Demi Vollering, Weltklasse-Radfahrerin aus den Niederlanden

Niederländerin hat große Ziele Demi Vollering - Neuanfang in Frankreich

Stand: 12.02.2025 08:37 Uhr

Demi Vollering, die beste Radfahrerin der Gegenwart, erlebte bei SD Worx ein disharmonisches Jahr. Nun wechselt sie mit großen Zielen zu FDJ-Suez. Ein Team, das genauso ambitioniert ist wie Vollering.

Von Stephan Klemm

Die erste Konfrontation mit dem neuen Team war "ein bisschen gruselig für mich", sagt Demi Vollering, viele unbekannte Gesichter, und sie, die beste Radfahrerin der Gegenwart, wurde als Star dazugeholt, als Nummer eins. "Das ist nicht einfach, mit so einer Bürde in einen Raum zu gehen, wo sie alle auf dich warten", sagt die Niederländerin. Doch nach ein paar zwischenmenschlichen Annäherungen und vor allem nach den ersten Einheiten auf dem Rad sei alle Anspannung verflogen, nicht nur bei ihr, "auch bei meinem Team".

Große Ambitionen

Ihr Team, das ist nun die französische Mannschaft FDJ-Suez, für die sich Vollering nach einer wenig harmonischen Saison bei SD Worx entschieden hat. Mit großen Ambitionen, wie Vollering am Dienstag im Pariser Quartier von FDJ-Suez betont, kurz vor der Abreise zu ihrem ersten Einsatz in den neuen blauen Farben bei der Setmana Ciclista für Frauen in der Region Valencia, die am Donnerstag beginnt.

Die Niederländerin Demi Vollering im gelben Trikot

Die Niederländerin Demi Vollering im Gelben Trikot

Vollering sagt zu ihren Plänen: "Die Tour de France ein zweites Mal zu gewinnen, ist mein wichtigstes Vorhaben in dieser Saison. Aber es gibt auch noch andere Ziele." Das Ardennen-Triple etwa, die Wiederholung ihres Coups von 2023, als sie im April innerhalb einer Woche nacheinander das Amstel Gold Race, den Flèche Wallonne und Lüttich-Bastogne-Lüttich gewann. Und insgesamt 17 Rennen, darunter später auch die zweite Auflage der neuen Tour de France der Frauen, mit großem Vorsprung vor ihrer damaligen belgischen Teamkollegin Lotte Kopecky.

Unerwartete Konkurrenz beim Team SD Worx

Unter anderem Kopecky und die nicht klar definierte Rangordnung beim Top-Team SD Worx haben Vollering zu ihrem Wechsel zu den Franzosen von FDJ-Suez veranlasst. Kopecky habe ihr plötzlich mitgeteilt, dass sie sich in den Bergen verbessern wolle, erzählt Vollering - "damit wurde es schwer, denn wenn du zwei Fahrerinnen mit demselben Profil hast, musst du Kompromisse eingehen". Es blieb offen, wer die Rolle der Kapitänin für große Rundfahrten übernehmen würde.

Lotte Kopecky jubelt über ihren Sieg

Lotte Kopecky - Vollerings Konkurrentin beim Team SD Worx

"Das war ein Schlag ins Gesicht"

Außerdem erklärte Vollering Anfang 2024 teamintern, dass sie Stagnation spüre, dass ihr ein Plan für ihre Weiterentwicklung fehle. Sie sei daraufhin gefragt worden: "Warum ist es dir hier denn nicht gut genug?" Das Team reagierte prompt, und es kam zu einem Wendepunkt. Sportdirektor Danny Stam teilte der verblüfften Öffentlichkeit im vergangenen März unverhofft mit, dass Vollering SD Worx am Jahresende verlassen werde. "Das war ein Schlag ins Gesicht, denn ich hatte noch keine Entscheidung getroffen", sagt Vollering.

