Mikolaschek hat Medaille sicher Wenn sich der Tischtennis-Bundestrainer verbeugt
Sandra Mikolaschek hatte bei ihrem Tischtennis-Viertelfinale gegen eine Französin die ganze Halle gegen sich. Trotzdem zog sie in Paris erstmals ins Paralympics-Halbfinale ein. Das nötigte Bundestrainer Volker Ziegler größten Respekt ab. Er legte allerdings auch bei der Kritik an der Sportförderung nach.
Valentin Baus klatschte mit hoch erhobenen Händen, Thomas Rau reckte die Siegerfaust. Und auf der Tribüne umarmte Präsident Friedhelm Julius Beucher vom Deutschen Behindertsportverband Erfolgscoach Ziegler innig. Mikolaschek hatte im Viertelfinale nicht nur ihrer französischen Gegnerin Flora Vautier getrotzt. Tausende Landsleute ihrer Gegnerin hatten durch Tritte auf die Metallplatten der Tribüne ohrenbetäubenden Krach gemacht und die erst 19-Jährige fast pausenlos angefeuert.
Beim 11:7, 13:11, 12:10-Erfolg hatte die acht Jahre ältere Mikolaschek aber Nerven aus Drahtseilen gezeigt - und als sie beim Verlassen der Halle am Bundestrainer vorbeikam, verbeugte der sich vor ihr. "Ich verneige mich vor ihrer Leistung und Nervenstärke", erklärte Ziegler kurz darauf und lächelte zufrieden.
Mikolaschek kann die Lautstärke irgendwann ausblenden
Es hatte einige Situationen gegeben, in der das Spiel womöglich hätte kippen können. So im zweiten Satz, als vier Punkte in Folge an die Französin gingen und Mikolaschek erstmals so richtig unter Druck geriet. Oder auch im dritten Spielabschnitt, als Vautier einen Satzball hatte.
"Das waren die Schlüsselstellen, aber ich war genau dann da. Ich hatte meinen Kopf zusammen und Vertrauen in mich", sagte die inkomplett querschnittsgelähmte Düsseldorferin, die durch den Halbfinaleinzug bei ihrer dritten Paralympics-Teilnahme nach zwei fünften Plätzen ihre erste Medaille schon sicher hat.
Die Lautstärke in der Halle habe ihr durchaus Probleme bereit. "Ich konnte den Ball nicht hören und erschrecke mich ja so leicht." Aber weil die Anfeuerung - obwohl sehr laut - irgendwann "ein bisschen monoton" geworden sei, habe sie das Drumherum ein bisschen ausblenden können.
"Tolle Ausbeute", aber "erbärmliche" Aussichten
Auch wenn bei Mikolaschek genauso wie bei Juliane Wolf und Thomas Schmidberger noch nicht feststeht, welche Medaille sie im Einzel mit nach Hause nehmen, steht die Anzahl der Medaillen schon fest. Zwei silberne waren es in den Doppeln, nun also noch drei im Einzel. Fünf Medaillen hatte das deutsche Tischtennis-Team auch in Tokio gesammelt. Vier waren es in Rio und drei in London.
"Fünf Medaillen sind eine tolle Ausbeute", betonte Ziegler. Besonders wenn man die Umstände betrachtet. Vier seiner Trainer stehen vor dem Aus beim DBS, weil die Bundesregierung angekündigt hat, im kommenden Jahr die finanzielle Unterstützung deutlich zurückzufahren. Chef de Mission Karl Quade hatte den Fehlbetrag auf bis zu 700.000 Euro beziffert. Für Ziegler ein absolutes Unding. Das sei im Vergleich mit anderen Ländern "erbärmlich".
Der Bundestrainer findet es vor diesem Hintergrund umso bemerkenswerter, welche Leistungen Trainer sowie Athletinnen und Athleten in Paris abgerufen haben. "Und unser Weg ist noch nicht zu Ende."
Die eine oder andere Finalteilnahme darf gern noch herausspringen. Und am liebsten auch ein Paralympics-Sieg, wie er Baus noch in Tokio gelungen war. In Paris war der "Titelverteidiger" überraschend früh ausgeschieden. Was ihn allerdings nicht davon abhält, seine Teamkolleginnen und -kollegen in der Halle mit anzufeuern.
Auslosungs- und Spielpech für Grebe
Nicht mehr um eine Einzelmedaille kämpfen kann auch Stephanie Grebe, die kurz vor Mikolaschek am Tisch gestanden hatte. Gegen ihre russische Gegnerin Maliak Alieva hatte die Berlinerin nicht den Hauch einer Siegchance: Mit 8:11, 3:11 und 6:11 ging das Match schnell verloren.
Dass sie wie in Rio (Silber) und Tokio (Bronze) im Einzel auch in Paris durch den Finaleinzug im Doppel mit Wolf wieder eine Medaille gewonnen hat (Silber), konnte die 36-Jährige nicht trösten. "Gerade überwiegt die Enttäuschung. Ich wollte im Einzel wieder eine Medaille."
Grebe hatte allerdings auch Pech mit der Auslosung. Alieva ist zwar nur als Nummer acht der Weltrangliste nach Paris gekommen. Das ist allerdings eine Mogelpackung: Die Russin, die bei den Paralympics nur unter neutraler Flagge antreten darf, hat zuletzt kaum auf großen Turnieren gespielt und ist deshalb im Ranking abgerutscht. Eigentlich hätten Grebe und sie erst später aufeinandertreffen können.
Die Deutsche haderte aber auch mit dem Spiel. "Ich bin mit meiner eigenen Leistung eigentlich gar nicht unzufrieden. Aber sie hatte einerseits bei einigen Szenen das Glück auf ihrer Seite. Andererseits hat sie auch einfach alles getroffen", konstatierte die niedergeschlagene Grebe.
Mikolaschek ist mit Bronze noch nicht zufrieden
Ihre Teamkollegin "Sandy" will sie nun aber auf jeden Fall voll unterstützen. "Mega" findet Mikolaschek, wie die Mannschaft zusammenhalte. "Das braucht es aber auch, wenn die Halle gegen einen ist." Auch ihre Familie habe ihre die Kraft für den Halbfinal-Einzug gegeben: "Das war dann auch wie eine kleine deutsche Wand."
Dass sich der Trainer verbeugt hat, habe ich gar nicht mitbekommen. Das würde ich schon gern noch mal sehen.
Dass schon feststeht, dass sie eine Medaille mit nach Hause nehmen wird, "fühlt sich cool an. Aber das soll nicht heißen, dass ich schon zufrieden bin."
Und sollte ihr auch noch der Einzug ins Endspiel gelingen, würde sie nach dem Match auch noch genauer in den deutschen Block schauen. "Dass sich der Trainer verbeugt hat, habe ich gar nicht mitbekommen", sagte Mikolaschek und fügte lachend hinzu: "Das würde ich schon gern noch mal sehen."