Entscheidung am Montag Ein Investor für die DFL? Die Argumente, die Opposition, die Aussichten
Am Montag stimmen die 36 Klubs der Bundesliga und 2. Bundesliga darüber ab, ob die DFL eine Partnerschaft mit einem Investor eingehen soll. Es gibt viele Argumente dafür und dagegen - die Abstimmung wird erneut zur Zerreißprobe.
Worüber wird bei der DFL abgestimmt?
Die Mitglieder der Deutschen Fußball Liga (DFL), also die 36 Klubs der Bundesliga und der 2. Bundesliga, treffen sich am 11. Dezember in Frankfurt am Main. Dort sollen die Klubs darüber abstimmen, ob die beiden DFL-Geschäftsführer Marc Lenz und Steffen Merkel über eine "strategische Vermarktungspartnerschaft" mit einem Investor verhandeln dürfen. Das DFL-Präsidium dürfte danach das Geschäft abschließen.
Für den Einstieg eines Investors ist bei der Abstimmung eine Zwei-Drittel-Mehrheit von mindestens 24 Ja-Stimmen unter den 36 Klubs nötig.
Was ist anders als bei dem geplatzten Deal im Mai?
Die DFL veränderte mehrere Eckpunkte, um nach dem geplatzten Deal im Mai Kritiker umzustimmen: Dem neuen Modell zufolge geht kaum noch Geld in das Tagesgeschäft der Klubs für Spieler und Berater. Das war ein entscheidender Punkt für einige Gegner, da im Mai ein großer Teil des Geldes ähnlich dem Verteilungsschlüssel des Fernsehgeldes an die Vereine verteilt werden sollte, also zugunsten der großen Klubs. Das aktuelle Modell kommt zudem von einer berufenen Geschäftsführung und nicht mehr von einem interimsweise geführten Gremium.
Die Rahmenbedingungen lauten im Vergleich zum Mai:
- Etwa eine Milliarde Euro soll vom Investor kommen (statt zwei Milliarden Euro im Mai).
- Rund acht Prozent der Einnahmen aus den Erlösen der Vermarktungsrechte sollen im Gegenzug an den Investor gehen (statt 12,5 Prozent im Mai). Die Vermarktungsrechte sollen in einer noch zu gründenden Tochterfirma der DFL mit dem Namen "MediaCo" gebündelt werden.
- Die Laufzeit der Zusammenarbeit und auch der Zahlungen an den Investor beträgt 20 Jahre - das war auch im Mai so vorgesehen.
Was soll bei einem Abschluss mit dem Geld des Investors passieren?
Sollte es zu einem Investoreneinstieg kommen, soll die Milliarde nach Informationen der Sportschau wie folgt genutzt werden:
- 600 Millionen Euro sollen in die Digitalisierung, Internationalisierung und Vermarktung gesteckt werden. 164 Millionen sind nach Informationen der Sportschau für die Etablierung und den Betrieb einer eigenen Videoplattform geplant. Der Rest des Geldes soll beispielsweise dafür genutzt werden, um Dokumentationen im Netflix-Stil zu drehen oder die Liga international besser zu vermarkten.
- 100 Millionen Euro sollen für die Förderung von Auslandsreisen der Klubs genutzt werden, um die Liga im Ausland bekannter zu machen.
- 300 Millionen Euro sind vier Jahre lang für Ausgleichszahlungen an die Klubs vorgesehen. Denn durch die Abtretung von acht Prozent der Einnahmen entsteht sonst eine Lücke bei den Einnahmen der Klubs.
Worum dreht sich die Diskussion?
Die DFL will sich weiterentwickeln und sich dabei digitaler, jugendlicher und internationaler aufstellen. Es herrscht unter den Klubs weitgehend Konsens darüber, dass das sinnvoll ist, um die Bundesliga konkurrenzfähig zu halten.
Nicht einig sind sich die Klubs und die DFL bei der Frage, wie die dafür notwendigen Investitionen bezahlt werden sollen, was zu der Grundsatzfrage führt: Investor - ja oder nein?
Marc Lenz (l.) und Steffen Merkel, die beiden Geschäftsführer der DFL
Warum will die DFL den Investoren-Einstieg?
