
Prozess wegen möglichen Betrugs Blatter und Platini erneut vor Gericht - wofür zwei Millionen?
Bei einem Berufungsprozess in der Schweiz sind Joseph Blatter und Michel Platini angeklagt. Sie sollen betrogen und die FIFA geschädigt haben. Der Weltverband tritt als Nebenkläger auf, sein aktueller Präsident spielt aber möglicherweise auch noch eine andere Rolle.
Joseph Blatter wird dieses Mal persönlich erscheinen. So ist es jedenfalls geplant. Am Donnerstag war er noch per Videostream ins Landgericht Frankfurt am Main geschaltet worden, um zu sagen, dass auch er nicht wisse, wofür genau die ominösen 6,7 Millionen Euro bestimmt waren, die 2002 über Vermittlung und Beschaffung von Franz Beckenbauer beim skandalumwitterten Funktionär Mohamed bin Hammam in Katar landeten.
Einst sehr gute Freunde, nun spinnefeind
Bei einem Berufungsprozess in seiner Schweizer Heimat wird es ab Montag (03.03.2025) auch um eine längst geflossene Zahlung gehen, über deren Zweck es zwei Versionen gibt. Blatter wird als Angeklagter vor dem Gericht im Örtchen Muttenz bei Basel stehen, genau wie Michel Platini. Die beiden Beschuldigten sind sich inzwischen spinnefeind, waren aber mal sehr gute Freunde.
Platini, ehemaliger Weltklassefußballer und 1984 Europameister mit Frankreich, stieg als Funktionär zum Präsidenten des europäischen Kontinentalverbandes UEFA auf. Er galt als aussichtsreicher Kandidat auf die Nachfolge von Blatter als Präsident des Weltverbandes FIFA, und zudem von seinem damaligen Freund auserwählt.
Dass er es nicht wurde, hat mit Blatter zu tun, der 2016 dann plötzlich doch lieber selbst weitermachen wollte und dadurch die Feindschaft mit Platini heraufbeschwor, aber auch mit der Zahlung, um die es ab Montag geht.
Zahlung mit erheblicher Verspätung
Am 1. Februar 2011 flossen exakt zwei Millionen Schweizer Franken (damals etwa 1,9 Millionen Euro) von einem Konto der FIFA auf ein Konto von Michel Platini.
Das Geld sei ein mit erheblicher Verzögerung gezahltes Beraterhonorar für Platini gewesen. Er habe zwar für seine Tätigkeit an Blatters Seite von 1998 bis 2002 bereits jeweils 300.000 Schweizer Franken jährlich bekommen. Eine schriftliche Vereinbarung über die Vergütung existiert.
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Michel Platini nach dem Freispruch im Juli 2022
Lediglich mündlich sei hingegen zwischen den beiden damaligen Freunden vereinbart worden, dass es einen Nachschlag gebe, wenn die FIFA besser bei Kasse sei.
Interessant ist bei diesem Punkt eine Aussage von Blatter vor dem Landgericht in Frankfurt. Während seiner Zeugenvernehmung sagte er, die FIFA habe dem Organisationskomitee der WM 2006 im Jahr 2002 einen "Kredit" über 250 Millionen Schweizer Franken gewährt. Andere Zeugen und Verfahrensbeteiligte sprachen von einem "Zuschuss". Die Frage bleibt: Wie passt das mit knapper Kasse zusammen?
FIFA zahlt auch Sozialversicherungsabgaben
Platini hielt jedenfalls das Jahr 2011 für geeignet, die Nachforderung zu stellen. Laut Anklageschrift reichte er am 17. Januar eine Rechnung ein, die einen Tag später von Blatter gegengezeichnet und zwei Wochen später beglichen worden sei. Die FIFA zahlte auch die etwa 230.000 Schweizer Franken Sozialversicherungsabgaben.
Die Anklage schreibt, dass Platini weder darauf noch auf das Honorar einen Anspruch gehabt habe, und Blatter sei sich dessen bewusst gewesen. "Ihr einziges Bestreben lag darin, den Betrag von CHF 2'000'000.00 in das Vermögen Platinis überführen zu lassen", heißt es wörtlich. Der schwerwiegendste Vorwurf daher: Betrug.
Jegliche Hinweise auf mögliche Korruption fehlen in der Anklage
Korruption steht somit im Raum, allerdings fehlen in der Anklage jegliche Hinweise, für welche Gegenleistungen Platini die zwei Millionen bekommen haben soll.
Dem Bundesstrafgericht in Bellinzona fehlten diese Belege ebenfalls. Es sprach Blatter und Platini am 8. Juli 2022 frei - im Zweifel für die Angeklagten.
Urteil für 25. März erwartet
Sowohl die Schweizer Bundesanwaltschaft als auch die FIFA als möglicherweise finanziell Geschädigte gingen in Berufung. So kommt es ab Montag zu einem Prozess, in dem schon am 25. März das Urteil gesprochen werden soll. Blatter, der am 10. März 89 Jahre alt wird, sagte: "Ich erwarte nichts anderes als die Bestätigung des Freispruchs des Bundesstrafgerichts."
Außerordentliche Berufungskammer per Los bestimmt
Dass das Verfahren in dem kleinen Ort Muttenz und nicht vor der Berufungskammer in Bellinzona verhandelt wird, hat mit einem Antrag Platinis zu tun. Der Franzose beschwerte sich, dass Olivier Thormann als Präsident der Berufungskammer befangen sein könnte. Seiner Beschwerde wurde stattgeben, da Thormann - als er noch Staatsanwalt war - das Verfahren gegen die beiden Fussballfunktionäre eröffnet hatte.
Per Los wurde danach eine außerordentliche Berufungskammer bestimmt, und da der Vorsitzende Richter aus dem Kanton Baselland stammt, wird nun dort verhandelt.
Seit Jahren offene Fragen abseits der Anklagevorwürfe
Wie beim "Sommermärchen"-Prozess in Frankfurt, bei dem es um Steuerhinterziehung ging, wird es auch in Muttenz um Fragen gehen, die seit Jahren offen sind. Bei Blatter und Platini geht es darum, woher die Bundesanwaltschaft von der Zahlung Wind bekam, die die Angeklagten als sauberes "Gentlemen’s agreement" bezeichnen.
Infantino profitiert vom Bekanntwerden der Zahlung
Nachdem das nachträgliche Geschäft bekannt wurde, ging es auffällig schnell mit den Ermittlungen, die zur Sperre von Blatter und Platini führten. Zum Präsidenten der FIFA wurde daher 2016 Gianni Infantino gewählt, der zuvor als Generalsekretär der UEFA eine kleinere Nummer im Weltfußball war und in der Abstimmung im Februar 2016 gegen den bahrainischen Scheich Salman bin Ibrahim Al Chalifa als Außenseiter galt.
Gegen Infantino wurde seit 2019 ermittelt, unter anderem wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und Verletzung des Amtsgeheimnisses.
Nicht protokollierte Treffen mit Bundesanwälten
Vorangegangen waren drei nicht protokollierte Treffen des Schweizer FIFA-Präsidenten mit Schweizer Bundesanwälten. Das Verfahren wurde 2023 eingestellt, weil sich der Verdacht nicht habe erhärten lassen.
Infantino jubelte, das sei ein Sieg "für die Gerechtigkeit" und die "neue FIFA", die "heute eine saubere, sehr gut geführte und solide Organisation" sei, die "gemäß den höchsten ethischen und Governance-Standards operiert".