Geheimpapier der DFL Vetorecht für DFL-Investor und Modellrechnungen
Ein geheimes Dokument der DFL zeigt, dass dem potenziellen Investor ein Vetorecht bei "besonders wichtigen Geschäften" eingeräumt werden soll. Zudem wird in dem Papier vorgerechnet, welche Mehrerlöse sich die Liga von dem Deal verspricht.
Für Mittwoch (24.05.2023) ist eine außerordentliche Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga (DFL) angesetzt. In Frankfurt am Main sollen die 36 Klubs der Bundesliga und 2. Liga grundsätzlich darüber entscheiden, ob die Liga einen Investor ins Boot holt.
Etwa zwei Milliarden Euro erhofft sich die DFL von dem Deal. Nach Informationen der Sportschau soll der Investor das Geld nicht auf einen Schlag zahlen, sondern in Tranchen über vermutlich fünf Jahre gestreckt.
"Reserve" ein brisanter Punkt
Von dem Geld will die Liga zum Wohl aller Klubs in den kommenden Jahren 750 Millionen Euro investieren, vor allem, um digital besser aufgestellt zu sein und sich international besser zu vermarkten. Die Summe enthält allerdings eine Reserve von 175 Millionen Euro, die als "Rücklage Stabilität und/oder Investitionen" dient.
Das geht aus einem Dokument hervor, zu dem unter strengen Sicherheitsregeln nur wenige Menschen pro Verein Zugang haben. Das geheime Papier liegt der Sportschau vor. Es enthält viele Informationen, die inzwischen öffentlich bekannt sind und von der DFL auch kommuniziert wurden.
Allerdings stecken in dem Dokument auch brisante Passagen, die bei den ohnehin schon sehr kritischen Fanszenen und auch den skeptischen Klubs für Diskussionen sorgen dürften. Dazu gehört die "Reserve", denn dass sie eventuell in "Stabilität" fließen könnte, heißt, dass sie den Klubs dann zur freien Verfügung stünde, also auch in Spieler investiert werden könnte.
Ein anderer brisanter Punkt in dem Dokument ist bei der Frage zu finden, welche Rechte dem möglichen Investor zugestanden werden sollen. An einer Stelle heißt es vage "limitierte Rechte", an anderer Stelle wird klar, dass der Investor ein Vetorecht erhalten soll, und zwar bei "besonders wichtigen Geschäften" einer noch zu gründenden Tochterfirma der DFL, die im Zentrum des Modells steht. Über die "MediaCo GmbH & KGaA" sollen vor allem die Medienrechte verkauft werden. An diesen Erlösen soll der Investor über 20 Jahre mit jeweils 12,5 Prozent beteiligt werden.
Auf Fragen der Sportschau, unter anderem, was unter "besonders wichtigen Geschäften" zu verstehen sei, gab es keine offizielle Antwort der DFL.
Kleinster gemeinsamer Nenner
Wie das geheime Dokument zeigt, sind die Bedingungen "12,5 Prozent über 20 Jahre" schon der kleinste gemeinsame Nenner, der im laufenden Prozess gefunden wurde. Der "anvisierte Zielkorridor" liegt bei einer Laufzeit von 25 und 30 Jahren bei einer Beteiligung von bis zu 15 Prozent.
Axel Hellmann von Eintracht Frankfurt, einer der beiden Geschäftsführer der DFL, hätte lieber 30 Jahre gehabt. Oliver Leki vom SC Freiburg, der andere Geschäftsführer, gilt als ranghöchster Befürworter des gefundenen Kompromisses.
Bei einer Medienrunde am 4. Mai sagte Hellmann, dass er in zehn Jahren mit einem jährlichen Umsatz der DFL von etwa 2,5 Milliarden Euro rechne. Diese Zahl dürfte aus den Berechnungen stammen, die im brisanten Papier "Zentrale Leitplanken zur Finanzierung der Weiterentwicklung" zu finden sind.
Modellrechnungen für den "base case" und den Fall eines Investoreneinstiegs
Danach erwartet die DFL für die Spielzeit 2031/32 einen Umsatz von 2,672 Milliarden Euro. Das gilt allerdings für den "growth case", also den Wachstumsfall. Diesen "growth case" berechnete die DFL unter der Annahme, dass ein Investor ins Boot geholt wird, der die Anschubfinanzierung leistet und dann auch durch "Einbringen von Expertise und Netzwerke" für eine signifikante Erlössteigerung sorgt.
Der dokumentierte "base case" geht davon aus, dass kein Investor dazukommt und alles weitestgehend so fortgeführt wird, wie es derzeit läuft. Für diesen Fall erwartet die Liga für die Saison 2031/32 einen Umsatz von lediglich 1,779 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Umsatz in der laufenden Saison, der mit 1,392 Milliarden Euro angegeben ist, wäre das eine Wachstumsrate von 2,8 Prozent. Im "growth case" wird die Rate mit 7,5 Prozent berechnet.
Wie öffentlich schon länger bekannt, glaubt die Liga, dass sie besonders bei der internationalen Vermarktung der Medienrechte wachsen kann. In dem geheimen Papier rechnet sie auf diesem Feld im "growth case" mit Einnahmen von 482 Millionen Euro, im "base case" mit 353 Millionen. Aktuell nimmt die Liga durch die internationale Vermarktung 175 Millionen Euro ein.
Weitaus höher sind die Einnahmen durch den Verkauf der Medienrechte auf dem heimischen Markt. Aktuell betragen sie 1,116 Milliarden Euro. Im "base case" werden für die Saison 31/32 nur 1,285 Milliarden angenommen, im "growth case" allerdings 1,64 Milliarden. Das Steigerungspotenzial sieht die DFL laut des Papiers unter anderem durch die "Rechteausgestaltung". Wie das konkrekt aussehen könnte, ist nicht bekannt.
St. Pauli will Abstimmung verhindern
Weil auch bei Klubs viele Fragen offen sind, möchte der FC St. Pauli Zeit gewinnen. Der Zweitligist will am Mittwoch einen Antrag einbringen mit dem Ziel, die Abstimmung zu verschieben. Er brauche noch mehr Zeit, wolle von Expertinnen und Experten den geplanten Deal prüfen lassen, sagte St. Paulis Präsident Oke Göttlich, der auch im Präsidium der DFL sitzt. Außerdem brauche er noch mehr Informationen von der Liga, diese seien bislang zu spärlich geflossen. Knackpunkte etwa: die erwähnte Einflussnahme des Investors und die Verteilung des Geldes.
Sollten die Klubs St. Paulis Antrag ablehnen und sich mit mindestens einer Zweidrittel-Mehrheit (24 Stimmen) dafür entscheiden, den Investorenprozess fortzuführen, werden nach Angaben von Axel Hellmann noch mindestens sechs Wochen vergehen, bis bei einer weiteren Mitgliederversammlung darüber abgestimmt wird, welcher Investor zum Zug kommt. Aktuell sind noch drei Bewerber im Rennen, allesamt Private-Equity-Gesellschaften, also Beteiligungsgesellschaften.
Vier Bewerber im Rennen
Nach Informationen der Sportschau gab es zwischen der DFL und den Kandidaten noch keine direkten Verhandlungen. Diese würden erst nach einer positiven Grundsatzentscheidung aufgenommen. Einige Bedingungen stehen schon in dem Geheimpapier, etwa das "Akzeptieren einer limitierten Einflussnahme auf lediglich kommerzielle Entscheidungen" und: "Übernahme/Mittragen des Risikos einer ausbleibenden, positiven Geschäftsentwicklung der DFL."