
Nordische Ski-WM in Trondheim Bilanz der Nordischen Ski-WM - Fest mit Folklore und einem Skandal
Mit der Nordischen Ski-WM geht in Trondheim am Sonntag ein Fest zu Ende, das Fans und furiose Erfolge geprägt haben. Der Skandal um manipulierte Anzüge des norwegischen Skispring-Teams aber sorgte für Frust.
Dass es am letzten Tag in Trondheim noch einmal regnete, die großen Tropfen sich am Granåsen-Stadion schließlich in Schneeflocken und die Wege in schlammige Untiefen verwandelten, war fast ein wenig sinnbildlich für diese Nordische Ski-WM. Denn nicht nur an einem der vergangenen zehn Tage war es ungemütlich, bisweilen schüttete es gar über Stunden in Strömen.
Der Laune der norwegischen Fans aber tat das keinen Abbruch – sie kamen, in Regencapes aus Plastik gehüllt, mit norwegischen Fähnchen und Brotdosen voller Snacks im Rucksack ins Stadion, feierten sich und die WM mit einer Grillparty an der Strecke, schafften kleine Kinder und große Felle als Sitzunterlage in den Wald. "So etwas habe ich noch nie erlebt", sagte Langläufer Florian Notz nach dem Rennen über 50 Kilometer am Samstag.
Fackeln als Fanmoment
Rund 100.000 Menschen hatten den Wettkampf zu einem Fest, den vorletzten Tag zu einem Feiertag des Nordischen Skisports gemacht. "Sie haben sechs Runden lang jeden Einzelnen gefeiert. Das war Gänsehaut." Dafür hatten sie sich norwegische Fahnen ins Gesicht gemalt, zündeten im Wald wahlweise Pyrotechnik oder Grillanzünder – alles unter den Augen der norwegischen Polizei.
Die feierte – wenn auch ohne Kaltgetränk – nur allzu oft mit, und stellte sich am Samstag in der blauen Uniform mit den leuchtenden Reflektoren genau so hin, dass sie noch einen Blick auf den Zieleinlauf erhaschen konnte. Da krönte sich Johannes Hösflot Klaebo vor den Augen der norwegischen und schwedischen Royals einmal mehr zum König der Loipe – mit sechs Gold-Medaillen in Trondheim.
Kronprinz, Klaebo und ein Deutscher
Klaebo siegte, der Kronprinz klatschte – und die Norweger präsentierten sich bei dieser WM als selbst bei widrigen Bedingungen meist gut gelaunte Gastgeber. Das dürfte auch bei vielen Sportlerinnen und Sportlern aus dem deutschen Team das Bild dieser WM prägen – es ist ein buntes, lautes, fast euphorisches Bild. Also in großen Teilen.
Erstmals waren in Trondheim auch Para Wettbewerbe im Programm. "Es war so schön, wie ich es mir vorgestellt habe - und noch ein bisschen schöner“, sagte Anja Wicker, die mit ihrer Bronzemedaille Geschichte schrieb. Für sie und ihre Teamkolleginnen aber erfüllten sich in Trondheim nicht nur Träume, es gab auch Barrieren. So war die sogenannte Mixed Zone auf einer Art Podest und damit für Menschen im Rollstuhl nicht zu erreichen. Bei der Flower Ceremony, einer ersten Ehrung im Stadion, gab es ähnliche Probleme. Und doch sagte Wicker: "So eine Kulisse habe ich seit über zehn Jahren nicht erlebt. Unglaublich. Gänsehaut."
Oberstdorf und Freitag feiern
Für Kombinierer Vinzenz Geiger etwa war eben jene Stimmung an der Strecke "surreal" – mehr als 20.000 Menschen auf der Medal Plaza in der Innenstadt allerdings auch. "Das war ein Moment, den ich nie vergessen werde", sagte er. "So weit ich schauen konnte, waren Leute. Das hat mich daran erinnert, wie die Fußball-Nationalmannschaft 2014 empfangen wurde. Es war etwas ganz Besonderes", sagte der Oberstdorfer, der in Trondheim gleich vier Medaillen holte.
