Eis und Material Biathlon - Wenn die Marke über den Sieg entscheidet
Kaiserwetter in Le Grand-Bornand - beste Bedingungen für ein Biathlon-Rennen? Pustekuchen! Die Strecke glich einer Eisrampe und über den Sieg entschied nicht das Können, sondern das Material.
"Es war ein Equipmentrennen. Bei einigen Marken konnte man machen, was man wollte, da hatte man überhaupt keine Chance", sagte DSV-Biathlon-Sportdirektor Felix Bitterling verärgert. Die Verfolgungsrennen im französischen Le Grand-Bornand gerieten am Samstag (17.12.2022) zur Farce, weil die Strecke einer Eisrampe glich und die Ski-Marke eine entscheidende Rolle über die Platzierung spielte.
Überflieger Bö nicht konkurrenzfähig
Es gab Ski, die bei Eis überhaupt keinen Grip und Abdruck hatten. Auf einem solchen war Johannes Thinges Bö unterwegs. Der laufstärkste Athlet im Biathlon-Zirkus schlitterte über die Strecke, hatte mehr zu tun, sich auf den Brettern zu halten und musste tatenlos zusehen, wie sein Teamkollege Vetle Sjastad Christiansen auf der Schlussrunde vorbeiflog.
Beide hatten zwei Fehler geschossen, aber Bö brauchte für die 11,5-km-Runde mehr als 85 Sekunden länger als Christiansen. Unter normalen Umständen wäre ein solches Szenario undenkbar.
Auch Benedikt Doll kämpfte mit den eisigen Bedingungen, die sich anfühlten, als würde man mit normalen Schuhen Schlittschuh laufen. "Es war für jeden hart, aber ich hatte das Gefühl, ich komme nicht vom Fleck. In der zweiten Runde tat mir mein Bauch vom Stabilisieren weh. Es war ein ziemlich schreckliches Erlebnis", sagte Doll im Sportschau-Interview. Er war als Dritter gestartet und kam als 18 ins Ziel.
Strecke nicht optimal präpariert
Doch warum waren die Bedingungen so schwierig? Schließlich herrschten Kaiserwetter und nahezu Windstille. Eigentlich optimal, doch bei der Streckenpräparierung lief einiges schief. Bitterling, der von grenzwertigen Bedingungen sprach, erklärte das Problem so: "Es ist schwierig zu präparieren, wenn die Minusgrade erst im Laufe der Nacht kommen. Man muss die Strecke auf den Temperatur-Wendepunkt hin präparieren und wenn man das nicht schafft, dann hat man eine Art Eisrampe."
Da half es auch nichts, dass die Organisatoren kurz vor Start des Männer-Rennens mit Salz versuchten nachzusteuern. Um die Gefahr zu mildern, verkürzte die Jury die Strecke und entschärfte sie so. "Wir werden einen Anstieg nicht laufen, weil die Abfahrt danach zu gefährlich ist", erklärte Christian Winkler vom Weltverband IBU. "Die Abfahrten sind sehr tricky. Es ist an einigen Stellen eine Eisrampe, die sich die Alpinen wünschen, aber nicht wir", hatte Bitterling zuvor moniert.
Herrmann-Wick nimmt Rutschpartie mit Humor
Auch beim anschließenden Frauen-Rennen waren die Bedingungen nicht wirklich besser. Einziger Vorteil: Denise Herrmann-Wick und Co. konnten sich darauf einstellen. "Wir konnten uns nach dem Männerrennen extrem viel Feedback einholen. Man muss mit Humor reingehen und ein bisschen lächeln. Es war extrem eisig und mit Langlaufski nicht ganz geeignet", schmunzelte die beste DSV-Skijägerin, die sich den Blick auf die Laufzeiten ersparte und froh war, dass sie sturzfrei ins Ziel gekommen war.
Die 33-Jährige, die als frühere Ski-Langläuferin die Ski beherrscht und im Sprint mit der besten Laufzeit glänzte, blickte schon auf Sonntag und die Massenstartrennen. "Morgen noch mal Attacke", kündigte sie an. Und Bitterling hofft, dass es im letzten Rennen vor der Weihnachtspause "wieder fair ist".