Die Geschäftsführer der DFL, Marc Lenz und Steffen Merkel, halten den Einstieg eines Investors für wirtschaftlich sinnvoll. Sie betonen, dass es nicht um einen Verkauf von Anteilen geht, sondern nur um eine auf 20 Jahre begrenzte Beteiligung an den Einnahmen. Der Vorteil aus ihrer Sicht: Der Investor sei auch an Risiken wie sinkenden Einnahmen beteiligt. Ein Partner könne Wissen und Kontakte mitbringen, wenn es um die Weiterentwicklung der Vermarktung geht.
Die Hoffnung der Befürworter ist, dass es gemeinsam mit dem Investor gelingt, die Einnahmen der DFL aus der Vermarktung so zu steigern, damit der Investor und die DFL gemeinsam profitieren. Die DFL schreibt voraussichtlich im zweiten Quartal 2024 die Medienrechte für die vier Saisons 2025/26 bis 2028/29 aus und will vorher einen Abschluss mit einem Investor vollzogen haben.
Wer ist dafür?
Bislang sagen 16 Klubs öffentlich ja zum Investoreneinstieg: Der FC Bayern München, RB Leipzig, die TSG Hoffenheim, Bayer Leverkusen, der 1. FC Heidenheim, der VfL Wolfsburg, Borussia Dortmund, Werder Bremen, Eintracht Frankfurt, Borussia Mönchengladbach, VfB Stuttgart, der VfL Bochum, der SC Paderborn, Hannover 96, die SpVgg Greuther Fürth und der FC Schalke 04 kündigten in Interviews, eigenen Mitteilungen oder in einer Umfrage des "Kicker" jeweils ihre Zustimmung an.
"Wir müssen bessere digitale Infrastrukturen schaffen und wir müssen uns deutlich sichtbarer machen im internationalen Wettbewerb", erklärte Bayern Münchens Vorstandsvorsitzender Jan-Christian Dreesen auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Bochums Geschäftsführer Ilja Kaenzig sagte im Deutschlandfunk: "Wir wissen, wo wir Schwächen haben. Konkrete Felder, konkrete Zahlen, konkrete Projekte, die fehlen. Es ist wirklich so, dass die Mittel fehlen, um das anzugehen. Nichts anderes."
Bayern Münchens Vorstandschef Jan-Christian Dreesen
Ob Hannover 96 tatsächlich zustimmen wird, ist seit Sonntag (10.12.2023) aber fraglich. Der Mutterverein der ausgegliederten KGaA forderte Geschäftsführer Martin Kind auf, mit "Nein" zu stimmen. Der e.V. ist der Ansicht, dass er aufgrund der 50+1-Regel Kind diese Anweisung geben dürfe und dieser sie umzusetzen habe.
Wer ist dagegen?
Mit dem SC Freiburg und dem 1. FC Köln haben bislang zwei der 36 Klubs aus der Bundesliga und der 2. Bundesliga öffentlich den Deal abgelehnt. Oke Göttlich, Präsident des FC St. Pauli, will nach eigenen Angaben nach einem entsprechenden Votum der Mitglieder des Vereins das Vorhaben ablehnen. Mit dem VfL Osnabrück kündigte ein Zweitligist zudem an, sich zu enthalten.
Osnabrück kritisierte, dass der Zeitplan der DFL "eine ausführliche Teilhabe von Mitgliedern und Fans quasi verhindert", was gegen das Selbstverständnis des VfL verstoße. Der Klub verwies außerdem darauf, dass von der erhofften Steigerung der Auslandsvermarktung vor allem die großen Klubs profitieren würden, was zu Lasten Osnabrücks und vieler anderer kleiner Klubs gehen könnte.
Die Bremer Brücke, das Stadion des VfL Osnabrück
Über St. Pauli hinaus gab es bei weiteren Klubs Mitgliederversammlungen, bei denen entsprechende Abstimmungen stattgefunden haben. Bei Fortuna Düsseldorf, dem FC Augsburg und beim 1. FC Magdeburg sprachen sich die Mitglieder mehrheitlich gegen den Abschluss eines Geschäfts der DFL mit einem Investor aus. Das Votum der Mitglieder ist zwar nicht bindend für die Klub-Vertreter, stellt aber zumindest einen Auftrag dar.
