Nach Sportschau-Beitrag Antisemitismus - Berliner Fußballverband leitet Verfahren ein
Ein Fall von massivem Antisemitismus schlägt in Berlin weiter hohe Wellen. Nach einem Sportschau-Bericht leitet der Berliner Fußballverband ein Verfahren gegen den Klubvorsitzenden des CFC Hertha 06 ein. Auch strafrechtliche Ermittlungen laufen.
Der Berliner Fußball-Verband (BFV) zieht Konsequenzen aus einem Fall von massivem Antisemitismus. Gegen den Vereinschef des Charlottenburger FC Hertha 06, Ergün Cakir, werde es ein Sportgerichtsverfahren geben, kündigte der für das Ressort Recht zuständige Vizepräsident des BFV, Jan Schlüschen, an.
Antisemitische Vorfälle im November
Am Rande des A-Jugendspiels zwischen Hertha 06 und TuS Makkabi Berlin war es am 13. November 2022 zu schweren antisemitischen Vorfällen gekommen. Zwei Jugendspieler wurden daraufhin für zwei Jahre gesperrt, darunter Cakirs Sohn. In einem Bericht des WDR-Magazins Sport inside und der Sportschau über die Vorfälle hatte Cakir unter anderem gesagt: "Mein Sohn wird sein Leben lang die Juden hassen."
Gleich nach dem Bericht habe er Cakir angerufen, "in großer Besorgnis", und auch "um ihm Einhalt zu gebieten", sagte BFV-Vizepräsident Schlüschen nun der Sportschau. Unabhängig von dessen Entschuldigung werde es zu einem Sportgerichtsverfahren gegen den Vereinschef kommen. "Wir werden als BFV auch hier rechtliche Schritte einleiten müssen und wollen dies auch, weil das auch ein wichtiger Baustein ist, um eben im Kampf gegen Diskriminierung und Antisemitismus eben auch weiter fortzuschreiten."
Strafrechtliche Ermittlungen gegen Spieler
Auch die Politik und die Justiz in Berlin beschäftigt der Fall mittlerweile. Die Staatsanwaltschaft Berlin bestätigte auf WDR-Anfrage Ermittlungen gegen die beiden Spieler, die bei der Partie schlimmsten Judenhass gezeigt hatten. Laut einem Bericht der Zeitung "BZ" war es der Sprecher des Berliner Innensenats, Thilo Cablitz, der nach der WDR-Berichterstattung die Polizei informiert und um Einleitung eines Verfahrens gebeten hatte.
Schon unmittelbar nach dem Spiel im November seien jedoch bereits zwei Anzeigen gegen die Spieler eingegangen - hierbei gehe es um die Tatbestände der möglichen Volksverhetzung und das Verwenden von verfassungswidriger Symbolik (Paragraph 86a), erklärte die Polizei auf Nachfrage. Ob auch die Aussagen von Ergün Cakir in der WDR-Dokumentation strafrechtlich relevant seien, werde noch geprüft, teilte die Polizei weiter mit.
Vereinsvorsitzender entschuldigt sich
Für seine Aussagen in dem TV-Beitrag war Cakir bundesweit in die Kritik geraten. Er werde nun selbst massiv angefeindet, sagte der Bauunternehmer im Gespräch mit Sport inside: "Es gibt ständig Drohanrufe." Er fühle sich falsch verstanden und bedaure mittlerweile seine Aussagen: "Ich entschuldige mich für das, was geschehen ist", so Cakir, "das hätte nicht passieren dürfen auf einem Sportplatz. Ich entschuldige mich für meinen Verein, unsere Spieler - und als Vater eines Jungen, der sowas gemacht hat."
Cakir hob noch einmal hervor, wie multikulturell Hertha 06 sei: "Wir haben auch russische Juden im Verein." Jugendleiter Haldun Öztek erklärte, man plane auch noch eine versöhnliche Geste in Richtung der A-Jugend von Makkabi, die regelrecht vom Sportplatz hatte flüchten müssen. Man plane ein gemeinsames Essen beider Teams, außerdem möchte Cakir für das Projekt "Zusammen1" von Makkabi spenden, bei dem über Trainingseinheiten in Vereinen Vorurteile gegenüber jüdischer Kultur abgebaut werden sollen.
Makkabi Berlin bleibt skeptisch
Bei Makkabi Berlin stoßen diese Vorschläge allerdings auf Skepsis. "Das Angebot von Geld ist für mich schon eher zynisch. Weil man eben nicht versucht, das Problem zu lösen, dem Problem gar nicht auf den Grund zu gehen", sagte Ilja Gop, Sprecher des Vorstandes, der Sportschau. "Eine Entschuldigung ist immer willkommen, wenn man was falsch gemacht hat - aber sie muss aufrichtig sein. Und da haben wir Zweifel."
Auch ein gemeinsames Essen könne man den betroffenen Jugendspielern nach dem Erlebten "zum jetzigen Zeitpunkt nicht zumuten". Ihn irritiere, dass Cakir sowohl vor dem Sportgericht als auch noch in dem Sport-inside-Bericht wenig Verständnis für die Situation des TuS Makkabi aufgebracht habe.
"Wir werden sehen, ob es nachhaltig ehrlich gemeint ist, oder ob es ihm nur darum geht, dass sein Verein nicht so hart bestraft wird. Dann sehen wir weiter", sagte Gop. Er hätte sich gewünscht, dass Cakir schon früher auf die Makkabi-Verantwortlichen zugekommen wäre. Etwa am Rande des Punktspiels beider Männermannschaften in der Oberliga am letzten Januar-Wochenende - auf demselben Platz, auf dem das A-Jugendspiel eskaliert war.
Cakir zum Rücktritt bereit
Die stellvertretende Bezirksbürgermeister in Berlin-Charlottenburg, Heike Schmitt-Schmelz, hat unterdessen in einem Statement sogar bereits gefordert, der CFC Hertha 06 möge sich von seinem Vorsitzenden distanzieren: "Sollte dieser Vorfall im Verein keine Konsequenzen haben, lasse ich bereits Maßnahmen prüfen, die bis zum Entzug der Sportflächen und auch der öffentlichen Sportförderung gehen."
Dazu sagte Cakir nun der Sportschau, er denke ernsthaft über persönliche Konsequenzen nach. Er wolle seinem Verein, den er seit zwölf Jahren als Vorsitzender führt, keineswegs schaden. Er werde mit dem übrigen Vorstand darüber sprechen, "und wenn die der gleichen Meinung sind, dann werde ich auch zurücktreten".