Investoren-Deal in der Ligue 1 Frankreichs Liga nach der Rettung zurück in der Krise
Die Ligue 1 ging 2022 in finanzieller Not einen Handel mit einem Investor ein. Die Verantwortlichen feierten "die Rettung des französischen Fußballs", doch nun kommt die Finanzkrise möglicherweise mit Wucht zurück.
Im April 2022 hatten die Probleme des französischen Fußballs ein Ende - das war zumindest das Versprechen der Verantwortlichen der Ligue de Football Professionel (LFP), ein mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) vergleichbarer Ligaverband in Frankreich. Damals übernahm der Investor CVC aus Luxemburg 13 Prozent der Anteile einer neu gegründeten Tochtergesellschaft, die die Liga seitdem vor allem bei den TV-Rechten vermarktet.
1,5 Milliarden Euro stellte CVC der Liga und ihren Klubs bereit, seitdem stehen dem Investor im Gegenzug dauerhaft 13 Prozent der Erlöse aus der Vermarktung der Liga zu. Frankreichs Profifußball argumentierte mit finanziellen Zwängen für das Geschäft, fast alle Klubs hatten Verluste angehäuft. Drei Probleme standen im Mittelpunkt:
- Die Coronavirus-Pandemie hatte die Einnahmen der Klubs verringert. Frankreichs Liga war die einzige der großen Ligen, die die Saison 2019/20 abbrach.
- Der TV-Vertrag der Liga mit dem Dienst Mediapro platzte nach Ausbruch der Pandemie 2020 spektakulär, die Einnahmen aus den Medienrechten sanken fast um ein Viertel.
- Die Liga musste früher oder später Coronahilfen in Höhe von 170 Millionen Euro an den Staat zurückzahlen.
"Der französische Fußball ist gerettet", sagte LFP-Präsident Vincent Labrune beim Vertragsabschluss mit Investor CVC. Rund anderthalb Jahre später aber zeigt sich: Es gibt einige Haken.
Vincent Labrude, Präsident des französischen Ligaverbands LFP
Klubs müssen an CVC nachzahlen, aber höhere Einnahmen sind nicht in Sicht
Denn im Sommer 2024 enden die aktuellen Medienverträge der LFP, derzeit läuft die Vergabe der Rechte ab der Saison 2024/25 bis einschließlich 2028/29. Die LFP bekommt dabei zu spüren, dass der Markt einem Verteilungskampf gleicht. Die Rechte der UEFA Champions League, der neuen Klub-WM der FIFA mit 32 Teams, aber auch der Bundesliga oder der übermächtigen Premier League sind ab 2024 oder 2025 offen, alle buhlen um dasselbe Geld der Sender und Streamingdienste.
Die LFP hatte sich eine Steigerung ihrer Gesamteinnahmen bei den Medienrechten auf rund eine Milliarde Euro erhofft. Doch die Gebote bei der aktuellen Rechtevergabe waren von der angestrebten Summe so weit entfernt, dass die LFP die Auktion abbrach und nun mit den Sendern einzeln verhandeln muss, was ein eher schlechteres Ergebnis in Aussicht stellt. Investor CVC galt mit seiner Erfahrung bei der Vermarktung im Fußball, aber auch im Rugby oder in der Formel 1 eigentlich als Hoffnungsträger für eine Steigerung der Einnahmen.
Saison | Inland | Ausland |
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2019/20 | 738 Mio. | 80 Mio. |
2020/21 | 572 Mio. | 80 Mio. |
2021/22 | 580 Mio. | 80 Mio. |
2022/23 | 580 Mio. | 80 Mio. |
2023/24 | 580 Mio. | 80 Mio. |
Hinzu kommt ein weiteres Problem: Einem Bericht der Sporttageszeitung L'Équipe zufolge forderte CVC in den beiden ersten Saisons 2022/23 und 2023/24 seine 13 Prozent der Erlöse mit Blick auf die Situation der Klubs nicht unmittelbar ein. Dieses Geld muss nun aber neben den 13 Prozent für die Saison 2024/25 und alle folgenden Spielzeiten in Raten nachgezahlt werden. Wenn der LFP keine signifikante Steigerung der Einnahmen ab 2024/25 gelingt, bekommen die Klubs also künftig möglicherweise weniger Geld als zuvor ohne Investor. Und danach sieht es derzeit aus, was immer lauter zum Thema gemacht wird.
Zwei Mikrofone während der Übertragung eines Spiels in der Ligue 1
Marseilles Ex-Präsident: Die Klubs müssen "ein Leben lang zahlen"
Der frühere Präsident von Olympique Marseille, Christophe Bouchet, schrieb ein Buch über den Deal zwischen LFP und CVC. Er kritisiert den Ligapräsidenten Labrune, der mit dem Investoreneinstieg sein Gehalt auf 1,2 Millionen Euro pro Jahr hochgeschraubt und einen Bonus von CVC in Höhe von drei Millionen Euro erhalten haben soll. "Die Klubs haben das Geld von CVC im Voraus ausgegeben", sagte Bouchet beim Sender RMC und wies auf den dauerhaften Verkauf der Anteile durch die LFP hin: "Jetzt müssen sie ein Leben lang 13 Prozent der Erlöse an CVC zahlen. Ein Leben lang!" Die Folgen seien "katastrophal" für Frankreichs Fußball. Die LFP kommentierte lediglich, dass man sich "den Inhalt des Buchs ansehen" werde.
