Hat bei der Schweiz ein neues Projekt angefangen: Pia Sundhage

Schweizer Nationaltrainerin Pia Sundhage - die etwas andere Trainerin

Stand: 28.11.2024 13:46 Uhr

Kaum jemand hat den Fußball mit so vielen Facetten erlebt wie Pia Sundhage. Jetzt bereitet die charismatische Weltenbummlerin die Schweiz auf die EM-Endrunde im eigenen Land vor.

Es ist schon eine ganze Weile her, dass Silvia Neid als Bundestrainerin das Sagen hatte. Aber in ihre Zeit fällt mit Gold bei den Olympischen Spielen 2016 der bislang letzte Titel des Nationalteams. Gegner damals in Rio de Janeiro: Schweden mit seiner charismatischen Nationaltrainerin Pia Sundhage.

So gesehen schließt sich ein Kreis, wenn die DFB-Frauen nun ihr Testspiel gegen die Schweiz in Zürich (Freitag, 20 Uhr im Live-Ticker) bestreiten: Denn nun steht Sundhage bei der Schweiz, dem Gastgeber der EM 2025 an der Linie. Die 64-Jährige umgibt eine Aura, der sich kaum einer entziehen kann. Sympathieträgerin und Erfolgsgarantin, Musikliebhaberin und Menschenfängerin.

Auch Christan Wück, der aufgrund seiner Vita natürlich zuvor keine Berührungspunkte mit der Kollegin hatte, war von der ersten Begegnung beeindruckt. "Es war etwas Besonderes, Pia Sundhage bei der Nations-League-Auslosung kennenzulernen", verriet der Bundestrainer kürzlich.

Besondere Begegnung mit Silvia Neid bei der EM 2013

Unvergessen ist die Begegnung zwischen Sundhage und Neid bei der EM 2013 in Göteborg im Halbfinale zwischen Schweden und Deutschland (0:1): In einer der intensivsten Begegnungen der EM-Historie siegte das junge deutsche Ensemble glücklich dank eines Tores von Dzsenifer Marozsan.

Ganz Schweden trauerte - und fühlte gerade mit der Nationaltrainerin mit. Auch Neid spendete viel Trost. "Für mich ist Pia eine Frau, die Fußball lebt. Sie lebt ihn nicht nur, sie liebt ihn auch", sagte die deutsche Trainerin, die wenige Tage danach Deutschland gegen Norwegen zum achten (und bislang letzten) EM-Titel führte.

Neid wie Sundhage waren Pionierinnen, die als Mädchen noch heimlich kicken mussten und keine weiblichen Vorbilder vorfanden. Sie waren selbst die ersten. Sundhage stieg mit 146 Länderspielen und 71 Toren genauso wie Neid mit ihren 111 Spielen und 48 Treffern zur Ikone auf. Später kürte die FIFA beide zur Welttrainerin des Jahres.

Zwei Mal Gold mit den USA bei Olympia

Sundhage gewann in ihrer Zeit bei den USA (2008 - 2012) zweimal mit dem US-Team die Goldmedaille bei Olympia. Der Ruhm verblasst nicht, nur weil sie bei der WM 2023 in Australien und Neuseeland überraschend mit Brasilien am Außenseiter Jamaika scheiterte.

2019 hatte sie den Job in Südamerika angetreten, verbesserte das Standing der Spielerinnen und des Teams enorm, doch versagten dem nächsten WM-Ausrichter 2027 im entscheidenden Moment die Nerven. Genau wie Deutschland es gegen Südkorea, Kolumbien und Marokko nicht ins Achtelfinale schaffte. Seitdem hat Martina Voss-Tecklenburg keinen Job mehr als Trainerin bekommen.

Die Schwedin hat alle Entwicklungen mitbekommen

Sundhage scheint immer und überall noch gefragt. Zwischendurch auch mal in Norwegen oder China. Sie weiß, wie rasant sich der Fußball der Frauen auf globaler Ebene entwickelt hat - auf welchen Gebieten die größten Veränderungen stattgefunden haben. Von diesem großen Erfahrungsschatz soll jetzt die Schweiz profitieren, die als Gastgeber der EM 2025 (02.07 - 27.07.2025) große Hoffnungen trägt.

Die Männer schafften es bei der gemeinsam mit Österreich ausgerichteten EM 2008 unter ihrem Nationaltrainer Jakob Kuhn nicht in die K.o.-Runde und waren bereits nach den ersten Gruppenspielen chancenlos. Das soll unter dieser impulsiven Trainerin, die bei der WM 2011 in Deutschland selbst bei Presseterminen ulkige Gesangseinlagen aufführte, 17 Jahre später nicht passieren.

Vorgängerin Inka Grings blieb erfolglos

Wück hat beobachet, welche Fortschritte die Schweiz für das Nachbarschaftsduell gemacht hat:: "Der Gegner spielt ein ähnliches System wie Australien und wird uns vor Herausforderungen stellen." Nur zur Erinnerung: Bei der WM 2023 hatte noch Inka Grings das Sagen, die ehemalige deutsche Nationalstürmerin war am 1. Januar 2023 installiert worden.

Die 46-Jährige setzte auf körperliche Fitness, klare Ansagen und starke Defensive: Nach dem Achtelfinaleinzug kassierte ihr Team im Achtelfinale eine deutliche Abreibung gegen den späteren Weltmeister Spanien (1:5). Danach folgten viele Misserfolge. Letztlich sprang in 14 Länderspielen unter Grings nur ein Sieg heraus. Der Schweizer Fußball-Verband (SFV) zog im November 2023 die Reißleine.

Meilenstein für den Schweizer Frauenfußball

Zu diesem Zeitpunkt war bekanntlich auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) auf der Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin für Horst Hrubesch. Der Name Sundhage soll im Verband zwar diskutiert worden, die Wahl aber schnell auf die interne Lösung Wück gefallen sein. Im Januar teilte der SFV mit, sich für die Weltenbummlerin aus Schweden entschieden zu haben.

"Die Verpflichtung von Pia Sundhage ist ein Meilenstein im Schweizer Frauenfußball", sagte SFV-Präsident Dominique Blanc. Der Vertrag mit der Hoffnungsträgerin läuft bis Ende 2025. Verlängerung gewiss nicht ausgeschlossen, wenn die Heim-EM ansprechend läuft. Und auch ein Testspielsieg gegen den großen Nachbarn Deutschland kommt in der Schweiz auch immer gut an.