Rauswurf

Für die Medien ist der Schuldige längst gefunden: Cheftrainer Brevig. Der ist formal zwar immer noch im Amt. Er dürfte aber der erste sein, der gehen muss.

Nur arbeitsrechtliche Details haben bisher offensichtlich verhindert, dass ihn Sportdirektor Jan Erik Aalbu Brevig bei seiner Pressekonferenz an diesem Sonntag öffentlichkeitswirksam absetzte.

FIS: Weitere Strafen und Disqualifikationen möglich

Die FIS will nun prüfen, ob es während der Nordischen Ski-WM weitere Manipulatuionen und Betrugsversuche gab. Da Chips in die Anzüge der Springer eingenäht sind, hat der Weltverband die Möglichkeit, jeden einzelnen WM-Sprung im Nachhinein zu überprüfen.

FIS-Generalsekretär Michel Vion bestätigte dem norwegischen Sender NRK, dass es noch zusätzliche Strafen geben könnte: "Dann kann es nach den Ermittlungen zu weiteren Strafen kommen. Es kann auch zu Disqualifikationen kommen."

Ex-Skispringer Anders Jacobsen: "Regelwerk ist eine Enzyklopädie"

Bei der FIS liegt allerdings auch ein Problem. Der frühere norwegische Topspringer Anders Jacobsen nimmt im NRK-Interview den Weltverband in die Pflicht, Regeln eindeutiger zu formulieren und transparenter zu machen: "Nimmt man das Regelwerk, wie ein Anzug aussehen soll, mit Bindung, Schuhen und Skiern, dann ist das eine Enzyklopädie. Außenstehende verstehen nichts davon, und das ist völlig natürlich. Es bedeutet aber auch, dass alle Regeln interpretierbar sind. Und dass sie jeder anders interpretiert."

Jacobsen macht deutlich, dass er das norwegische Lager nicht für unschuldig hält, aber er glaubt auch, dass die Regeln zu kompliziert sind und dass sich alle Nationen am Rande der Legalität bewegen. "Wenn du dich beim heutigen Weltcup-Springen an alle Regeln hältst, fürchte ich, dass du es nicht in die Endrunde schaffst."

Alle Teams haben ihre Geheimnisse

Er glaubt, dass die vielen Regeln – und die mindestens ebenso vielen Interpretationsmöglichkeiten – dazu führen, dass es völlig normal wird, Grenzen zu hinterfragen. "Ich denke, wenn man das Seil nicht spannt, völlig am Limit ist und wahrscheinlich darüber hinaus, dann ist es schwierig, ein Springen zu gewinnen", so Jacobsen.

Er hält den Videobeweis, der Norwegen enttarnt hat, für unbestreitbar. Aber er ist neugierig, was in den Räumen der anderen Teams vor sich geht: "Wir haben nur eine Seite der Sache gesehen, von einer Mannschaft. Alle Teams haben ihre Geheimnisse, aber das wissen wir nicht."

ÖSV-Verantwortlicher: Balancieren "auf der richtigen Seite"

Florian Liegl, Sportlicher Leiter Skispringen und Nordische Kombination beim ÖSV, gibt zu, dass man auch versucht, an die Grenzen zu gehen, aber dass man auf der richtigen Seite balanciert. "Ich glaube, dass wir es schaffen, die Vorschriften einzuhalten", sagte er gegenüber NRK.

Liegl hofft, dass die Offenlegung des Skandals bald zu einer großen Diskussion und einer fairen Lösung für alle führt.