Abstimmung über DFL-Investor Leverkusens Carro droht Zweitligisten mit Abspaltung
Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro baut vor der Abstimmung über einen Investorendeal eine Drohkulisse für Zweitligisten auf - die Abspaltung. Aber schon rechtlich wäre das sehr schwierig.
Am Montag (11.12.2023) stimmen die 36 Klubs bei einer Vollversammlung der Deutschen Fußball Liga (DFL) über den Einstieg eines Investors ab. Um den beiden Geschäftsführern das Mandat zu Verhandlungen und Abschluss zu erteilen, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich, also 24 Ja-Stimmen.
Die Chancen, dass die Mehrheit zustandekommt, schätzt ein hochrangiger Vertreter eines Bundesligisten auf "50:50" ein, ein Funktionär eines Zweitligisten ist im vertraulichen Gespräch mit der Sportschau "ziemlich sicher, dass es erneut scheitern wird", ein anderer geht "fest davon aus, dass es dieses Mal klappen wird".
Im Mai 2023 platzte der Deal bei 20 Ja- und elf Nein-Stimmen bei fünf Enthaltungen.
Carro fragt: Kann es nach Ablehnung "gemeinsam weitergehen?"
Damals wie heute befürwortet Bayer Leverkusen den Einstieg eines Investors, den die DFL "strategischen Vermarktungspartner" nennt. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Ausgabe 08.12.2023) sagt Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro, dass ein abgeschlossener Deal "natürlich" die Stellung der Bundesliga im Vergleich zu anderen europäischen Ligen stärken werde: "Für die internationale Positionierung wäre das ein Zeichen der Stärke und des Fortschritts."
Aber auch aus Carros Interview klingen Zweifel, ob eine nötige Mehrheit gefunden wird. "Ich bin wirklich gespannt, weil schwer zu sagen ist, was dort passieren wird", so Carro mit Blick auf die Abstimmung am Montag in Frankfurt am Main.
Er glaubt, dass es unter den Bundesligaklubs trotz der angekündigten Nein-Stimmen des SC Freiburg und des 1. FC Köln eine Zwei-Dittel-Mehrheit geben werde. Sollte es an den Zweitligisten scheitern, droht Carro denen: "Kann das in dieser Form gemeinsam weitergehen?"
Experte hält Abspaltung für rechtlich schwierig
Wie im Mai wird wieder die Drohkulisse einer Abspaltung aufgebaut, die bei näherer Betrachtung aber schon juristisch schwierig sein dürfte. "Die Satzungen von DFL und DFB sehen die Möglichkeit einer Abspaltung gar nicht vor", sagte Holger Jakob, Fachanwalt für Sportrecht, der Sportschau. "Selbstverständlich können Satzungen auch geändert werden oder Gesellschafter die Mitgliedschaft kündigen, aber daran ist auch immer die Lizenz geknüpft, also die Erlaubnis, in Bundesliga und 2. Liga zu spielen."
Auch praktisch dürfte es kaum möglich sein, eine Mehrheit für eine solche Abspaltung zu finden, da viele Bundesligisten realistisch davon ausgehen müssen, zumindest mittelfristig abzusteigen. Wirtschaflich müssten die Zweitligisten fürchten, eigenständig beziehungsweise unter dem Dach des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) deutlich weniger Geld einzunehmen. Derzeit wird das Geld der DFL zu 80 Prozent an die Bundesligisten verteilt.
Weitere Drohung: Veränderung von Machtverhältnissen
Eine andere Drohung von Carro ist in einem anderen Satz im Interview mit der FAZ enthalten. "Wenn am Ende 13 bis 15 Erstligaklubs dafür sind und die strategische Partnerschaft an der 2. Liga scheitert, müssen wir das zwar akzeptieren, aber dann müssen wir uns schon ernsthafte Gedanken über die künftige Governance der DFL machen", sagt Leverkusens Geschäftsführer.
Governance beschreibt im Wirtschaftssprech die Unternehmensführung, also etwa auch die Zusammensetzung von Gremien. Wichtigstes Gremium der DFL, in dem auch über die Verteilung der Einnahmen entschieden wird, ist das Präsidium. Darin sitzen aktuell außer den beiden Geschäftsführern Marc Lenz und Steffen Merkel vier Vertreter von Bundesligisten und drei von Zweitligisten. Die 2. Liga ist kraft der Satzung so vertreten, dass gegen sie keine wichtigen Entscheidungen getroffen werden können, schon gar keine Satzungsänderungen.
Dennoch gibt es Mittel, mit denen die Zweitligisten abgeschreckt werden können. So wurde auch schon im Mai mit dem Ende der Zentralvermarktung gedroht. DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke sagte vor allem in seiner Funktion als Geschäftsführer von Borussia Dortmund nach der verlorenen Abstimmung, mit "Solidarität muss mir jetzt keiner mehr kommen".