Union Berlins Präsident Dirk Zingler forderte laut "Kicker" eine Verschiebung der Abstimmung. Die Konditionen hätten sich im Vergleich zum Mai verschlechtert: Eine Milliarde Euro für acht Prozent Beteiligung ist pro Prozentpunkt weniger als zwei Milliarden Euro für 12,5 Prozent, wie es im Mai geplant war. Daher sei es "der falsche Zeitpunkt", so Union. Zudem kritisierte Union, dass es kein Geld für die Vereine geben soll. Diese Investitionen habe man für richtig gehalten.
Warum gibt es Gegenstimmen?
Der Investor soll aus der Private-Equity-Branche kommen. Private-Equity-Unternehmen sind private Beteiligungsgesellschaften. Diese sammeln Geld bei Anlegern ein, um zu investieren - und haben dabei in der Regel Renditeerwartungen im zweistelligen Prozentbereich. "Der deutsche Fußball mit seiner Historie und seiner Verankerung in der Gesellschaft und der Ansatz eines Private-Equity-Unternehmens passen kulturell nicht zusammen", sagte Eckhard Sauren, Vizepräsident des 1. FC Köln, im Gespräch mit der Sportschau.
Neben Köln positionierte sich auch der SC Freiburg gegen den Einstieg eines Investors. Beide Klubs haben wirtschaftliche Argumente: Im Kern geht es um die 600 Millionen Euro für die Finanzierung der Video-Plattform und anderer Maßnahmen zur Digitalisierung und Internationalisierung. Köln und Freiburg sagen, dass dieses Geld generiert werden könnte, ohne dass die Klubs acht Prozent ihrer Einnahmen auf 20 Jahre verpfänden müssen.
Gegen einen Investor: Eckhard Sauren, Vizepräsident des 1. FC Köln
Welche Alternativen zum Investor gibt es?
Die erste Alternative ist die sogenannte Binnenfinanzierung: Die nötigen Maßnahmen sollen bei dieser Idee aus den eigenen Mitteln der Klubs bezahlt werden. "Sofern Investitionen aus eigener Kraft gestemmt werden können, ist dies der Beteiligung eines Dritten immer vorzuziehen", schrieb der SC Freiburg seinen Mitgliedern. Auch Köln sprach sich dafür aus. Eine Rechnung: 600 Millionen Euro würden über fünf Jahre auf 36 Klubs verteilt theoretisch eine Belastung von durchschnittlich etwas mehr als drei Millionen Euro pro Saison und Klub ausmachen.
Das Problem: Selbst dieser Betrag würde manche Klubs angesichts ihrer finanziellen Lage vor Herausforderungen stellen. Aktuell zahlen die Klubs eine erhöhte Abgabe ihrer TV-Einnahmen von 7,75 Prozent an die DFL statt zuvor 6,25 Prozent. Um die neuen Maßnahmen im gewünschten Ausmaß zu bezahlen, müsste diese Abgabe möglicherweise weiter erhöht werden, wodurch den Klubs weniger Geld zur Verfügung stünde. Bei einem Investoreneinstieg gäbe es zumindest in den ersten Jahren die Ausgleichszahlungen, argumentiert die DFL. Eintracht Frankfurts Vorstandschef Axel Hellmann sagte im "Kicker": "Die sogenannte Binnenfinanzierung der Investitionen ist ein Mythos."
Die zweite Alternative wäre Fremdkapital, also die Aufnahme von Krediten: Befürworter von Fremdkapital sagen, dass es billiger sei, als Einnahmen zu verpfänden. In der DFL wird dagegen argumentiert, dass eine Vergemeinschaftung von Schulden vermieden werden soll - also dass einige Klubs für die Schulden anderer haften. Auch die steigenden Zinsen seien ein Gegenargument für Kredite.
Denkbar ist laut Kölns Vizepräsident Sauren aber auch, dass nur ein Teil des Geldes mit Krediten besorgt wird. Dafür könne man eine Mischform aus den beiden Alternativen umsetzen, um unabhängig von einem externen Geldgeber zu bleiben. Auch ein Verkauf des Namensrechts der Liga wäre möglich, das könnte Schätzungen zufolge 30 bis 50 Millionen Euro pro Saison einbringen.
Wie stehen die Chancen?
Eine Vorhersage über das Ergebnis der Abstimmung ist kaum möglich, beide Ausgänge wirken realistisch. "Bei einer Reihe von Clubs, die damals dagegen gestimmt haben, hat sich die Stimmung gedreht", sagte DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke den "Ruhr Nachrichten". Es gab aber auch Bewegung in die andere Richtung, so Watzke: "Ich kann das nicht verstehen."
