
Vorgetäuschte Verletzungen Wie Arminia Bielefeld die Regeln dehnt
Arminia Bielefelds Trainer hat eingeräumt, dass er seinen Torwart Verletzungen vortäuschen lässt, um Taktikbesprechungen zu ermöglichen. Viktoria Köln tobt, denn es widerspricht dem Geist der Regeln - mindestens.
"Das ist eine Schweinerei sowas", brüllte Viktoria Kölns Trainer Olaf Janßen auf dem Platz am Sportpark Köln-Höhenberg. In die Drangphase seiner Mannschaft beim Stand von 1:0 für Bielefeld hinein hatte sich Arminia-Torwart Jonas Kersken ohne einen erkennbaren Anlass auf den Boden gelegt und eine Behandlung eingefordert.
Die Bielefelder Spieler versammelten sich bei der Drittligapartie sofort bei Trainer Mitch Kniat zu einer taktischen Besprechung. "Der Torwart täuscht eine Verletzung vor, das ist unsportlich", sagte Janßen, der vom Schiedsrichter für seinen Protest fernab der Coachingzone mit einer Roten Karte bestraft wurde. "Das hat mich aufgeregt, weil ich dem Schiedsrichter vorher gesagt habe, dass das so kommt."

Olaf Janßen, Trainer von Viktoria Köln
Torwart Kersken hatte danach noch geleugnet, eine Verletzung vorgetäuscht zu haben. "Es ist eine lange Saison mit mehr als 40 Spielen, die ihre Spuren hinterlässt. Wenn dann Aktionen kommen, die kleine Verletzungen wieder aufmachen und schmerzhaft sind, dann lasse ich mich behandeln", sagte er bei "Magenta Sport". Sein Trainer Kniat klärte die Lage dagegen unverblümt auf: Sein Team gehe vollkommen absichtlich so vor.
Kniat: "… dann können wir auch die Grauzonen für uns nutzen"
Der Hintergrund: Wenn sich ein Feldspieler verletzt und behandelt werden will, muss er das Spielfeld verlassen, während die Partie weiterläuft. Bei einem Torhüter gilt das nicht, er wird auf dem Feld behandelt und das Spiel unterbrochen. Genau diese Regel nutzt Bielefeld aus, um Taktikbesprechungen am Spielfeldrand abhalten zu können. Bielefeld ist weder das erste noch das einzige Team im Fußball, das den Kniff nutzt.
"Das sind die Regeln. Man kann das als unsportlich titulieren", sagte Bielefelds Trainer Kniat bei der Pressekonferenz nach dem Spiel. Er ereiferte sich in der Folge über mehrere aus seiner Sicht ungerechte Regeln und schloss seinen Beitrag mit dem Worten: "Ich hab ein Wort von den Schiedsrichtern gelernt in den ganzen Jahren, in denen ich Trainer bin: Grauzone. Das wird immer benutzt, wenn der Schiri falsch liegt. Dann heißt es: 'Es ist eine Grauzone'. Beim Handspiel, das sind alles Grauzonen. Dann können wir auch die Grauzonen für uns nutzen."
Schon im März nach dem Spiel gegen Saarbrücken sagte Kniat der "Neuen Westfälischen" zufolge: "Das mit dem Torwart ist bei uns auch immer geplant. Kersken hat nichts, sondern wir wollen taktisch ein paar Änderungen vornehmen. Es gibt ein paar Kniffe, die die Jungs lernen müssen. Wenn du als Fußballer so schlecht warst wie ich, musst du dir was einfallen lassen. Was das angeht, war ich ganz weit vorne. Das kann ich den Jungs weitergeben."

Mitch Kniat an der Seitenlinie
Schiri-Sprecher: Unparteiische machtlos, Fehlverhalten nicht zu beweisen
Alex Feuerherdt, Sprecher der DFB Schiri GmbH, sieht die Schiedsrichter in dieser Frage weitgehend machtlos. "Man kann dem Torhüter grundsätzlich nichts beweisen", sagt Feuerherdt. "Und die anderen Spieler verhalten sich bei einer Taktikbesprechung ebenfalls regelkonform, wenn sie das Spielfeld nicht verlassen." Wenn sich im Nachhinein ein regelwidriges Verhalten ergebe, wäre dies Sache des DFB-Kontrollausschusses.

Alex Feuerherdt, Sprecher der DFB Schiri GmbH
Doch Kniat räumte nun öffentlich ein, dass sein Team mindestens gegen den Geist der Regel handelt. Wird nun der DFB-Kontrollausschuss Ermittlungen einleiten, um Arminia Bielefeld wegen dieses Verhaltens zu sanktionieren? Der DFB ist von der Sportschau zu dieser Angelegenheit angefragt.
Janßen: "Ist das im Sinne des Erfinders? Ich glaube nicht."
Viktoria Kölns Trainer Janßen bleibt mit der Situation unzufrieden. "Wir stellen uns vor, das macht jetzt jeder", sagte Janßen. "Und dann? Legt sich der Torwart dreimal hin und wir machen dreimal eine Besprechung? Ist das im Sinne des Erfinders? Ich glaube nicht."
Janßen befand sich schon mal andersrum in einer ähnlichen Situation: In der Saison 1990/91 spielte er beim 1. FC Köln. Sein damaliger Trainer Erich Rutemöller versuchte sich darin, eine Grauzone ebenfalls geschickt auszunutzen. Mit den Worten "Mach et" riet er Frank Ordenewitz im DFB-Pokalhalbfinale gegen den MSV Duisburg zu einer absichtlich provozierten Roten Karte.

Erich Rutemöller im Jahr 1991
Die Sperre hätte der Spieler den damals gültigen Regeln zufolge in der Liga absitzen können, um im Endspiel in Berlin spielberechtigt zu sein. Doch Rutemöller gab den Plan öffentlich zu. Das DFB-Sportgericht sperrte Ordenewitz für das Endspiel, das Köln im Elfmeterschießen gegen Werder Bremen verlor.