Lobby der Klubs Wie die ECA ihre Macht ausweitete
Keine Interessenvertretung im europäischen Fußball ist so mächtig wie die ECA - ihren Einfluss hat sie über Jahre ausgebaut.
Die European Club Association (ECA) wählt bei ihrer Generalversammlung in Berlin am Mittwoch (06.09.2023) und am Donnerstag große Teile ihres Vorstands neu. Die ECA hat über Jahre die Entwicklung des europäischen Fußballs geprägt und so für mehr Einfluss und mehr Einnahmen ihrer wichtigsten Mitglieder gesorgt.
Ex-UEFA-Vermarkter: Die Drohung Super League verschaffte großen Klubs ihre Vorteile
"Alles, was den großen Klubs in den vergangenen Jahren gegeben wurde, baut auf einem Thema auf: Super League", sagt William Martucci. Der 31-Jährige war früher für TEAM tätig, die Vermarktungsagentur der UEFA. Martucci verkaufte mit TEAM die TV-Rechte der Champions League an die Sender. Heute ist er Direktor der neuen Organisation Union of European Clubs (UEC), die mit einer Stimme für kleinere Klubs ein Gegengewicht zur ECA bilden will.
Der frühere UEFA-Vermarkter WIlliam Martucci
"Die größten Klubs haben stets mit der Super League gedroht", sagt Martucci. So habe sich die Macht der ECA aufgebaut. "Alle anderen Beteiligten wie Ligen, kleinere Klubs und auch die UEFA haben sich angesichts der Drohungen stets den Wünschen nach Veränderungen gebeugt." Und diese Veränderungen wirken langfristig.
Geld, Startplätze und Modus - ein Umbau im Sinne der Größten
Es ging dabei immer um drei Themen bei den Veränderungen im Europapokal: die Verteilung der Startplätze, der Modus und die Verteilung des Geldes. In allen drei Bereichen hat es in den vergangenen Jahren Umbaumaßnahmen gegeben:
- Startplätze: Die vier großen Ligen aus Spanien, England, Deutschland und Italien haben seit 2018 vier feste Plätze in der Champions League, vorher waren es drei, früher mal zwei oder nur einer. Nutznießer sind die absoluten Spitzenklubs, für die das Risiko kleiner wird, die Champions League zu verpassen. Bayern München beispielsweise schloss zuletzt 1994/95 eine Saison unterhalb von Platz vier ab.
- Geldverteilung: Ebenfalls ab 2018 wurde in der Champions League eine Zehn-Jahres-Wertung eingeführt. 30 Prozent des Geldes in der Champions League wird seitdem auf der Grundlage von zehn Jahre alten Leistungen verteilt, wovon dauerhaft erfolgreiche Klubs besonders profitieren. Die Konsequenz daraus war in der Saison 2021/22 beispielhaft zu beobachten: Paris Saint-Germain schied im Achtelfinale der Champions League aus und bekam dafür 92 Millionen Euro von der UEFA. der FC Villarreal erreichte das Halbfinale, erhielt aber nur 78 Millionen Euro.
- Modus: Die Reform ab 2024 wird die Einnahmen der UEFA und damit auch die der Klubs massiv erhöhen. Die UEFA erhofft sich einen Sprung von 3,5 auf erwartete 4,4 Milliarden Euro pro Saison. Geld, von dem durch die Verteilung vor allem die Großen profitieren. Zum Vergleich: Bei Gründung der ECA 2008 nahm die UEFA noch 869 Millionen Euro pro Saison mit dem Europapokal ein.
Stete Qualifikation, gesicherte Geldflüsse - die Maßnahmen sichern die Klubs gegen sportliche Risiken ab und sorgen für unternehmerische Sicherheit. "Es geht seit 30 Jahren immer in dieselbe Richtung", kritisiert Martucci. "Das Ziel war es stets, den Europapokal finanziell lukrativer zu machen, aber eben vor allem für die größten Klubs."
Proteste gegen die ECA von der organisierten Fanszene des FC Bayern
Leidtragende sind kleine Klubs und nationale Ligen
Der europäische Fußball spürt die Folgen davon bis in die nationalen Ligen. "Die Geldverteilung befeuert die finanziellen Unterschiede im europäischen Fußball", sagte Jacco Swart der Sportschau im März. Swart ist Geschäftsführer der European Leagues, einem Zusammenschluss nationaler Ligen in Europa. Auch die Deutsche Fußball-Liga (DFL) ist dort vertreten. "Diese Klubs verwenden dieses Geld dann, um in Spieler auch für die nationalen Wettbewerbe zu investieren. Es ist ein Schneeballeffekt, diese Klubs werden immer größer. Das verzerrt die nationalen Wettbewerbe", so Swart.
Jacco Swart, Geschäftsführer der European Leagues
In der Bundesliga macht sich das so bemerkbar: In der Saison 2020/21 bekam der VfL Bochum 32 Millionen Euro von der DFL, der FC Bayern München 88 Millionen. Aus der Champions League kamen 110 Millionen Euro obendrauf, dazu gibt es große Unterschiede bei den Einnahmen aus Ticketverkäufen, Fan-Artikeln, Transfererlösen oder Sponsoring. Diese Dimension in den Unterschieden bei den Einnahmen gibt es jedes Jahr, sie ließ die Lücke zwischen den Großen und dem Rest so anwachsen, dass sie kaum noch zu schließen ist. Die Folge sind Serienmeister wie der FC Bayern in Deutschland. Ein verengter Titelkampf auf einen oder wenige Klubs ist längst ein europäisches Phänomen geworden.
