Nach Para-Urteil des Landgerichts Köln IPC legt Berufung gegen erfolgreiche Athleten-Klage ein
Der in der Para-Szene vielbeachtete Rechtsstreit eines US-Athleten gegen das Internationale Paralympische Komitee geht in die nächste Runde. Die Dachorganisation legte nach ihrer erstinstanzlichen Niederlage Berufung ein - und spielt womöglich auf Zeit.
Nach dem jüngsten Urteil des Kölner Landgerichts geht der richtungweisende Rechtsstreit zwischen dem Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) und dem Para-Athleten David Berling weiter. Das IPC teilte am Dienstag (17.09.2024) mit, gegen das Gerichtsurteil Berufung einzulegen und damit die zweite Instanz anzurufen - in diesem Fall das Oberlandesgericht in Düsseldorf, wo sich beide Parteien erneut treffen werden.
Para-Athlet David Berling
Am vergangenen Donnerstag hatte das Landgericht Köln entschieden, dass das IPC seinen Klassifizierungscode anpassen muss, indem es Para-Athleten in die Lage versetzt, die Einstufung eines Konkurrenten in einem förmlichen Verfahren überprüfen lassen zu können. Obwohl Betrug zahlreich nachgewiesen wurde, konnten Athleten bislang gegen die Klassifizierung eines Konkurrenten keinen Protest einlegen. Dies durften nur Verbände, sie machten von diesem Recht allerdings kaum Gebrauch.
Eine Sorge des IPC dürfte sein, dass sich dies im Falle der Ausweitung der Athletenrechte ändern könnte. Dies wiederum könnte massiven Einfluss auf das Image der paralympischen Bewegung und auch einen immensen Aufwand zur Folge haben.
IPC: Keine Veränderung der bestehenden Position
Das IPC vertritt die Auffassung, dass "der IPC-Klassifizierungscode von 2015 und die damit verbundenen internationalen Standards" internationale Sportverbände nicht daran hindern würden, ihren Para-Athleten "zusätzliche Rechtsmittel in Bezug auf die Klassifizierung ihrer Konkurrenten" zur Verfügung zu stellen. Die Entscheidungsgründe des Landgerichts beruhen laut einem IPC-Sprecher auf "einem grundlegend falschen Verständnis des IPC-Klassifizierungscodes von 2015".
Dieser Klassifizierungscode, der ab 1. Januar 2025 in einer überarbeiteten Form in Kraft treten wird, biete internationalen Sportverbänden die Möglichkeit, "gegebenenfalls weitere Rechtsmittel bei Schiedsgerichten oder nationalen Gerichten einzulegen". Dies sei abhängig vom Ermessen der Verbände und deren Rechtsgrundlagen, worauf das IPC keinen Einfluss habe. Dementsprechend, so ergänzt der IPC-Sprecher, gebe es auch keine "Änderung der bestehenden Position und Praxis".
IPC - Ordnungsgeld könnte folgen
Dem erstinstanzlichen Urteil zufolge droht dem IPC ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro, sollte es die verbandsrechtliche Klagemöglichkeit für Athleten nicht im eigenen Code etablieren. Auch im neuen Code ist dies nicht vorgesehen.
Das Urteil vom vergangenen Donnerstag war vonseiten vieler Para-Athleten als Erfolg gewertet worden. Gegen das IPC geklagt hatte der 44-jährige US-Amerikaner David Berling, dem nach einem Flugzeugabsturz 2007 beide Beine oberhalb der Knie amputiert worden waren und seither im Para-Cycling antritt. Während seiner Karriere sei Berling bei Wettbewerben immer wieder gegen Konkurrenten angetreten, die seiner Meinung nach nicht in seiner Kategorie hätten antreten dürfen.
Im ARD-Interview begründete Berling seine Klage so: "Wenn sich zum Beispiel der Gesundheitszustand eines Athleten verändert, vielleicht sogar verbessert, sollte er nicht mehr in der Klasse antreten dürfen. Dann ist er wettbewerbsfähiger und hat eine größere Wahrscheinlichkeit zu gewinnen."
"IPC will sich über die Zeit retten"
Berlings Anwalt Christof Wieschemann hatte der ARD am vergangenen Freitag gesagt, dass dieses Urteil verdeutliche, dass "Verbände innerhalb des staatlichen Rechts kein "Inseldasein" führten. Am darauffolgenden Dienstag, nach dem Bekanntwerden der Berufung durch das IPC, zeigte sich Wieschemann zuversichtlich.
"Das Oberlandesgericht Düsseldorf wird die Rechtsauffassung des Landgerichts Köln wohl teilen, daher gehe ich davon aus, dass das IPC sich mit dieser Berufung jetzt über die Zeit retten will, bis der neue Klassifizierungscode ab 2025 in Kraft tritt", sagte der Anwalt. Ob dieser IPC-interne Meilenstein an der grundsätzlichen gerichtlichen Auffassung etwas ändert, ist allerdings fraglich.
Der Bochumer Sportrechler Christof Wieschemann
Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf als Grundlage
In seiner Urteilsbegründung ging das Gericht auf einen "jedenfalls in Teilen vergleichbaren Fall" ein, bei dem das IPC ebenfalls Partei war - und berief sich damit auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus dem Februar 2023, aus dem umfangreich zitiert wurde. Nach den Ausführungen reiche es nicht aus, ein internes Verfahren anzustoßen, wenn Para-Athleten gegen die Klassifizierung eines Konkurrenten vorgehen wollen. Die Möglichkeiten, Rechtsmittel wahrzunehmen, seien dadurch "in unzulässiger Weise abgeschnitten", schreibt das Landgericht Köln in seinem Urteil.
Inwieweit das Oberlandesgericht Düsseldorf die Begründung eines eigenen Urteils aus der Vergangenheit nun angreifen und das IPC mit seiner Berufung Erfolg haben wird, ist zum jetzigen Stand unklar. Das dürfte der erste Verhandlungstermin zeigen.