
Mit Nachhilfe zum Erfolg Zografski und die deutsche Skisprung-Hilfe
Im Skispringen machen meist die Top-Athleten den Sieg unter sich aus. Doch nach und nach rücken auch Springer aus kleineren Nationen wie Vladimir Zografski oder die US-Amerikaner ins Rampenlicht. Auch dank der Nachhilfe etablierter Skisprung-Nationen.
Aufmerksame Fans werden es bemerkt haben: Da geht doch was zwischen dem deutschen Team und dem bulgarischen Skispringer Vladimir Zografski. Gemeinsames Aufwärmen vor dem Wettkampf, Abklatschen nach dem Sprung und auch die Trainer verhalten sich auffällig kollegial. Und was soll man sagen, die Fans haben Recht.
"Es ist das erste Mal, dass ich Teil eines so großen Teams bin. Ich liebe es", erzählt Zografski voller Begeisterung der Sportschau. Viele Jahre war er als Einzelkämpfer im Weltcup unterwegs, gehört Bulgarien doch nicht gerade zu den großen Skisprung-Nationen. Nun aber hat er bei den Deutschen eine neue Heimat gefunden - dank einer Kooperation mit dem Deutschen Skiverband.
Zografski Teil des deutschen Teams
Die Idee zur Zusammenarbeit kam vom bulgarischen Verband selbst, der an den DSV und Bundestrainer Stefan Horngacher herantrat. Letzterer wiederum kennt Zografski bereits seit vielen Jahren. Und so kam man schnell zu einer Einigung. Seitdem bereitet sich der 31-Jährige im Sommer gemeinsam mit seinen beiden polnischen Trainern sowie dem deutschen Team auf die Saison vor, teilt sich bei Wettkämpfen den Container mit Karl Geiger, Andreas Wellinger und Co. und übernachtet in denselben Hotels.
Am Anfang sei dies eine krasse Umstellung gewesen, so Zografski, der Zakopane sein zuhause nennt: "Ich musste einige Dinge ändern. Die Technik, die Herangehensweise an das Springen, das ganze Denken über Skispringen." Es habe ein bisschen gedauert, bis er sich an alles gewöhnt habe: "Aber jetzt ist alles in Ordnung, es geht in die richtige Richtung." Das spiegelt sich auch in den Resultaten Zografskis wider. In der aktuellen Saison landet er regelmäßig unter den besten 30, in Trondheim sprang er auf der Normalschanze mit Platz neun zu seinem besten WM-Ergebnis überhaupt.
Eine Win-Win-Situation für den DSV
Horst Hüttel, Sportdirektor der deutschen Skispringer, nennt dies im Gespräch mit der Sportschau Unterstützung in skisprung- sowie materialtechnischer Hinsicht. Die Kooperation sei aber auch für den DSV eine Win-Win-Situation. "Vladimir steht als Vertreter des bulgarischen Verbands zum Beispiel eine Wachshütte zu, die wir mitnutzen können, womit wir wiederum mehr Platz haben", so Hüttel. Zografski selbst sieht die Hilfe durch den DSV nicht als selbstverständlich an. "Ich glaube nicht, dass jede Nation da so offen sein würde. Die Rivalität im Skispringen ist schon sehr hoch", gibt der 31-Jährige zu Bedenken.
Der DSV ist dagegen nicht nur eine Kooperation mit Bulgarien eingegangen. So arbeitet man im Nachwuchs zum Beispiel auch mit Tschechien und den Niederlanden zusammen. "Man sollte den kleineren Nationen gegenüber offener sein", sagt Hüttel. Er sehe in dieser Hinsicht die stärkeren Verbände in der Pflicht, die Wintersportwelt verändere sich halt hin zu mehr Diversität: "Deshalb sollte man meiner Meinung nach diese Kooperationen weiter forcieren."
Ein Team unter zwei Flaggen
Diese Aussage würde auch Anders Johnson, Sportdirektor der US-amerikanischen Skispringer und Skispringerinnen, so unterschreiben. Diese kooperieren nämlich bereits seit vier Jahren mit einer der größten Skisprungnationen der Welt, mit den Norwegern. Dies geht so weit, dass die US-Athleten dauerhaft nach Lillehammer gezogen sind, um dort mit dem norwegischen Team zu trainieren. Einige von ihnen wohnen sogar zusammen.
"Die Philosophie war vom ersten Tag an, als eine Einheit zusammenzuarbeiten, welche sich die Trainer, das Servicepersonal sowie das Wissen und die Ressourcen miteinander teilt, um den Sport hierzulande weiterzuentwickeln", erklärt Johnson. Quasi wie ein Team, nur unter zwei Flaggen. Angelegt sei das Projekt zunächst bis zu den Olympischen Spielen 2026, auch wenn Johnson hofft, dass die Zusammenarbeit auch darüber hinaus bestehen bleibt. Denn die sportliche Entwicklung kann sich durchaus sehen lassen. Vor allem die jungen Springer um Tate Frantz, aber auch der 28-jährige Kevin Bickner sind immer wieder für eine Top-15-Platzierung gut.
Für mehr Diversität im Skispringen
Dass diese Kooperationen zwischen kleinen und großen Skisprungnationen für eine größere Diversität nicht nur im Skispringen, sondern auch im Alpinsport sowie in der nordischen Kombination sorgen können, darin sind sich Hüttel und Johnson einig. "Es gibt im Skispringen eine große Kluft zwischen den sechs Top-Nationen und den kleineren Verbänden, die um den Durchbruch kämpfen", merkt Johnson an: "Je mehr wir Nationen wie uns, Italien oder Frankreich in die Lage versetzen, konkurrenzfähig zu sein und um Podiumsplätze mitzukämpfen, desto besser ist die Zukunft unseres Sports."
Das klingt einleuchtend, doch als Außenstehender mag man sich fragen, was die Norweger von dieser Zusammenarbeit haben. Darauf angesprochen, muss Johnson lachen. Er könne die Frage verstehen. "Mit uns ist ein sehr junges Team zu den Norwegern gekommen, die einige ihrer älteren Athleten dazu antreibt, noch härter an sich zu arbeiten und somit das Niveau aller steigt", antwortet er. Außerdem könne Norwegen mittlerweile auch etwas von den US-Amerikanern lernen. Deren Nachwuchs lässt die jungen Norweger nämlich schon längst hinter sich. Erst in Lake Placid holte Tate Frantz Silber bei der Junioren-Weltmeisterschaft, weit vor dem ersten Norweger auf dem 20. Platz.
Kein Teamspringen für Zografski
Auch wenn die US-Amerikaner zumindest im Skispringen noch nicht den Ton angeben, einen Vorteil haben sie: Sie bekommen für den Teamwettbewerb vier Springer zusammen. Vladimir Zografski ist dagegen der einzige Bulgare weit und breit. "Am Teamspringen teilzunehmen, wäre so eine tolle Erfahrung, aber ich fürchte, die werde ich während meiner Karriere nicht mehr machen", sagt er zum Abschluss. Dafür genieße er aber die Zeit mit den deutschen Skispringern: "Die Jungs sind so nett und bodenständig. Das sind Weltmeister und Olympiasieger, aber am Ende doch ganz normale Leute."