
Potenzial riesig, Liga-Leistung erbärmlich Leipzig und Dortmund suchen sich selbst
Marco Rose und Niko Kovac haben den schwersten Job der Liga. Sie müssen nicht nur jede Woche einen anderen Gegner studieren, sondern lernen auch ihr eigenes Team ständig neu kennen. Am Samstagabend im sogenannten Bundesliga-Topspiel treffen die beiden Enttäuschungen RB Leipzig und Borussia Dortmund im direkten Duell aufeinander (sportschau.de berichtet ab 18.30 Uhr im Live-Ticker).
Vermutlich war der Satz nett gemeint, er fiel in der Euphorie und sollte sicher ein Kompliment sein. Aber in Wahrheit barg er reichlich Ohrfeigen-Potenzial. "Für solche Spiele ist diese Mannschaft geboren", sagte Niko Kovac nach dem 2:1-Sieg am Mittwoch in Lille, das seinen BVB unter die besten acht in Europa beförderte. Dort spielen die Dortmunder nun mit Mannschaften wie Real Madrid, Inter Mailand, FC Arsenal, Paris St. Germain oder dem FC Bayern um die Krone in der Königsklasse - der nächste Gegner dort ist der FC Barcelona.
Königsklassen-Abo in Gefahr
Genau dort sehen sich also seine Spieler, so darf man die Einlassung von Kovac verstehen. Augsburg (0:1) oder Bochum (0:2) sind dagegen offenbar nicht so ihr Ding. In der Bundesliga reicht es deshalb aktuell nicht für die Top acht: Die erneute Qualifikation für die Champions League ist derzeit fast eher über den Weg als Titelverteidiger als über diesen lästigen Liga-Alltag realistisch.

Dortmunds Trainer Niko Kovac gestikuliert am Spielfeldrand.
Dort laufen der BVB als aktuell Zehnter, aber auch Leipzig als Sechster akut Gefahr, ihr Abo auf internationalen Top-Fußball zu verlieren. Dortmund war zuletzt neunmal in Serie für die Königsklasse qualifiziert, Leipzig sechsmal. In der Tabelle des Jahres 2025 sieht es sogar noch schlimmer aus: Dort belegt RB nach zuletzt vier sieglosen Partien in Serie nur den 10. Platz, der BVB ist sogar nur auf Rang 13.
Verletzungssorgen bei RB sind Vergangenheit
Warum das so ist, können beide Trainer nicht nachvollziehbar erklären. Natürlich fehlten Rose in der Hinrunde Stars wie Xavi Simons oder David Raum, aber die sind längst wieder dabei. Vor dem Freiburg-Spiel zuletzt versuchte es der RB-Coach sogar mal mit einem Kurz-Trainingslager und begründete das so: "Es war mir wichtig, dass wir mal wegkommen, dass wir nicht jeden Tag in demselben Trott dort anfangen. Unseren Kaffee dort schlürfen und uns vielleicht auch selber bemitleiden."
Es reichte anschließend trotzdem nur zu einem 0:0 und Rose fiel hinterher auch nicht viel mehr ein als: "Wir hätten gern zwei Punkte mehr gehabt."
Kein Plan B bei den Bullen
Was aber erneut auffiel: Leipzig fehlt der Plan B. Wenn es dem Gegner gelingt, das von den Namen her magische Dreieck mit Xavi Simons, Lois Openda und Benjamin Sesko zu kontrollieren, liegt bei RB alles brach: Keiner übernimmt das Kommando im Mittelfeld, von der Bank kommen wenig Impulse. Es wirkt tatsächlich selbstmitleidig, was die Bullen abliefern, wenn sie nicht gerade mal im Flow sind - das war auch schon in der Ligaphase der Champions League so, in der RB alle vier Auswärts- und drei von vier Heimspielen verlor.
Beim BVB ist das Problem komplexer, denn die Kluft zwischen Können und Kicken ist noch drastischer. Dass die Dortmunder ihr Potenzial gegen vermeintlich schwächere Teams per se nicht auf dem Platz bekommen, kann man nämlich auch nicht durchgängig behaupten: Gegen Union Berlin gab es zuletzt ein fulminantes 6:0, dann auch ein sehr diszipliniert herausgespieltes 2:0 auf St. Pauli.
Kovac muss "Fokus auf den Sport lenken"
Nur nachhaltig sind solche Auftritte in der kompletten Saison noch nicht gewesen. Davor und dazwischen liegen dann eben wieder Auftritte wie in Bochum oder gegen Augsburg. Hilfreich beim Versuch, diesen BVB zu verstehen, könnte es deshalb wiederum sein, Niko Kovac genau zuzuhören.
Vor dem Rückspiel in Lille war es dem Trainer nach eigenen Angaben besonders "wichtig, die Sinne zu schärfen. Und wichtig, den Fokus auf den Sport zu lenken." Wo er den Fokus seiner Profis ansonsten verortet hatte, hat Kovac in dieser Rede nicht verraten. Aber es wäre durchaus mal interessant, das zu erfahren.
Rose mit Sieg-Rekord in Dortmund - trotzdem entlassen
Marco Rose hat all das in Dortmund auch erlebt, allerdings auf einem deutlich höheren Niveau. Unter Rose enttäuschte der BVB 2021/22 zwar international und im DFB-Pokal, wurde aber in der Bundesliga Vizemeister und hatte nach 25 Spieltagen 18 Punkte mehr auf dem Konto als aktuell.
Rose ist immer noch der BVB-Trainer mit der historisch höchsten Siegquote in der Bundesliga (65 Prozent), er hatte damals einen Schnitt von 2,0 Punkten pro Bundesliga-Partie. Trotzdem trennten sich die Bosse nach nur einem Jahr wieder von ihm, weil sie in der Saisonanalyse vor allem für die anfällige Defensive von Rose keinen Plan B aufgezeigt bekamen.