Elisa Borghini während der 11ten Strade Bianche Women Elite White

Professionalisierung vorantreiben Mailand-Sanremo im Frauen-Radsport: Alles neu macht der Frühling

Stand: 20.03.2025 10:34 Uhr

Am Wochenende kehrt mit Mailand-Sanremo ein weiteres Monument in den Frauenradsport zurück. Doch nicht nur das ist in dieser Saison neu. Veränderte Teamstrukturen sollen die Professionalisierung weiter vorantreiben.

Ein Blick auf die Startliste lässt schnell erkennen, welche Bedeutung das Rennen am Samstag hat. All die großen Namen des Radsports sind da: die Tour-de-France-Siegerinnen Demi Vollering und Kasia Niewiadoma, Sprintstars wie Lotte Kopecky und Marianne Vos ebenso wie Deutschlands beste Radsportlerin, Liane Lippert. Die Liste könnte noch endlos weitergeführt werden.

Sie alle werden bei der Neuauflage von Mailand-Sanremo am Start stehen, womit nach der Flandern-Rundfahrt, Lüttich-Bastogne-Lüttich und Paris-Roubaix ein weiteres Monument des Männerradsports seinen Weg in den Rennkalender der Frauen geschafft hat. Zuletzt wurde Mailand-Sanremo vor zwanzig Jahren ausgetragen, damals gewann die Deutsche Trixi Worrack. "Es ist eine Ehre, das Rennen fahren zu dürfen", so Clara Koppenburg gegenüber der Sportschau. "Aber es wird auch hart, weil natürlich jede als Erste dieses Rennen gewinnen will."

Pro Teams nun auch im Frauenradsport

Koppenburg wird mit ihrem Team Cofidis an dem Frühjahrsklassiker teilnehmen. Noch im vergangenen Jahr hatte das französische Team den Status eines Continental Teams inne. Nun sind sie zu einem Pro Team aufgestiegen. Diese Kategorie ist neu und wurde von dem Radsportweltverband UCI erst zu dieser Saison eingeführt. Damit gibt es in der Women’s World Tour, der höchsten Rennserie im Frauenradsport, jetzt drei Profi-Ebenen: Die erstklassigen World Teams, die zweitklassigen Pro Teams sowie schließlich die Continental Teams. Dieser Schritt, der eigentlich erst für 2026 geplant war, soll laut der UCI die Professionalisierung des Frauenradsports vorantreiben.

Und tatsächlich unterliegen die neuen Pro Teams strengen Regeln. So müssen sie ihren Fahrerinnen ein Mindestgehalt von 20.000 Euro zahlen, eine bestimmte Anzahl von Vollzeitmitarbeitern sowie finanzielle Garantien und eine adäquate Versicherung vorweisen. Dafür qualifizieren sich die besten zwei Pro Teams der Saison automatisch für alle Rennen der Women’s World Tour im nächsten Jahr. Denn einen festen Startplatz haben bisher nur die 15 World Teams. Aber selbst diese können sich nicht sicher sein, denn die Lizenzen werden im nächsten Jahr neu vergeben. Und die Pro Teams sitzen ihnen dicht im Nacken.

Generell eine positive Entwicklung

Die Einführung der Pro Teams, die es im Männerradsport schon seit vielen Jahren gibt, nimmt Grace Brown als positive Entwicklung war. "Generell gesehen, ist das eine gute Sache, weil es höhere Anforderungen an die Teams stellt, die den World-Team-Status knapp verfehlen", so die Präsidentin der Fahrerinnen-Gewerkschaft The Cyclist Alliance TCA. "Die Fahrerinnen dort erhalten zudem mehr Möglichkeiten, an den World-Tour-Rennen teilzunehmen als dies bei den Continental Teams der Fall wäre, was wiederum eine größere Aufmerksamkeit und somit bessere Sponsoring-Aussichten nach sich zieht."

Doch während die World und Pro Teams verpflichtet sind, sich an die strengen Regularien der UCI zu halten, sind die Continental Teams den jeweiligen nationalen Verbänden ihres Landes unterstellt. Das heißt, oftmals muss eben kein Mindestgehalt gezahlt werden, die finanzielle Situation ist bei vielen Teams häufig ebenfalls unsicher. Zudem sei laut Brown die Gefahr, in Vergessenheit zu geraten, groß. "Die Continental Teams werden weniger Gelegenheiten haben, an den großen Rennen teilzunehmen und von Sponsoren gesehen zu werden", gibt die Zeitfahr-Olympiasiegerin von Paris zu Bedenken.

Brown nimmt die UCI in die Pflicht

Die Schere zwischen den World-Tour-Fahrerinnen und denen der Continental Teams könnte deshalb noch größer werden als sie bisher sowieso schon ist. So ergab eine jährlich von der TCA durchgeführte Umfrage, dass im vergangenen Jahr 27 Prozent der Fahrerinnen, die nicht in World Teams angestellt waren, keinen Lohn erhielten. Doppelt so viele verdienten unter 10.000 Euro im Jahr. Um die Bedingungen für alle zu verbessern, nimmt Brown die UCI in die Pflicht. "Es ist zugegebenermaßen ein komplexes Problem, aber es wäre ein Schritt in die richtige Richtung, wenn die UCI für die Continental Teams ähnliche Regeln einführen würde."

Dennoch sieht die Australierin auch die Fortschritte, die der Frauenradsport in den vergangenen zehn Jahren gemacht hat. Dazu gehört neben der Einführung von Mindestgehältern, Mutterschutz und Krankenversicherung auch das gestiegene Leistungsniveau des Pelotons. Vorbei sind die Zeiten, als eine Fahrerin das Renngeschehen dominierte. "Das Interesse an unserem Sport ist immens gewachsen und es fließt viel Geld mehr hinein", meint Brown, die ihre eigene Karriere 2024 beendete. "Deshalb sollten wir, auch wenn es immer noch viel zu tun gibt, die bis jetzt erreichten Erfolge feiern."

Start in Genua anstatt Mailand

Feierliche Stimmung dürfte auch am Samstag herrschen. Allerdings nicht in Mailand, wo die Männer ihr Rennen starten, sondern in Genua. Denn die Frauen fahren nur einen Teil des Klassikers – 156 anstatt 289 Kilometer. Für Koppenburg, die bei der letztjährigen Tour de France Femmes als Co-Kommentatorin für die ARD im Einsatz war, sei dies aber kein Eingeständnis von Schwäche. "Dadurch, dass unsere Rennen kürzer sind, wird von der ersten bis letzten Sekunde komplett hart gefahren, wodurch es nie an Spannung fehlt", so die 29-Jährige. "Wir müssen uns da nicht mit den Männern vergleichen."

Sie freue sich besonders auf die vielen Zuschauer an der Strecke, denn die letzten Anstiege sind die gleichen, die auch die Männer später am Tag fahren werden. Außerdem rechne sie mit einem sehr aktiven und harten Rennen. "Das wird ein großes Feuerwerk im Finale geben, wenn die Bergspezialistinnen und Sprinterinnen um den Sieg kämpfen werden", ist sich Koppenburg sicher. Und dann steht auch fest, wer sich zwanzig Jahre nach Trixi Worrack zur Siegerin von Mailand-Sanremo krönen darf.