
Ruderin bei Langlauf-WM Kathrin Marchands "dritte" Karriere im Schnee
Nur wenige Sportler nehmen an den Olympischen und den Paralympics teil. Kathrin Marchand startete als Ruderin zweimal bei den Olympischen Spielen und - nach einem Schlaganfall - auch bei den Paralympics in Paris. Jetzt hat sie ein neues Ziel: die Paralympischen Winterspiele.
Die Technik auf den schmalen Langlauf-Skiern ist aktuell die größte Herausforderung für Kathrin Marchand: "Das Schwierigste ist auf jeden Fall das Bergab-Fahren." Sie komme den Berg schneller hinauf als hinunter, habe auch schon ihr Trainer gesagt, wie sie auf Instagram erzählt.
Dort in den Sozialen Medien teilt die 34-Jährige ihren besonderen Weg mit ihren Followern und zeigt dabei viele Aufs und Abs. So zum Beispiel vom Halbfinale der Sprint-WM in Trondheim, wo sie kurz vor dem Ziel stürzte, und den Einzug ins Finale verpasste. Dennoch kann sie auf eine erfolgreiche erste Winter-Saison zurückblicken, in der sie viel gelernt habe, wie sie sagt.
Schlaganfall stellt Marchands Leben auf den Kopf
Ihre "erste" sportliche Karriere beginnt mit 14 Jahren, als Kathrin Marchand zum ersten Mal in einem Ruderboot sitzt. Im Vierer wird sie 2011 U23-Weltmeisterin, nimmt in den Jahren darauf an den Olympischen Spielen in London und Rio de Janeiro teil. Nach ihrem Karriereende lässt auch der berufliche Erfolg nicht lange auf sich warten. Sie beendet ihr Medizinstudium, arbeitet als Ärztin, unter anderem in der Notaufnahme.
Doch ihr Leben ändert sich abrupt, als sie während eines Online-Spinning-Kurses 2021 merkt, wie ihre linke Körperhälfte auf einmal taub wird und sie immer weniger sieht. "Eigentlich wusste ich direkt, was los ist. Als Ärztin kennt man das", erklärt sie, "aber bei sich selbst glaubt man das einfach nicht. […] Und dann habe ich nach einer Stunde den Rettungswagen gerufen und gesagt, dass da jetzt jemand kommen muss - weil ich wahrscheinlich einen Schlaganfall habe."
Die Ärzte bestätigen Marchands Verdacht, sie ist zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 30 Jahre alt. Seither ist ihr Sehvermögen eingeschränkt, ebenso wie ihre Koordination. Den Schicksalsschlag begreift die Kölnerin aber auch als Chance. Durch Zufall hört sie im Radio einen Beitrag über die Paralympics. Schon kurze Zeit später sitzt sie wieder im Ruderboot.
Tränen der Enttäuschung bei den Paralympics
Marchands "zweite" Karriere als Leistungssportlerin beginnt mit einer Bronzemedaille. Nur drei Tage nachdem feststeht, dass ihre Einschränkungen für die Klassifizierung im Para Rudern ausreichen, springt sie für eine erkrankte Sportlerin bei den Para-Europameisterschaften ein. Mit dem Mixed-Vierer rudert sie auf Platz drei.
Zwei Jahre später ist sie tatsächlich am Start bei den Paralympics in Paris. Doch statt Freude überwiegt am Ende die Enttäuschung. Als das deutsche Boot die Bronzemedaille um nur sechs Hundertstel verpasst, fließen Tränen. Ob sich für die Paralympics in vier Jahren noch einmal ein so starkes Team finden wird, ist ungewiss. Doch Marchands Karriere nimmt erneut eine erstaunliche Wendung.
Skilanglauf-Training auf Asphalt
Noch bei den Paralympics in Paris trifft sie zufällig auf Rainer Kiefer, der ihr vorschlägt, ihr Glück als Skilangläuferin zu probieren. Im deutschen Behindertensportverband ist Kiefer Projektleiter des "Exzellenzclusters Ausdauer". Dieses soll Para-Athleten unterstützen, sowohl im Sommer- als auch im Wintersport erfolgreich zu sein, unabhängig davon, aus welchem Bereich sie kommen. Eine Herausforderung, der sich Marchand stellen will.
Weil für die Kölnerin ein Umzug nicht in Frage kommt, startet Marchands "dritte" Karriere auf Rollerski. Ihre Runden dreht sie auf dem Asphalt um den Fühlinger See, wo sie normalerweise im Boot sitzt. Völlig fremd ist ihr die Sportart zwar nicht, auch als Ruderin absolvierte sie im Winter Ski-Trainingslager. Dazwischen liegen aber viele Jahre und ein Schlaganfall: "Die Technik zu lernen, wird im Alter nicht einfacher. Dazu kommt, dass ich durch den Schlaganfall eine Seheinschränkung habe, die mir auch nicht gerade hilft, da sicherer runterzufahren."
In den kommenden Monaten steht also Techniktraining ganz oben auf der Prioritätenliste. Ein erstes Ziel hat Marchand bereits erfüllt, denn bei den nationalen Ausscheidungen qualifizierte sie sich bereits in ihrer ersten Wintersport-Saison für den Weltcup und die Weltmeisterschaft - nach gerade einmal zwei Monaten auf Skiern. Für die kommende Saison steht das große Ziel aber fest. Für die Paralympics wolle sie sich unbedingt qualifizieren. Und dort? "Ich glaube, der Klassik-Sprint und die zehn Kilometer im klassischen Stil könnten mir liegen. Wäre schon cool, da vorne mit dabei zu sein.“