"Wunderkind" aus Neuseeland Campbell Wright: Ein Biathlon-Talent startet im US-Team durch
Das US-Team ist bislang die Überraschung des Winters. Bei der Biathlon-Weltmeisterschaft in Nove Mesto war es so gut wie lange nicht mehr. Besonders Campbell Wright sticht heraus - und das liegt nicht nur an seinen Vorstellungen in der Loipe.
Eigentlich sind die Rollen im Staffelwettbewerb der Männer klar verteilt: Norwegen gewinnt, die anderen Top-Nationen wie Deutschland, Schweden oder Frankreich müssen sich mit den Plätzen dahinter zufriedengeben. Umso mehr dürften sich die Zuschauer beim diesjährigen Weltcup in Ruhpolding die Augen gerieben haben, als auf einmal die US-Staffel mit Campbell Wright ganz vorne mitmischte und sich anschickte, die Biathlonwelt auf den Kopf zu stellen.
Natürlich nur für einen kurzen Moment, denn am Ende landeten die US-Amerikaner auf dem zehnten Platz. Für Wright war es dennoch ein einschneidendes Erlebnis, wie er der Sportschau erzählt. "Das sind die Momente, von denen man träumt und weshalb man das alles macht. Die Nacht nach dem Rennen konnte ich kaum schlafen", so Wright. Kein Wunder, war es erst sein drittes Staffelrennen überhaupt. "In dem davor wurde ich überrundet und in Östersund war ich so schlecht, dass diese Staffel gar nicht erst zählt", sagt er peinlich berührt.
USA-Wechsel eine emotionale Entscheidung
Dass Wright nur so wenige Staffelrennen auf dem Buckel hat, liegt an seiner für den Sport eher ungewöhnlichen Herkunft. Denn der 21-Jährige wurde in Neuseeland geboren, lernte auf der schneereicheren Südinsel das Skifahren und ging bis zum vergangenen Jahr noch als Einzelkämpfer an den Start. Erst zur aktuellen Saison wechselte er die Nationalität, als er sich dem US-Team anschloss. Eine Entscheidung, die ihm schwerfiel. "Zu wissen, dass ich nicht mehr für mein Heimatland antreten werde, war sehr emotional. Aber ich bereue es nicht, ich bleibe ja ein 'Kiwi'", so Wright.
Schließlich überwogen die Vorteile. Bessere Strukturen sowie eine größere finanzielle Unterstützung überzeugten Wright, dessen Eltern aus den USA stammen. Bereits seit 2022 trainierte er mit dem US-Team, ansonsten waren er und sein Trainer allein im Weltcup unterwegs. "Ich glaube, so hätte ich nicht weitermachen können. Wenn ich den Sport machen will, bis ich 30 bin, dann brauche ich mehr Sicherheit und Unterstützung. Ich will keines dieser Wunderkinder sein, die bei den Junioren gut waren und dann verschwinden. Deshalb musste ich etwas ändern", erklärt der Biathlet.
Endlich wie ein richtiger Biathlet
Es ist mittlerweile seine dritte Saison im Weltcup. Am Anfang kannten die Leute ihn hauptsächlich als den Typen aus Neuseeland. Das dürfte sich aber mit dem größten Erfolg seiner noch jungen Karriere ein wenig geändert haben, denn Wright gewann bei der Junioren-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr Gold im Sprint - was natürlich noch keinem Landsmann vor ihm gelang. Als Sportler aus einer kleinen Nation habe man automatisch die Rolle des Underdogs inne, so Wright, der eigentlich Zahnmedizin studieren wollte. Das habe aber auch Vorteile, denn Leistungsdruck verspüre er nicht.
Auch nicht nach seinem Wechsel in die USA. Im Gegenteil: Die Leute seien immer noch überrascht, wenn sein Name in den Ergebnislisten weiter vorne auftauche. So wie bei der Weltmeisterschaft in Nove Mesto, wo Wrights schlechteste Platzierung ein 20. Rang war: "Dort habe ich mich wie ein richtiger Biathlet gefühlt und nicht wie der Neuseeländer, der es lediglich als 60. ins Ziel schafft. Also nicht nur wie ein Statist, sondern wirklich konkurrenzfähig." Zuletzt feierte Wright sogar die beste Weltcup-Platzierung seiner Karriere, als er im Einzel von Oslo den achten Rang belegte.
Campbell Wright läuft beständig in die Top 20.
Aufschwung im ganzen US-Team spürbar
Zwar sticht Wright mit seinen Top-20-Platzierungen heraus, doch auch seine Teamkollegen fahren solide Ergebnisse ein. So durfte sich Deedra Irwin nicht nur als Verfolgungs-Elfte über ihre beste WM-Platzierung bis dato freuen, zusammen mit Wright wurde sie zudem Siebte in der Single Mixed Staffel - so gut wie noch nie bei einer WM. Besser machte es nur die Männerstaffel, die einen historischen fünften Platz erreichte. Man spürt einen Aufschwung im US-Biathlonteam. Nicht nur im Weltcup, auch aus dem zweitrangigen IBU Cup rücken nämlich ständig junge Athleten und Athletinnen nach.
Das war nicht immer so, denn auch in den USA gilt Biathlon nicht gerade als Traditionssportart. Das hat 2022 auch der heimische Verband bemerkt und einige Veränderungen vorangetrieben. Folglich wurden das Männer- und Frauenteam unter einen Cheftrainer, Armin Auchentaller, zusammengefasst. Außerdem gibt es nun einen Acht-Jahres-Plan, an dessen Ende 2030 der Gewinn von olympischen Medaillen stehen soll.
Erfolg durch bessere Talentsichtung
Das soll vor allem durch eine bessere Talentsichtung in jüngeren Jahren gelingen. "In den vergangenen Jahren war es so, besonders bei den Frauen, dass die meisten Athleten erst mit 24 oder 25 Jahren beziehungsweise nach dem College mit dem Sport anfingen", erklärt US-Cheftrainer Auchentaller gegenüber der Sportschau. Dank des neuen Entwicklungsprogramms sei man jetzt in der Lage, jüngere Biathleten zu fördern: "Es ist noch ein harter, weiter Weg, aber unser Team ist motiviert und hat Spaß am Biathlon. Vor allem aber will es erfolgreich sein. Und das ist das richtige Rezept."
Wie bei der WM-Staffel, als es Wright auf seiner Runde mit Biathlon-Superstar Johannes Thingnes Bö aufnehmen musste. Dem begegnete er zu Beginn seiner Weltcup-Karriere noch mit Ehrfurcht. "Wenn man zum ersten Mal am Weltcup teilnimmt, geht es nicht um Leistung. Du nimmst einfach alles in dich auf, weil es so großartig ist. Aber dann trittst du gegen Johannes Thingnes Bö an und denkst dir nur: Verdammt, ist das ein echter Mensch?!", erzählt Wright lachend: "Die Stars werden aber viel menschlicher, je mehr Zeit man mit ihnen verbringt." Denn irgendwann gehöre man dazu - auch als Biathlet aus Neuseeland.