Anders als in der Saison aber gelang es ihm nicht den Norweger Jarl Magnus Riiber, der seine Karriere im Frühjahr beendet, zu bezwingen. Das gelang Geiger allerdings mit seinen Teamkollegen – allesamt aus Oberstdorf: Im Teamwettkampf holte er zusammen mit Julian Schmid, Johannes Rydzek und Wendelin Thannheimer Gold. Es war das Einzige für das deutsche Team in Trondheim.
Glanz und Schatten beim Skispringen
Dass es im Gepäck dennoch an der einen oder anderen Stelle glitzert, liegt auch am Überraschungssilber für Andreas Wellinger von der Normalschanze und an Selina Freitag. Die Skispringerin schaffte es, ganz bei sich zu bleiben, sprang so zu zwei Silbermedaillen – kam aber nicht an Nika Prevc aus Slowenien vorbei, die bei dieser WM spielerisch leicht und doch beeindruckend stark die Wettkämpfe der Skispringerinnen dominierte.
Im Team mit Katharina Schmid, Agnes Reisch, Julian Seyfarth holte Freitag zudem Bonze. Und sorgte schließlich selbst dafür, dass die Medaillen, die nicht alle in schicken Schatullen übergeben wurden, gut verpackt waren – sie häkelte Hüllen. "Wir haben nochmal Garn gekauft", sagte Freitag, die spätestens als die norwegische Kronprinzessin Mette-Marit ihr zum Abschluss noch einmal Silber überreichte, schlucken musste und mit glänzenden Augen auf das Podest sprang.
Skispringen: Limits überschritten
Dass das Bild dieser Nordischen Ski-WM aber kein ausschließlich buntes, sondern auch eines mit Graustufen ist, liegt am Skandal um die manipulierten Anzüge des norwegischen Skisprung-Teams der Männer. Bereits vor der Entscheidung auf der Großschanze am Samstag kursierten Videos von Näharbeiten an Anzügen im Netz. Darauf auch zu sehen: der norwegische Coach Magnus Brevig. Jan Erik Aalbu, Sportdirektor des norwegischen Skisprung-Teams, hatte zunächst noch erklärt, das seien Anzüge, die für das nächste Springen vorbereitet würden. Am Abend räumte Chefcoach Brevig dann einen "Regelverstoß" ein.
Während erste Kontrollen durch FIS-Materialkontrolleur Christian Kathol noch ohne Folgen blieben, wurde schließlich erst der Norweger Kristoffer Eriksen Sundal disqualifiziert, nach dem zweiten Durchgang dann auch seine Teamkollegen Johann Andre Forfang und Marius Lindvik. Mit Österreich, Slowenien und Polen hatten gleich mehrere Nationen Protest bei der FIS eingelegt – der wurde abgelehnt. Der Deutsche Skiverband entschied sich für ein eigenes Schreiben und forderte Aufklärung. "Es gibt definitiv Limits und die Limits sind komplett überschritten worden“, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher.
Und nicht nur für ihn bleibt mit der Manipulation der Anzüge des norwegischen Teams mehr als ein bitterer Nachgeschmack. "Unter dem Strich war es eine tolle WM im Mutterland des Skisports, und geht jetzt mit so einer Geschichte zu Ende. Das hat das Skispringen nicht verdien“, sagte Horst Hüttel, Sportdirektor des DSV.
Langlauf-Party zum Abschluss
Zwar feierten zum Abschluss in Trondheim am Sonntag noch einmal tausende Fans, beim Rennen der Langläuferinnen über die 50 Kilometer, feuerten sie frenetisch an und sorgten mit den Glocken mit der Inschrift "Trondheim 2025" für ohrenbetäubenden Lärm. Die Bilanz der Nordischen Ski-WM aber, sie ähnelt dem Wetter während der zehn Tage – ein buntes Bild, allerdings nicht ganz ungetrübt, mit ein paar Tropfen und vielen Grautönen.