Zur schlechten Stimmung hinzu kam auch noch ein Umdenken bei Vollerings bisherigen Trainerin Anna van den Breggen. Die beiden arbeiteten harmonisch zusammen, die Top-Fahrerin Vollering profitierte von der Top-Perfomance-Managerin und Sport-Direktorin van der Breggen. Doch als die Niederländerin van der Breggen im Vorjahr erklärte, dass sie 2025 nach drei Jahren Pause ihr Comeback geben werde, war für Vollering klar, dass sich nun alles für sie ändern musste. Denn van der Breggen galt in ihrer aktiven Zeit als herausragende Siegfahrerin, sie gewann den Giro d‘Italia und die Spanien-Rundfahrt der Frauen, war Weltmeisterin und war in etlichen Klassikern erfolgreich. "Ich war frustriert und wütend über die Nachricht von Annas Rückkehr" sagt Vollering.

Ehemalige Trainerin wird zur Konkurrentin

Denn van der Breggen "wusste alles von mir als Athletin", kannte ihre Stärken und Schwächen und auch ihre psychische Konstitution: "Anna hat mir klar gemacht, dass auch ich alles über sie wisse, weil die Art und Weise wie sie mich trainiert auch die Art und Weise ist, wie sie selbst trainiert." Aber das gegenseitige Vertrauen war zerstört. Nach der Tour arbeitete Vollering schon mit Lieselot Decroix und Flavien Soenen zusammen, ihren neuem Coachteam bei FDJ-Suez. "Es hat sofort gepasst zwischen uns", sagt Vollering nun.

Rückschlag bei der Tour de France

Bei der Tour de France im August 2024, erlebte Vollering einen Rückschlag nach einem Sturz auf der fünften von acht Etappen. Sie verlor viel Zeit und das Gelbe Trikot. Auch in diesem Fall war die Teamstrategie eher chaotisch als durchdacht. "Aber so etwas passiert im Radsport", erzählt Vollering und klingt dabei versöhnlich. Sie hatte sich allerdings das Steißbein gebrochen, wie sich erst nach dem Rennen herausstellte. Und dennoch hatte sie auf der letzten Etappe, die hinauf führte nach Alpe d’Huez, fast ihren Rückstand von 1:15 Minuten auf die führende Polin Katarzyna Niewiadoma aufgeholt, es fehlten nur vier Sekunden zum Triumph. Tränen flossen bei beiden, vor Verzweiflung bei Vollering, vor Glück bei Niewiadoma.

Alles vergessen, sagt Vollering am Dienstag, 2025 soll alles besser werden, das gelte jetzt schon für die Harmonie in ihrem neuen Team. Klar ist auch, dass sie die Kapitänin ist. Und: "Ich spüre hier keinen Druck. Alle sind gelassen, ich auch." Nach vielen Gesprächen auch mit anderen Teams habe der Gesamteindruck, "die Liebe zur Arbeit am Detail" und "mein Herz" den Ausschlag für FDJ-Suez gegeben. "Ich hoffe, das wird auch bei unseren gemeinsamen Rennen deutlich", sagt Vollering.

Große Ziele mit FDJ-Suez

Teammanager Stephen Delcourt sagt, dass "wir in unserem Team mit Liebe an die Arbeit gehen und Träume verwirklichen wollen". Der Vertrag mit dem Sponsor läuft bis 2028 "und in dieser Zeit wollen wir alle großen Rennen gewinnen, die im Kalender stehen. Mit verschiedenen Fahrerinnen."

Dafür steht ihm ein sehr starker Kader zur Verfügung, "mit dem wir sehr viel erreichen können", wie Vollering sagt. Mit ihr kam die Französin Juliette Labous zu FDJ-Suez, die Neunte der Tour 2024. Sie verstärkt die Gruppe der starken Rundfahrerinnen, zu der auch noch die Französin Évita Muzic gehört, die die vergangene Tour auf Rang vier beendete. Sie alle geben zu erkennen, zwar eigene Ambitionen zu besitzen - "einen Etappensieg zum Beispiel", wie Muzic sagt -, doch letztlich die Position von Vollering als Chefin des Ensembles akzeptieren.

Klingt nach einer seltenen Übereinkunft in allen Bereichen. Und Vollering betont, was sie angesichts des Vertrauens, das ihr Team in sie setzt, zurückgeben möchte: "Mit einem französischen Team die Tour zu gewinnen, das wäre formidabel."