
Nordische Ski-WM in Trondheim Para Rennen bei der WM: zwischen Barriere und Freiheit
Bei der Nordischen Ski-WM in Trondheim sind erstmals auch Para Wettbewerbe im Programm – das deutsche Team sieht es als Chance, trotz Barrieren und Zukunftssorgen.
Die großen Regentropfen legten sich auf Linn Kazmaiers Brille mit den lila-verspiegelten Gläsern und perlten nur langsam ab, darunter aber strahlt die 18-Jährige. "Es ist megacool. Dass ich hier rennen darf, das ist ein Privileg", sagt die Nürtingerin der Sportschau. Und das auch deshalb, weil Athletinnen wie Kazmaier im Para Sport solche Kulissen wie an diesem verregneten Tag in Trondheim gar nicht gewohnt sind. 10.000 Fans hatten Kazmaier und Co. zugejubelt, auf der riesigen Tribüne in ihren Regen-Capes Fähnchen geschwenkt und all die angefeuert, die erstmals bei einer Nordischen Ski-WM dabei sind.
"Es macht so Spaß, die ganzen Leute", verrät Kazmaier und grinst. "Als wir reingelaufen sind, habe ich schon gesagt: Das ist ja verrückt. Das war richtig schön." In Trondheim sind erstmals auch Para Sportlerinnen und Sportler am Start – die Wettbewerbe Teil des Kalenders und auch deshalb sprechen die Verantwortlichen von "ersten inklusiven WM" der Geschichte. "Es wurde auch Zeit", hatte Anja Wicker schon vor den Wettkämpfen gesagt. Und dann Geschichte geschrieben - mit ihrer Bronzemedaille in der sitzenden Klasse.
Zwischen Traum und Realität
"Sobald der Startschuss gefallen ist, war es, als würde jemand die Lautsprecher aufdrehen", sagt Wicker. "Nicht echt - so eine Kulisse habe ich seit über zehn Jahren nicht erlebt. Unglaublich. Gänsehaut." Die Fans auf der Tribüne, Norwegens Königspaar Harald und Sonja in ihren leuchtend roten Jacken in einer Art kleiner Loge - und dann noch eine Medaille, für die Stuttgarterin Wicker erfüllt sich in Trondheim ein Traum. "Es war so schön, wie ich es mir vorgestellt habe – und noch ein bisschen schöner."
Nicht alle aber tun sich mit der Selbstverständlichkeit so leicht, wie die Fans und Royals - so ist die sogenannte Mixed Zone auf einer Art Podest und damit für Menschen im Rollstuhl nicht zu erreichen. Bei der Flower Ceremony, einer ersten Ehrung im Stadion, gibt es ähnliche Probleme - da wurden die Medaillen-Gewinnerinnen und -Gewinner im Rollstuhl am Mittwoch plötzlich von Volunteers durch den Schnee geschoben. Die Szene wirkte, zumindest auf den Bildschirmen, unbeholfen, bisweilen übergriffig. Auch bei Shuttlebussen und den Wegen zum Essen gibt es Probleme mit der Barrierefreiheit.
WM als Chance und Aufklärung
Das deutsche Team aber sieht in der WM vor allem eine Chance – für mehr Sichtbarkeit zu sorgen und mehr Selbstverständlichkeit. "Es ist für uns eine mega Chance, den Para Sport etwas publiker zu machen", sagt Merle Menje. Die Mainzerin belegt im Sprint in Trondheim Rang vier. Dafür nehmen die Athletinnen auch in Kauf, dass die Rennen vor großer Kulisse manchmal sogar herausfordernder sind. Leonie Walter aus Freiburg etwa, braucht mit ihrem Guide auf der Strecke technischen Support, damit die Kommunikation funktioniert - mit Erfolg: Walter holt Bronze, kann sich gemeinsam mit Wicker feiern lassen.
Dass auch mit den Erfolgen die Sichtbarkeit - und die mediale Aufmerksamkeit steigt, wissen auch die Athletinnen. "Es ist sehr wichtig, weil der Para Sport einfach total unbekannt ist", so Kazmaier. "Das ist total schade, weil viele Menschen mit Behinderung denken: ‚Wenn ich eine Behinderung habe, dann kann ich nicht normal leben.‘ Es stimmt natürlich, dass es einfach Sachen gibt, die schwieriger sind – trotzdem kann man als Mensch mit Behinderung noch so viele Sachen machen."
Nächste WM ohne Para Rennen
Medaillen gewinnen zum Beispiel - oder auf der großen WM-Bühne glänzen. Das allerdings dürfte erst einmal eine Ausnahme bleiben: Denn für die Nordische Ski-WM im schwedischen Falun ist die Integration der Para Wettbewerbe aktuell nicht vorgesehen.
Dabei haben all jene, die in Trondheim an den Start gegangen sind, genau das geschafft, was sich viele gewünscht haben, auch Merle Menje: "Es ist schön, dass wir vielleicht und hoffentlich auch zeigen konnten, dass das möglich ist, dass man uns integrieren kann und dass wir genau so Sportler sein können, wie die Nicht-Behinderten." Jetzt müssen es die Verantwortlichen nur noch wollen.