
WM-Kampf gegen Max Verstappen Stallorder - wie schlau ist McLaren diesmal?
Die Favoritenfrage in der Formel 1 ist völlig offen: Max Verstappen im Red Bull muss sich vor allem Lando Norris und Oscar Piastri vom Heck halten - aber wie schlau regelt das McLaren-Team diesmal das Thema Stallorder?
"Let Michael pass for the Championsship!" Dieser ikonische Funkspruch liegt mittlerweile 24 Jahre zurück. Aber wahrscheinlich kennt auch heute noch fast jeder, der sich so ein dreitägiges Spektakel wie beispielsweise den Saisonauftakt von Freitag bis Sonntag in Melbourne (alle Sessions im Live-Ticker bei sportschau.de) vom 1. Training bis zur schwarz-weißen Zielflagge anschaut, die Geschichte hinter dieser Geschichte. Die streng und überdeutlich übermittelte Botschaft kam vom damaligen Ferrari-Teamchef Jean Todt, der seinen in Führung liegenden Schützling Rubens Barrichello anwies, jetzt ohne jeglichen weiteren Verzug den Kollegen Michael Schumacher vorbeizulassen.
Historischer Brems-Befehl
Die Sache geschah im österreichischen Spielberg, Ferrari sorgte sich um die Titelchancen von Schumacher, der am gesamten Rennwochenende aber schon langsamer als sein Teamkollege unterwegs war. Todt erzählte später, dass die Stallorder bereits vorher festgelegt worden war, doch weil Barrichello konsequent seinen Vorsprung hielt, wurde man in der letzten Runde plötzlich hypernervös. Todt, der sonst fast nie an den Boxenfunk ging, schob Renningenieur Ross Brawn zur Seite und gab nun selbst den historischen Befehl: Barrichello musste bremsen, damit der Deutsche die Höchstpunktzahl einfahren konnte.
Es gab danach über Wochen und Monate Diskussionen um die Legalität und Integrität dieser Aktion, die auch als "Ferrari-Schiebung" in die Motorsport-Geschichte einging. Später wurde das Eingreifen der Teamleitung via Boxenfunk sogar offiziell verboten, was dann aber auch wieder aufgeweicht wurde.
Auch McLaren griff ein - aber zu spät
In der Vorsaison, da herrschte im Fahrerfeld und bei den Kommentatoren weitgehend Einigkeit, hätte ein Typ wie Todt auf jeden Fall früher eingegriffen als das die Bosse bei McLaren getan haben. Die warteten bis weit in den September hinein, um eine klare Abstufung zwischen Norris und Piastri herbeizuführen - und da war es schon zu spät.
Wenn man nun in ein paar Jahren zurückblicken wird auf diese Entscheidung von Teamchef Andrea Stella, dann darf man sich fragen, was eher in Erinnerung geblieben ist oder geblieben wäre: ein möglicher Titelgewinn für Norris bei einer früheren Beförderung zur klaren Nummer 1? Oder die Einlassung von Stella, dass "Sportsgeist beim Rennen" für McLaren "über allem" stehe, ebenso wie die "Fairness zu beiden Fahrern".
Verstappen siegte mit 63 Punkten Vorsprung
Natürlich sind das komplett lobenswerte Prinzipien, die es allemal wert wären, in Erinnerung zu bleiben. Aber sie hatten eben nicht über die volle Saison-Dauer Bestand: Am 12. September 2024 wurden sie von Stella selbst aufgegeben, der damals sagte: "Wir werden Lando jetzt bevorzugt unterstützen." Das "Let Lando pass for the Championship" griff aber bekanntlich nicht mehr, Verstappen gewann den Titel mit 437 Punkten vor Norris mit 374.
In diesem Jahr ist die Ausgangslage nochmal eine andere als vor dem Saisonstart 2024. Damals galt Verstappen nach drei Titeln in Serie als klarer Dominator und unangefochtener Favorit, jetzt hingegen sind die Orangenen eindeutig schneller. Verstappen klingt aktuell sogar so, als müsse er in der ersten Rennen Schadensbegrenzung betreiben. Und er schiebt die Favoritenrolle ganz weit weg von sich: "Im Moment gibt es nur ein Team, und das ist orange", sagt der Niederländer. "Ich glaube nicht, dass wir in Melbourne um den Sieg kämpfen können."
Piastri bekam gerade erst einen neuen Vertrag
Aber was soll McLaren jetzt machen? Piastri wurde gerade erst mit einem taufrischen mehrjährigen Vertrag ausgestattet, den er freudestrahlend mit der Aussicht kommentierte, "jetzt um die großen Siege kämpfen zu können". Das schließt eine frühzeitige Degradierung zum Edelhelfer von Norris praktisch aus. Stella äußert sich zu diesem Thema offiziell so: "Mit Lando und Oscar haben wir, was wir langfristig brauchen. Ich freue mich darauf, Oscar weiterhin wachsen zu sehen und weiß, dass viel Erfolg vor ihm liegt."
Bis Verstappen also wieder einen siegfähigen Red Bull hat, darf er darauf hoffen, dass sich die Top-Konkurrenten erneut gegenseitig die Punkte abnehmen. Und es gibt in dieser Saison nicht nur diese drei. George Russell im Mercedes hat sich vermutlich absichtlich schon Ende der Vorsaison ausgerechnet Verstappen als Dauerstreit-Partner gesucht, um noch mehr Leistung aus sich herauszukitzeln. Charles Leclerc im Ferrari wird immer erfahrener und souveräner, Lewis Hamilton im selben Rennstall wirkt nach seinem Wechsel von den Silbernen zu den Roten motiviert wie seit Jahren nicht mehr.
Verstappen ohne Konkurrenz im eigenen Stall
Natürlich gibt es in der Scuderia ebenfalls keine Stallorder, wodurch Verstappen der einzige Fahrer unter den Titelkandidaten ist, der im eigenen Haus niemanden neben sich fürchten muss. Liam Lawson aus Neuseeland muss sich erstmal auf der großen Bühne zurechtfinden und dürfte der Letzte sein, der dem Serienweltmeister der vergangenen vier Jahre wichtige Punkte streitig macht.