Saison 2021/22: Geldverteilung im Vergleich zwischen dem VfL Bochum und Bayern München
"Die nationalen Ligen werden immer vorhersehbarer, was auch ihren kommerziellen Wert verringert", sagte Swart. Die Vereinigung der Ligen fordert deshalb mehr Geld von der UEFA für Klubs, die nicht am Europapokal teilnehmen. Bislang sind es vier Prozent der Gesamteinnahmen. Doch das ist zu wenig, um Unterschiede wirklich zu verkleinern. Nun gibt es kleine Zugeständnisse: Die Zahlungen für nicht teilnehmende Klubs steigen dabei auf sieben Prozent. Zudem wurde die Bedeutung des Zehn-Jahres-Koeffizienten zumindest reduziert.
Der Kampf um das TV-Geld - die Wettbewerbe kannibalisieren sich
Schwer umkämpft ist der Markt um das Geld der Fernsehsender und Streamingdienste. Die UEFA wird den neuen Europapokal ab 2024 deutlich teurer verkaufen als bisher, die FIFA bietet bald mit der 32 Teams starken Klub-WM ein teures wie wertvolles Übertragungsrecht an. Dieses Geld wird wiederum vor allem an die großen Klubs verteilt und es wird den TV-Sendern fehlen, um es in nationale Wettbewerbe wie die Bundesliga oder den DFB-Pokal zu stecken - es ist eine Kannibalisierung der Wettbewerbe.
Die UEFA blockierte im Machtkampf mit der FIFA einige Vorhaben von FIFA-Präsident Gianni Infantino erfolgreich. Die vergrößerte Klub-WM, bei der auch zwölf europäische Spitzenteams mitspielen, trug sie jedoch mit, denn Europas wichtigste Klubs profitieren davon finanziell. Die ECA, die von der UEFA finanziert wird, suchte zuletzt betont auch die Nähe zur FIFA und unterzeichnete wie bei der UEFA ein Grundsatzabkommen mit dem Weltverband. Erlebte die ECA 2021 noch ihre größte Krise, als bei der Gründung der Super League 2021 zwölf ihrer Mitglieder den gemeinsamen Tisch verließen, ist ihre Bedeutung wieder so groß wie zuvor.
Der ECA-Vorsitzende Nasser Al-Khelaifi (l.) und FIFA-Präsident Gianni Infantino bei der Unterzeichnung ihrer Grundsatzvereinbarung
ECA-Chef Al-Khelaifi - Kritik an Interessenkonflikten
Nasser Al-Khelaifi, der Präsident von Paris Saint-Germain, stand der UEFA und Präsident Aleksander Ceferin in der Super-League-Krise bei. So stieg er zum ECA-Vorsitzenden mit Sitz im UEFA-Exekutivkomitee auf. Zudem ist er Mitglied im Verwaltungsrat der UEFA-Tochtergesellschaft "UEFA Club Competitions S.A.", die die TV-Rechte der Champions League verkauft.
ECA-Chef Al-Khelaifi steht immer wieder in der Kritik wegen möglicher Interessenkonflikte, weil er auch Geschäftsführer des katarischen Sportsenders "beIN Sports" ist, der bei der UEFA TV-Rechte kauft. "Er hat viele Hüte auf", sagte Spaniens Ligachef Javier Tebas 2022, seit Jahren eine Art Intimfeind Al-Khelaifis. "Es gibt zu viele Interessenkonflikte - und das darf nicht sein."
ECA wehrt sich: "Wir als Elite töten den Fußball? Was für ein Unsinn!"
Die Argumente der großen Klubs gehen allerdings über Drohungen gegen die Super League hinaus. Sie sagen auch: Die großen Marken unter den Klubs treiben das weltweite Interesse an den Spielen in Europa an und sorgen damit auch für die Einnahmen, von denen am Ende alle Klubs profitieren. ECA-Geschäftsführer Charlie Marshall wehrt sich gegen das häufig gezeichnete Bild seiner Organisation. "Die ECA wird als eine bösartige Elite dargestellt, die den Fußball tötet. Was für ein Unsinn", schrieb er in einem Gastbeitrag für die britische Zeitung "Guardian".
Der ECA-Geschäftsführer Charlie Marshall
Mit Blick auf die Organisation Union of European Clubs fügte er hinzu, dass sich einige ziemlich große Klubs nun als "klein" verkaufen würden, um sich als Opfer einer "sogenannten Elite" darstellen zu können. Die ECA beschreibt sich selbst als "offen und demokratisch". Zuletzt öffnete sich die ECA für zahlreiche kleinere Klubs, die nun "Netzwerk-Mitglieder" ohne Stimmrecht werden können. Marshall verwies zudem darauf, dass Klubs wie HJK Helsinki, Young Boys Bern oder Legia Warschau im ECA-Vorstand vertreten sind.
Doch der Zugang auf die Entscheidungsebene bleibt einem kleinen Kreis vorbehalten. Im Vorstand der ECA kommt die Hälfte der Mitglieder aus den wichtigsten sechs Ligen Europas. Vollwertige und stimmberechtigte Mitglieder der ECA können zudem nur Klubs werden, die dauerhaft europäisch erfolgreich sind. Über die künftige Geldverteilung im Europapokal hat die ECA auch diesmal maßgeblich mit entschieden - sie wird den europäischen Fußball weiter prägen.