Christophe Bouchet, früherer Präsident von Olympique Marseille
Marseilles Ex-Präsident Bouchet behauptet außerdem, dass die Krise der Liga benutzt worden sei, um den Deal durchzubringen. "Die Klubs wären nicht bankrott gegangen", sagte Bouchet. "Aber die Klubs behaupteten, sie würden alle bankrott gehen und dass es dann Chaos geben werde." Die so erzeugte Stimmung habe die nötige Änderung der Rahmenbedingungen erst ermöglicht.
Gemeint ist eine Anpassung im "Code du Sport", dem Sportgesetz in Frankreich. Die Gründung einer kommerziellen Tochtergesellschaft und der Verkauf von Anteilen daran war bis dahin gesetzlich nicht möglich. Im Angesicht der angedeuteten kollektiven Pleite zahlreicher Erstligisten stimmte die Politik der Änderung des Gesetzes zu. Über die Auswirkungen der Entscheidung und mögliche Alternativen gab es aber kaum eine Debatte. Die LFP bedankte sich ausdrücklich bei Staatspräsident Emmanuel Macron.
200 Millionen für PSG - 1,5 Millionen für die Aufsteiger
Ein böses Erwachen gibt es im unteren Bereich der Tabelle. Denn die Verteilung des Geldes von CVC sah vor, dass Paris Saint-Germain 200 Millionen Euro bekommt. Olympique Marseille und Olympique Lyon erhielten je 90 Millionen, es folgten OGC Nizza, Stade Rennes, Lille OSC und AS Monaco mit je 80 Millionen. Die restlichen Klubs bekamen je 33 Millionen Euro. Für die Aufsteiger sind nur 1,5 Millionen Euro vorgesehen, also 0,75 Prozent des Anteils von Paris. Aufsteiger AC Le Havre kündigte in Person von Präsident Jean-Michel Roussier an, rechtliche Schritte einzuleiten.
Jean-Michel Roussier, Präsident von AC Le Havre
Mittlerweile greifen auch Fangruppen das Thema auf. In Le Havre brannten Fans im Spiel am Freitag (20.10.2023) gegen Lens Feuerwerkskörper ab und zeigten dabei ein an die LFP gerichtetes Spruchband. "LFP: Vergesst eure Strafen für Pyro", stand dort, schließlich habe der Klub noch ausreichend "CVC-Guthaben" beim Verband.
Parallelen zur DFL? Es gibt einen entscheidenden Unterschied
Der Deal der französischen Liga erinnert an den geplatzten Investoren-Einstieg bei der DFL. Auch die DFL wollte eine Tochtergesellschaft gründen und 12,5 Prozent der Erlöse aus den Vermarktungsrechten für eine Einmalzahlung von zwei Milliarden Euro an einen Investor abgeben, auch bei der DFL galt CVC als Favorit auf den Zuschlag. Doch im Vergleich zu Frankreich gibt es mindestens einen entscheidenden Unterschied: Das Vorhaben der DFL sah eine zeitliche Begrenzung vor, nach 20 Jahren wären die Rechte an den Ligaverband zurückgegangen. Zudem wäre der Investor bei der DFL nur an den Einnahmen beteiligt gewesen - ein dauerhafter Verkauf von Anteilen wie in Frankreich war dagegen nicht vorgesehen.
Der mögliche Einstieg eines Investors wie CVC bei der DFL fand im Mai 2023 keine ausreichende Mehrheit bei einer entsprechenden Abstimmung in der Mitgliederversammlung der 36 Klubs aus der Bundesliga und der 2. Bundesliga. Es gab Diskussionen über die Transparenz beim Prozess, die Prüfung von Alternativen, die Gerechtigkeit bei der Verteilung des Geldes unter den Klubs sowie die mögliche Einflussnahme eines Investors. Die Sportschau hatte ein in den Plänen verankertes Vetorecht des Investors bei bestimmten Entscheidungen aufgedeckt. Die DFL erklärte damals auf Anfrage nicht, worauf sich dieses Vetorecht genau bezogen hätte.
Mittlerweile arbeitet die DFL-Spitze an einem neuen Vorschlag, der weniger Geld beim Einstieg eines Investors vorsieht. Der Ansatz sieht eine stärkere strategische Ausrichtung in Sachen Digitalisierung und Internationalisierung der Liga vor und weniger wie im abgelehnten Vorhaben die Mitfinanzierung des Tagesgeschäfts der Klubs.