Paralympics 2024 in Paris "Wäre ein Drama" - Quade zieht Halbzeitbilanz und kritisiert Politik
Durchwachsen - so fällt die sportliche Bilanz im deutschen Team zur Paralympics-Halbzeit aus. Und wie sieht die Zukunft aus? Schlecht. Rund einem Viertel der Trainer im Deutschen Behindertensportverband (DBS) droht die Arbeitslosigkeit.
"Wir sind nicht ganz zufrieden". Zur Halbzeit der Paralympics hat der deutsche Chef de Mission Karl Quade am Dienstag (03.09.2024) eine durchwachsene sportliche Bilanz gezogen. "Wir sind nicht ganz zufrieden", kann aber auch als Quades Botschaft an die Politik gelesen werden. In der laufenden Diskussion um die künftige Finanzierung des deutschen Sports wandte sich der 69-Jährige mit klaren Worten an die politischen Entscheidungsträger in Berlin.
"Licht und Schatten"
"Man hat Licht gesehen, man hat Schatten gesehen. Wir sind nicht ganz zufrieden mit dem sportlichen Abschneiden bisher", ordnete Quade die bis Dienstagmittag 16 deutschen Medaillen am Sportschau-Mikrofon ein. Mit dieser Ausbeute zur Halbzeit der Spiele sind die Deutschen noch ein ganzes Stück von den 43 Medaillen entfernt, die das Team des Deutschen Behindertensportverbandes (BDS) vor drei Jahren in Tokio sammelte. Das war damals ein historischer Tiefpunkt, die 43 Medaillen galten aber zugleich als Richtlinie für Paris.
Hoffnung auf Radsport, Kanu und Tischtennis
"Wir werden das Ziel weiter im Auge behalten", versprach Quade, der in Paris bereits zum 15. Mal als Chef de Mission das Team Deutschland bei Paralympics anführt. Bis Dienstagmittag gewannen die Deutschen nur zweimal Gold, am Abend waren es dann immerhin schon vier. In den verbleibenden fünfeinhalb Tagen setzt Quade vor allem auf drei Sportarten: "Radsport kommt noch, Kanu kommt noch, Tischtennis ist noch im Geschäft." Zudem könne es in den Teamsportarten noch die eine oder andere Medaille geben, sagte er mit Blick unter anderem auf die Sitzvolleyballer oder Rollstuhlbasketballer, die am Dienstag überraschend ins Halbfinale eingezogen sind.
Zahlreiche Trainer vor Kündigung
Um den sportlichen Abwärtstrend aufzuhalten, nimmt Quade die Politik in die Pflicht. Konkret kritisiert er Streichungen im Bundeshaushalt 2025, die auch den paralympischen Sport beträfen. "Wir mussten vielen Trainern schon Briefe schicken und ihnen mitteilen, dass sie im Jahr 2025 nicht weiterbeschäftigt werden, weil das die aktuellen Zahlen nicht hergeben", so Quade.
Nach Sportschau-Informationen haben sich so bereits Übungsleiter aus den medaillenträchtigen Sportarten Schwimmen und Tischtennis zum Ende des Jahres arbeitslos gemeldet. Von rund 50 Trainern, die der DBS beschäftigt, hätten laut Quade "mehr als zehn Trainer" einen entsprechenden Brief erhalten. Rund ein Fünftel bis ein Viertel aller Übungsleiter steht also vor der Arbeitslosigkeit.
"Wenn sie weg sind, sind sie weg"
"Das wäre ein Drama, wenn wir uns im Nachwuchs von Trainern trennen müssten, die dort den Anschluss schaffen. Wenn sie einmal weg sind, sind sie weg. Sie kommen dann auch so leicht nicht wieder", erklärt Quade, der als Sitzvolleyballer 1988 selbst einmal Paralympics-Sieger war. Im Ausland hätten die Trainer oft eine bessere Perspektive: "Manche sagen, ich gehe drei Jahre nach Saudi-Arabien, dann ist mein Haus abbezahlt. In Deutschland müsste er 30 Jahre dafür arbeiten."
600.000 bis 700.000 Euro fehlen
Die Summen, über die Quade für eine Sicherung der Trainer-Beschäftigungen spricht, scheinen dabei vergleichsweise gering: 600.000 bis 700.000 Euro würden fehlen, so der DBS-Funktionär. Quade rechnet die Zahlen für den Sport vor: "Der Bundeshaushalt beträgt 315 Millionen Euro. Da haben wir im Ansatz 3,6 Millionen für Personal. Das reicht aber nicht. Wir brauchen mindestens 4,2 oder 4,3 Millionen Euro, das ist der Stand für 2024. So viel bräuchten wir mindestens auch für 2025. Sonst wird das bei den Trainern eng."
Sollte es beim bisherigen Bundeshaushalt für 2025 bleiben, müssten die Ansprüche für Los Angeles 2028 noch einmal gesenkt werden. Womit Quade heute "nicht ganz zufrieden" ist, wäre dann womöglich schon ein Erfolg.