
WM in Trondheim Begleitläufer im Para-Skilanglauf - Ohne Vertrauen läuft es nicht
In Trondheim sind bei der Weltmeisterschaft erstmals die Para-Skilangläufer mit dabei. So auch Johanna Recktenwald, die zusammen mit Begleitläuferin Emily Weiß in diesem Jahr ihren ersten großen Titel feiern durfte. Für das Duo ein Erfolg, der ohne festes Vertrauen nicht möglich gewesen wäre.
Damit hatte Johanna Recktenwald selbst wohl am wenigsten gerechnet. Denn noch nie stand die Langläuferin und Biathletin bei einem internationalen Rennen ganz oben auf dem Treppchen. Bis sie Anfang Februar bei der Para Biathlon-Weltmeisterschaft ihren ersten großen Erfolg feierte, nämlich den WM-Titel im Einzel. Zuvor gewann sie schon zweimal Silber.
"Das war wirklich krass", erzählt Recktenwald im Gespräch mit der Sportschau: "Die ganze Weltmeisterschaft lief für uns sehr gut, aber dass Emily und ich direkt so einen großen Erfolg feiern durften, war schon ein wenig überraschend. Das ist schon ein sehr schönes Gefühl und eine große Motivation für die Zukunft."
Erst seit dieser Saison ein Duo
Mit Emily meint Recktenwald ihre Begleitläuferin, Emily Weiß. Denn die Saarländerin tritt in der Startklasse der sehbeeinträchtigten Athletinnen an und ist deshalb während des Rennens auf einen Guide angewiesen. Mit Weiß bildet sie erst seit dieser Saison ein Duo, vorher war Recktenwald mit Begleitläufern wie Lutz Klausmann oder Pirmin Strecker erfolgreich im Weltcup sowie bei Weltmeisterschaften und Paralympics unterwegs. Mehrere Medaillen gewann die 23-Jährige seit ihrem Weltcup-Debüt 2018, nur ein Sieg fehlte noch.
Recktenwald und Weiß kennen sich bereits seit Jahren, gemeinsam trainieren sie am Olympiastützpunkt in Freiburg. Nachdem Strecker seine Karriere beendete, brauchte Recktenwald einen neuen Begleitläufer. Dass aus dem Duo etwas Festes werden würde, war jedoch so nicht geplant. Eigentlich sollte Recktenwald nämlich mit Louisa Haag antreten, die jedoch im Januar krankheitsbedingt ausfiel. "Das war alles sehr spontan. Am Anfang des Winters hieß es deshalb, dass ich nur ein paar Wettkämpfe mit Johanna laufe. Jetzt gehe ich aber mit ihr als feste Begleitläuferin in den Rest der Saison", so Weiß. Und auch in Richtung Paralympics im nächsten Jahr.
Die Begleitläuferin ersetzt die Augen
Um dort erfolgreich zu sein, muss absolutes Vertrauen zueinander herrschen. Denn wenn es in den Abfahrten bis zu 50 Stundenkilometer schnell die Loipe hinuntergeht, muss sich Recktenwald, die aufgrund einer angeborenen Augenerkrankung nur eine geringe Sehkraft hat, vollkommen auf Weiß verlassen können. "Emily läuft vor mir und sagt mir die komplette Strecke an. Sie ersetzt quasi meine Augen", erklärt die 23-Jährige: "Ich verlasse mich dann auf ihre Kommandos, zum Beispiel in den Kurven oder wenn es bergauf oder bergab geht."
Dafür wiederum muss Weiß ein gewisses Selbstbewusstsein auf der Strecke ausstrahlen, einfach damit bei Recktenwald während des Rennens keine Unsicherheit aufkommt. "Selbst wenn ich jetzt mal eine Situation als schwierig empfinde, darf ich mir das nicht anmerken lassen", so Weiß. Dass sie als Begleitläuferin nicht so sehr im Rampenlicht steht wie ihre Partnerin, mache ihr nichts aus. Ganz im Gegenteil. "Ich finde es eigentlich sehr schön, dass es nicht unbedingt direkt um mich geht, sondern ich Johanna dabei helfen kann, ihre Leistung abzurufen. So lastet auch nicht der Druck auf mir speziell", ergänzt die 21-Jährige.
Auch privat ein gutes Team
Was ebenfalls hilft: sich privat gut zu verstehen. Und das tun die beiden Studentinnen auf jeden Fall. Immerhin verbringt man nicht nur die Zeit während des Rennens miteinander, sondern auch abseits der Strecke im Training sowie abends im Hotel. "Wenn man sich dann auf einer menschlichen Ebene nicht mag oder wenige Gemeinsamkeiten hat, wird es auf Dauer sehr schwierig", so Recktenwald. Außerdem mache es einen großen Unterschied aus, dass sie zwei Frauen seien: "Das Zwischenmenschliche stimmt von Frau zu Frau einfach."
Recktenwald und Weiß sind tatsächlich eines der wenigen Frauen-Duos im Weltcup. Auch bei den Langläuferinnen sind die Begleitläufer vorwiegend männlich. Das liegt oftmals daran, dass ein Guide ein höheres Fitnesslevel mitbringen sollte, da dieser seine Athletin nicht nur anführt, sondern dabei auch noch durchgehend Kommandos geben muss. Für Weiß kein Problem. Recktenwald sieht aber noch einen anderen Vorteil darin, zusammen mit einer Frau zu laufen: "Dadurch, dass Emily und ich gleich groß sind, ist es für sie einfacher, den Schritt so aufzunehmen, dass wir synchron laufen können."
Die WM in Trondheim genießen
Bei der Nordischen Ski-WM in Trondheim, wo erstmals auch die Para-Langläufer Teil der Wettbewerbe sein werden, muss Recktenwald allerdings auf ihre Begleitläuferin verzichten. Weiß hat Uni-Prüfungen, die sie nicht verschieben konnte. Deshalb springt Robin Wunderle, der eigentlich zusammen mit Nico Messinger läuft, im Sprintrennen (Entscheidung am Mittwoch) für sie ein. Nicht ideal, aber gar nicht mal so unüblich. Sich selbst beschreibt Recktenwald zwar nicht als Sprint-Spezialistin, das Finale möchte sie aber dennoch erreichen: "Und dann schaue ich einfach mal, was geht." Bei der Weltmeisterschaft 2023 sprang immerhin die Bronzemedaille heraus.
Hauptsächlich freue sie sich aber, überhaupt als Para-Athletin in Trondheim mit dabei sein zu können: "Es ist das erste Mal, dass wir am selben Ort zur selben Zeit einen Wettkampf mit den olympischen Athleten austragen. Das ist ein kleiner Schritt in Richtung Inklusion. Das will ich einfach genießen und hoffe, einen guten Wettkampf abzuliefern." Nur diesmal nicht mit Emily Weiß an ihrer Seite. Diese wird aber sicher von Freiburg aus die Daumen drücken.