Goldener Tischtennis-Abschluss Sandra Mikolaschek - "Diese Medaille bedeutet mir alles"
2013 wechselte Tischtennisspielerin Sandra Mikolaschek ins Sportinternat nach Düsseldorf - 400 Kilometer entfernt von ihrer Heimat. Doch der Durchbruch ließ auf sich warten. Mit dem Paralympics-Sieg am Samstag (07.09.2024) in Paris ist die 27-Jährige aber jetzt am Ziel ihrer Träume.
Bis Sandra Mikolaschek ihre Eltern in die Arme schließen konnte, dauerte es eine gefühlte Ewigkeit. Erst die Dopingkontrolle. Danach die Medaillenzeremonie. Ines und Uwe Mikolaschek warteten mit ihrer Deutschland-Fahne aufgeregt hinter den Kulissen der Arena Paris Sud.
Dann endlich war es soweit: "Ich bin sprachlos", erklärte die Mutter, die genauso wie der Vater ("Es ist überwältigend") Tränen der Freude vergoss, als die drei sich fest umarmten. Sandra, die ganz cool blieb, sagte: "Diese Medaille bedeutet mir alles."
Szenenapplaus sogar von der Gegnerin
Im Paralympics-Finale hatte Mikolaschek eine beeindruckend abgezockte Leistung gezeigt. Ihre Gegnerin: die mit Paralympics-Gold aus Rio dekorierte Borislava Perić-Ranković, die als Weltranglisten-Erste nach Paris gekommen war. Mikolaschek hatte die Serbin noch nie bei einem großen Turnier besiegt.
Im Finale von Paris nahm die Deutsche aber vom ersten Ballwechsel an ihr Herz in die Hände. "Ich habe mutig gespielt und mich getraut, variabel zu spielen", berichtete die 27-Jährige, die ihrer fast doppelt so alten Gegnerin beim 3:1-Erfolg (11:5, 11:3, 6:11, 11:8) so manchen Schmetterball um die Ohren geschlagen hatte.
Mehrfach gab es sogar Szenenapplaus von Perić-Ranković. Zum Beispiel, als Mikolaschek, um einen Stop zu erreichen, kurzerhand an die Seite der Platte fuhr und dann souverän punktete. Ein famoser Auftritt - egal, ob per Vorhand oder Rückhand-Topspin, auch ihre Unterschnitt-Bälle kamen meist punktgenau und bereiteten Perić-Ranković immer wieder Probleme.
Der große Förderer als erster Gratulant
Als Mikolaschek ihren ersten Matchball verwandelt hatte, fasste sie sich an den Kopf. Dass sie jetzt Paralympics-Siegerin war - sie konnte es nicht glauben. Deshalb fragte sie ihren Trainer an der Bande, als die beiden sich umarmten, auch erst einmal: "Hannes, ist das jetzt wahr, ist das jetzt wirklich passiert?"
Hannes, das ist Hannes Dösseler - und der ist so etwas wie ein sportlicher Vater für sie. Als Zehnjährige habe Mikolaschek ihm "schon erklärt, wie Tischtennis funktioniert", blickt der Coach zurück. Über Jahre fuhren die Mikolascheks ihre Tochter zu Lehrgängen und Turnieren. Kein einfaches Unterfangen, weil Sandra mit Sascha und Saskia noch zwei jüngere Geschwister hat. "Jetzt hat sich alles gelohnt", sagte ihr Vater Uwe nach dem Triumph in Paris.
Goldenes Duo: Sandra Mikolaschek mit Trainer Hannes Dösseler.
Mikolaschek war nach dem Realschulabschluss 2013 aus dem heimischen Wimmelburg in Sachsen-Anhalt ins Sportinternat nach Düsseldorf gezogen und wechselte an den Bundesstützpunkt. Seitdem haben sie und Dösseler fast täglich miteinander trainiert. "Bisher fehlte ihr der Durchbruch. Aber mit dem Paralympics-Sieg schließt sich jetzt so ein bisschen der Kreis", beschreibt Dösseler.
Durchbruch bei den Paralympics ließ auf sich warten
Nach den beiden fünften Plätzen 2016 in Rio und 2021 in Tokio fragte ein Journalist, ob das Viertelfinale für sie die "natürliche Grenze" sei. Mikolaschek, Dösseler und auch Bundestrainer Volker Ziegler ärgerten sich damals sehr. Nach ihrem Abitur an der Gesamtschule, einem angefangenen Jura-Studium und dem Wechsel zu Psychologie, wo sie bereits den Bachelor in der Tasche hat, hat es "Sandy" allen gezeigt.
Ob er mit dem Sieg gerechnet habe. "Nein, das wäre vermessen", sagte Dösseler, nach den elf gemeinsamen Jahren habe er es seiner Athletin aber auf jeden Fall zugetraut.
Dösseler von Sparmaßnahmen betroffen
Fast unglaublich: Dösseler gehört zu den Trainern, deren Beschäftigungsverhältnis auf der Kippe steht, weil der Deutsche Behindertensportverband - Stand jetzt - im nächsten Jahr zwischen 600.000 und 700.000 Euro weniger zur Verfügung haben wird. Er zeigte sich im Sportschau-Interview allerdings angesichts seiner "goldenen Argumente" zumindest ein wenig optimistisch, dass sich an der Situation doch noch etwas ändern könnte.
Tolle Medaillen-Ausbeute des Tischtennis-Teams
Mikolaschek wurde nach dem Gold-Match von der versammelten Mannschaft und dem kompletten Trainerteam gebührend gefeiert. Alle hatten ihr im Publikum die Daumen gedrückt - und sie danach mit einem lauten "Oh, wie ist das schön" beglückwünscht. Bundestrainer Ziegler verbeugte sich einmal mehr vor seiner Top-Athletin, die nach dreimal Silber und einmal Bronze bei der Tischtennis-Truppe für den goldenen Abschluss sorgte.
Der erste große Einzel-Titel überhaupt
Als der damalige Bundestrainer Wieland Speer die junge Sandra einst bei einem Turnier in Frankfurt spielen sah, fragte er schnell, ob sie sich nicht vorstellen könnte, an den Bundesstützpunkt nach Düsseldorf zu wechseln.
"Noch bevor ich etwas sagen konnte, hatte Sandra schon mit 'Ja' geantwortet", berichtete Vater Uwe, der damals natürlich noch nicht wissen konnte, was für ein Weg vor seiner Tochter liegen würde. Aber: "Die harte Arbeit hat sich auf jeden Fall gelohnt."
Weder bei einer EM noch bei einer WM hat Mikolaschek bisher einen Einzel-Titel gewonnen. "Es ist meine erste Goldmedaille überhaupt", sagte die inkomplett querschnittsgelähmte Athletin. "Und ohne die Unterstützung von allen wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen."
Die Eltern von Sandra Mikolaschek mit Grüßen aus der Heimat.