Achtelfinal-Rückspiel gegen Liverpool Real Madrid mit gespielten Sorgenfalten
Real Madrid ist nach dem 5:2 gegen den FC Liverpool fürs Rückspiel im Achtelfinale der Champions League in der Favoritenrolle. Dennoch empfindet der Champions-League-Rekordsieger die Ausgangslage vor dem Spiel heute (21 Uhr) als tückisch.
Schon in seiner Zeit beim FC Bayern war es ein Markenzeichen, wie der Maestro sich mit seiner Mimik zeigte. Geändert hat Carlo Ancelotti, seit 2021 wieder in Diensten von Real Madrid daran wenig. Eine Augenbraue ist stets gehoben, die andere wirkt wie angeklebt. Dazu bewegt sich sein Unterkiefer, der sich an einem Kaugummi nach dem anderen abarbeitet.
Alle sechs, sieben Minuten braucht es ein neues. Stressverarbeitung für einen Fußballlehrer, der eigentlich alles erreicht und so viel erlebt hat. Und doch will dieser Trainer nicht locker lassen. Nicht mal nach dem doch sehr formidablen 5:2-Kantersieg im flirrenden Champions-League-Achtelfinale beim FC Liverpool, dem vielleicht spektakulärsten Spiel des laufenden Wettbewerbs, kann der 63-Jährige entspannen. Fürs Rückspiel heute im eigenen Bernabeu (21 Uhr) ging der warnende Zeigefinger fast schon wieder ganz nach oben.
Carlo Ancelotti legte selbst 2014 den Grundstein
"Die Partie gegen Liverpool ist tückisch für uns", sagte Ancelotti bereits am Wochenende nach einem 100. Liga-Sieg im 139. Match mit den Königlichen. "Wir haben einen Vorteil, aber wir müssen 90 Minuten Vollgas geben. Die Champions League ist der komplizierteste Wettbewerb der Welt."
Auf die sich aber dieser Klub trotz aller personellen Häutungen spezialisiert hat. Immer wieder setzt sich Real an die Spitze, immer wieder stemmen die Madrilenen den Henkelpott.
Im Vorjahr nach einem von skandalösen Vorfällen rund um das Stade de France überschatteten Finale eben gegen das lange überlegene Liverpool (1:0). So war es wieder der sanftmütig lächelnde Ancelotti, der den Glückwunsch des knurrenden Kollegen Jürgen Klopp empfing. In der K.o.-Runde hatte seine Elf einen Kraftakt nach dem anderen hinbekommen.
Ancelotti selbst legte bereits 2014 den Grundstein zu einer Hegemonie, die im modernen Fußball ihresgleichen sucht. Auch wenn er 2015 gehen musste - der Rivale FC Barcelona triumphierte in Berlin - hat er längst die Ära fortgesetzt.
Die Lücken von Sergio Ramos und Cristiano Ronaldo sind längst geschlossen
Fünf von neun möglichen Titeln gewann diese Mannschaft seitdem, für die Sergio Ramos und Cristiano Ronaldo viele Jahre als führende Köpfe vorangingen. Sie lebten auch unter Zinedine Zidane, der unter Ancelotti als Assistent angefangen hatte, einen Siegeswillen vor, der bis heute jede Europapokalnacht prägt.
Ramos wie Ronaldo sind bei Real bekanntlich Geschichte, längst sind Spieler wie David Alaba und Vinicius Junior diejenigen, die vorne und hinten den Unterschied machen. Alaba kann sich ansonsten auf seinen Nebenmann Antonio Rüdiger verlassen, Vinicius hat mit Karim Benzema einen der besten Torjäger an seiner Seite. Nebenbei Europas Fußballer des Jahres.
Das Mittelfeld prägen mit Luka Modric und Toni Kroos immer noch dieselben Protagonisten, bis vergangenen Sommer hielt ihnen noch Casemiro den Rücken frei. Real hat immer noch enorm viel Klasse in allen Mannschaftsteilen, auch wenn in dieser Saison wieder der FC Barcelona auf die Meisterschaft zusteuert.
Aber wie gut diese Mannschaft noch unter Druck spielt, war vor drei Wochen an der Anfield Road zu besichtigen. Klopps Mannschaft hatte wie die Feuerwehr losgelegt, war 2:0 in Führung gegangen, doch dann startete in den wilden 90 Minuten bereits die Aufholjagd, die Real zum Markenzeichen erhoben hat.
Die Statistik spricht klar für Real
Ansonsten kommen die "noches magicas", die magischen Nächte immer erst im Bernabeu zur Aufführung, gegen Paris St. Germain, gegen Chelsea und gegen Manchester City drehte Real in der Vorsaison fast mit Ansage alle Spiele vom Achtelfinale bis zum Halbfinale auf die ähnliche Art und Weise. Vielleicht liegt in dem Drei-Tore-Vorsprung jetzt die Tücke?
Unmöglich ist das nicht, denn die Madridista-Community hat nicht vergessen, wie Ajax Amsterdam tatsächlich vor vier Jahren das Unvorstellbare schaffte: Real mit 4:1 in der Kultstätte vom Hof jagen. Das Hinspiel hatten die Niederländer aber auch nur 1:2 verloren. Doch nicht mal Klopp lässt sich zu einer Kampfansage hinreißen: "Es ist ohne Frage ein großes Spiel."
Das Selbstverständnis seines Teams ist nach einer Saison voller Rück- und Tiefschläge spürbar angeknackst, der Gegner maximal abgezockt. Und so spricht auch die Statistik für den Rekordchampion: Einen Drei-Tore-Rückstand hat in diesem Wettbewerb auswärts noch kein Team gedreht.