ZDF-Dokumentation WM-Botschafter nennt Homosexualität "geistigen Schaden"
Der katarische WM-Botschafter Khalid Salman hat mit homophoben Aussagen eine Protestwelle ausgelöst. Verbände fordern Reisewarnungen, DFB-Präsident Neuendorf ist erschüttert.
Der katarische WM-Botschafter und frühere Fußball-Nationalspieler Khalid Salman hat Homosexualität als "geistigen Schaden" bezeichnet.
Die Äußerung fiel in einem Interview in der ZDF-Dokumentation "Geheimsache Katar" von Jochen Breyer und Julia Friedrichs, die am Dienstag (20.15 Uhr) ausgestrahlt wird. Schon am Montagabend wurde im "heute-journal" der Ausschnitt mit den Aussagen Salmans gezeigt.
Interview abgebrochen
"Während der WM werden viele Dinge hier ins Land kommen. Lass uns über Schwule reden", sagte Salman: "Das Wichtigste ist doch: Jeder wird akzeptieren, dass sie hier herkommen. Aber sie werden unsere Regeln akzeptieren müssen."
Botschafter der WM in Katar: Khalid Salman
Er habe vor allem Probleme damit, wenn Kinder Schwule sähen. Denn diese würden dann etwas lernen, was nicht gut sei. In seinen Augen ist Schwulsein "haram" und verboten, meinte Salman: "Es ist ein geistiger Schaden." Das Interview wurde darauf durch den Pressesprecher des WM-Organisationskomitees abgebrochen.
Bernd Neuendorf: "Macht uns fassunglos"
DFB-Präsident Bernd Neuendorf zeigte sich erschüttert über Salmans Aussagen. "Ich habe heute mit Thomas Hitzlsperger (DFB-Botschafter für Vielfalt, Anm. d. Red.) in dieser Angelegenheit telefoniert. Wir sind uns in der Bewertung einig: Die Entgleisung des WM-Botschafters ist völlig indiskutabel und macht uns fassungslos", sagte Neuendorf in einem Statement.
Die Äußerung diskreditiere die gesamte LGBTIQ-Community und offenbare ein überaus problematisches Verhältnis zu den Menschenrechten. "Aus unserer Sicht sollte die FIFA ernsthaft prüfen, ob sich hiermit nicht die Ethik-Kommission des Weltfußballverbandes befassen muss“, so Neuendorf.
Human Rights Watch warnt Homosexuelle
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warnt derweil homosexuelle Personen vor einer Reise zur Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Es bestehe "ein großes Risiko", dass das Zeigen von gleichgeschlechtlicher Liebe "geahndet wird", sagte Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Deutschland bei Sky: "Egal welche Zusicherungen es gibt. Katar ist kein Rechtsstaat. Da kann man nichts einklagen."
Homosexualität steht im Emirat unter Strafe, doch für die WM gibt es Bekenntnisse. "Alle Menschen, egal woher sie kommen, wen sie lieben und woran sie glauben, müssen bei der WM sicher sein. Jeder Fan muss sich frei und ohne Angst bewegen können", hatte Innenministerin Nancy Faeser nach ihrer Inspektionsreise in der vergangenen Woche gesagt: "Diese Sicherheitsgarantie hat mir der Premierminister gegeben."
Rudolph kritisiert Faeser
Kritik ließ nicht lange auf sich warten. "Wenn jetzt gesagt wird, dass die WM bedenkenlos für queere Menschen sei, ist das ein fatales Zeichen für die queere Community in Katar", sagte Christian Rudolph von der Anlaufstelle für sexuelle Vielfalt des Deutschen Fußball-Bundes: "Welches Katar hat denn Nancy Faeser bitte gesehen? Dann kann sie sich auch gleich durch Nordkorea führen lassen."
Auch Michalski würde allen Homosexuellen raten, "sehr vorsichtig" zu sein: "Nicht nur öffentlich und auf der Straße, sondern auch was online betrifft. Die katarische Regierung liest bei WhatsApp mit, wenn sie möchte."
"Absolutes Versagen der FIFA"
Es solle dabei auch keiner auf den Schutz des Weltverbandes FIFA oder heimischer Politiker hoffen. "Da ist eine Feigheit zu sehen", führte der Direktor von Human Rights Watch aus: "Da kann man sich als Fußballfan nicht drauf verlassen, dass man geschützt wird, wenn man dort in Gefahr kommt." Mögliche Maßnahmen Katars seien hart und würden von Stockhieben bis hin zu Gefängnisstrafen reichen.
Er erkenne in Katar "ein absolutes Versagen der FIFA", betonte Michalsky. Der Weltverband müsse eigentlich "an die Öffentlichkeit gehen, sich distanzieren und Druck machen". Doch das sei bislang nicht in ausreichendem Maße geschehen.
Faeser findet Äußerungen "schrecklich"
Innenministerin Nancy Faeser hat sich nach den jüngsten homophoben Äußerungen eines offiziellen WM-Botschafters bestürzt gezeigt. "Solche Aussagen sind schrecklich", betonte die auch für den Sport zuständige SPD-Politikerin: "Und das ist auch der Grund, warum wir daran arbeiten, die Dinge in Katar in Zukunft hoffentlich zu verbessern."
Katar ist der der umstrittenste Gastgeber in der WM-Geschichte. Dem Emirat werden unter anderen Verstöße gegen Menschenrechte, schlechter Umgang mit ausländischen Arbeitern und mangelnde Frauenrechte vorgeworfen. Im Vorfeld der am 20. November beginnenden WM bemüht sich der Wüsten-Staat, ein anderes Bild zu vermitteln. Auch Fans aus der LGBTQ-Szene seien willkommen, hieß es offiziell.
Lesben- und Schwulenverband fordert Reisewarnung
Die abwertenden Äußerungen eines katarischen WM-Botschafters über Homosexuelle sind laut Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) "verstörend und dennoch keine Überraschung". Sie offenbaren weiterhin "die homosexuellenfeindliche Grundhaltung des Regimes in Katar", sagte Alfonso Pantisano am Dienstag laut Erklärung des LSVD-Bundesvorstandes zu den Aussagen. "Wenn das Organisations-Komitee der FIFA-Fußballweltmeisterschaft queere Fans scheinbar willkommen heißen möchte und dann ein WM-Botschafter solch verstörende Bemerkung macht, beweist es die Bedrohung des Regimes gegenüber queeren Menschen."
Sein Verband erwarte, dass die Bundesregierung diese Aussage ernst nehme. Man fordere die Regierung auf, konsequent alle diplomatischen Reisen während und zur WM in Katar abzusagen. Das Auswärtige Amt solle zudem eine explizite Reisewarnung "für alle Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans-, intergeschlechtliche und queere Menschen" aussprechen, wird Pantisano zitiert. Der Verband forderte die Fans auf, die WM zu boykottieren.