Bundestrainer in der Kritik Was gegen Hansi Flick spricht - und was für ihn
Ein Jahr vor dem Start der Heim-EM hat Deutschland eine Trainerdiskussion. Hansi Flick hat vermeidbare Fehler gemacht - und dürfte dennoch Bundestrainer bleiben.
"Es ist in die Hose gegangen." Das ist Hansi Flicks Einsicht nach den drei niederschmetternden Fußball-Testspielen gegen die Ukraine (3:3), Polen (0:1) und Kolumbien (0:2). "Was wir ausprobiert haben, hat nicht funktioniert."
Der Bundestrainer meint damit vor allem die Fünferkette, mit der er in alle drei Spiele gestartet ist. Flicks Erkenntnis kommt spät, denn schon nach dem Ukraine-Spiel war offensichtlich, dass die Abwehr in dieser Formation wackelt und die Offensive lahmt. Die Spieler fremdeln mit dem System, in dem die Außenverteidiger auch für die Offensive enorm wichtig sind - und gerade an dieser Stelle fehlt es an Profis mit internationaler Klasse.
Mannschaft zusätzlich verunsichert
Indem Flick das System trotzdem stur durchzog, verunsicherte er seine ohnehin schwächelnde Mannschaft zusätzlich, verstärkt durch die konfuse Wechselei an anderen Stellen. Kaum jemand spielte zweimal auf der gleichen Position, die Konstellationen waren immer neu und werden so wohl auch nicht mehr wiederkommen.
Derart zu experimentieren, funktioniert nur mit einem stabilen Gerüst. Der Nationalelf fehlt genau dieses seit Monaten, wenn nicht seit Jahren. Unumstrittene Stammspieler? Vielleicht Innenverteidiger Antonio Rüdiger und der aktuelle Kapitän Joshua Kimmich. Doch selbst Kimmich ist geschwächt, Flick strich ihn gegen Kolumbien aus der Startelf.
Von wegen unbesiegbar
Mit all seinen Experimenten reduzierte der Bundestrainer fahrlässig die Chance auf das, was am dringendsten nötig war: Erfolge. Statt Selbstvertrauen zu tanken, verspielte das DFB-Team weiter seinen Nimbus. Die deutsche Nationalmannschaft galt jahrzehntelang als kaum bezwingbar. Unter Flick setzte es nun in neun Monaten Niederlagen gegen Ungarn, Japan, Belgien, Polen und Kolumbien.
Die Fehlerliste ist also lang, der Trend geht eher abwärts und Flick ist geschwächt. Sein Weg, den er wie angekündigt "kompromisslos" gegangen ist, führte ins Chaos.
Flick gelobt Besserung und erhält Rückendeckung
Und dennoch dürfte Flick seine Stelle als Bundestrainer behalten. Ein Grund: Er spricht die Fehler an und gelobt Besserung. "Wir versuchen, einen Stamm von zehn, zwölf, 14 Spielern zu benennen. Damit jeder weiß, auf welcher Position er spielt, wer ist die Nummer eins, wer die Nummer zwei. Das gibt vielleicht mehr Selbstvertrauen. Wir versuchen, es im September besser zu machen."
Rückendeckung erhält Flick von DFB-Präsident Bernd Neuendorf. "Er selbst, aber auch die Spieler, sind sehr selbstkritisch. Der Bundestrainer hat mir versichert, dass wir im September eine Mannschaft sehen werden, die anders auftritt als zuletzt", sagte Neuendorf der "Bild". Einen Krisengipfel zur Trainerfrage werde es nicht geben.
Flicks Einsicht kommt spät, aber die Zeit bis zur Heim-EM im Juni 2024 ist noch ausreichend für eine Wende. Euphorie lässt sich im fußballbegeisterten Deutschland auch kurzfristig noch entfachen. Noch wichtiger als die Arbeit des Bundestrainers ist ohnehin der Liga-Alltag. Derzeit ist besonders die Bayern-Fraktion verunsichert, das hat die drei jüngsten Länderspiele überschattet. Eine erfolgreiche FCB-Saison unter Thomas Tuchel würde enorm helfen.
Flick genießt noch Rückhalt
Zudem scheint Flicks Rückhalt im Team noch stabil, sein guter Draht auch zu namhaften und launenhaften Spielern gilt als seine große Qualität. Zwar äußerten Spieler Kritik an der Fünferketten-Taktik, aber Flick hat stets den Experimentier-Charakter betont und nun ja offenbar auch ein Einsehen. Seine Glaubwürdigkeit dürfte darunter also kaum leiden.
Hinzu kommt: Der DFB ist aktuell knapp bei Kasse und naheliegende Nachfolger stehen nicht bereit. Das sind zwar wenig schmeichelhafte Argumente für ein Festhalten an Flick, aber gewichtige.