Falls er kommt: Was darf der Investor, was darf er nicht?
Die beiden DFL-Geschäftsführer Lenz und Merkel betonen immer wieder "rote Linien": Der Investor solle keinen Einfluss auf die Gestaltung des Spielplans haben, er könne nicht gegen den Willen der Klubs Spiele ins Ausland verlegen oder Playoffs in der Bundesliga einführen. All dies bleibe in den Händen der Klubs und der DFL, sagt die Geschäftsführung.
Einige Vetorechte gäbe es aber für den Investor. Beispielsweise dann, wenn die DFL die Zusammenarbeit einseitig aufkündigen wollen würde. Zudem könnte der Investor die Abberufung des "kommerziell Verantwortlichen" verlangen, wenn die DFL deutlich hinter den Erwartungen bei den Einnahmen zurückbleiben sollte. Ein Investor würde wohl versuchen, in den Verhandlungen mit der DFL möglichst viel Einfluss sicherzustellen. Das Handelsblatt zitierte den Deutschlandchef einer Private-Equity-Firma, die an der Auktion teilnehmen will. Er sagte demzufolge: "Mitspracherechte sind für die Finanzinvestoren das A und O."
Was sagen die organisierten Fanszenen?
Von den organisierten Fanszenen kommt wie im Mai deutliche Kritik an einer fortschreitenden Kommerzialisierung. In vielen Kurven von der Bundesliga bis zur 3. Liga waren in den vergangenen Wochen ablehnende Plakate zu sehen. Vor allem am Spieltag vor der Abstimmung gab es zahlreiche Protestplakate.
Gladbacher Fans halten "Nein"-Zettel zu Investoren in der DFL hoch
"Zukunft Profifußball", ein Bündnis mehrerer Fan-Organisationen, beschreibt die von der DFL betonte Begrenzung der Mitbestimmungsrechten des Investors als nicht überzeugend. Der Investor werde "bei ausbleibendem Wachstum direkt und indirekt versuchen, Einfluss zu nehmen. Private-Equity-Investoren wollen Wachstum um jeden Preis." Auch die "Fanszenen Deutschlands" schreiben: "Die Mechanismen eines Investoreneinstiegs werden vermeintliche 'rote Linien' schon bald verschieben, ohne dass es dafür Stimmrechtsmehrheiten des Investors bedarf."
Die Interessenvertretung "Unsere Kurve" kritisierte, dass das Modell vor allem das obere Drittel der Klubs stärke. "In Verbindung mit der ohnehin schon ungerechten Verteilung der TV-Gelder entwickeln sich geringe Mehreinnahmen am Ende zu immer größerer Wettbewerbsverzerrung", sagte der Vorsitzende Jost Peter der Deutschen Presse-Agentur.
Was passiert, wenn der Deal nicht zustande kommt?
Beim Scheitern des Deals im Mai zeigte sich der Verbund der 36 Klubs gespalten und zerstritten. Der damalige DFL-Interimsgeschäftsführer Hellmann sprach von einer "Niederlage für die Zentralvermarktung". DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke (Borussia Dortmund) sagte, dass die größeren Klubs "sich nun Gedanken machen, wie es weitergeht". Die Drohung dahinter: ein Ende der Zentralvermarktung oder eine Abspaltung der Bundesliga von der 2. Bundesliga.
Aktuell formuliert Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro eine regelrechte Drohung an die Kritiker und verortet sie vornehmlich in der 2. Bundesliga. "Wenn am Ende 13 bis 15 Erstligaklubs dafür sind und die strategische Partnerschaft an der 2. Liga scheitert, müssen wir das zwar akzeptieren, aber dann müssen wir uns schon ernsthafte Gedanken über die künftige Governance der DFL machen", sagt Carro in der "FAZ". Sollte es an den Zweitligisten scheitern, müssen man sich die Frage stellen: "Kann das in dieser Form gemeinsam weitergehen?"
Für einen Investor: Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro.
Besonders eine Abspaltung wäre laut Sportrechtler Holger Jakob allerdings mit sehr hohen rechtlichen und organisatorischen Hürden verbunden. Auf die Abstimmung können die Aussagen aber Einfluss haben. Manche Klubvertreter sprechen davon, dass mit der Angst vor der Spaltung gearbeitet werde.