
Abschneiden in der Champions League Aus in der "Königsklasse" wirft die Bundesliga international zurück
Bayern München und Borussia Dortmund haben sich anders als im Vorjahr vor dem Halbfinale der Champions League verabschiedet. Für den deutschen Fußball ist das ein herber Rückschlag.
Als die geschlagenen Protagonisten des FC Bayern mit schweren Beinen vor den Fanblock gingen, um sich für die lautstarke Unterstützung im imposanten San Siro zu bedanken, hatte sich auch Manuel Neuer inmitten seiner Mitspieler begeben, die am Champions-League-Aus bei Inter Mailand (2:2, 1:2) schwer zu knabbern hatten.
Der verletzte Anführer, leicht am knallroten Sweater zu identifizieren, blickte hoch zum Münchner Anhang im dritten Rang - und auch wenn seine Miene nicht schwermütig wirkte: Für den bald 40 Jahre alten Keeper und Kapitän kommt eine solche Chance nie wieder. Er wird kein zweites "Finale dahoam" bestreiten und damit vielleicht den finalen Makel aus 2012 tilgen, als die Bayern trotz eines nervenstark als Elfmeterschützen glänzenden Neuer daheim gegen den FC Chelsea verloren.
Bayern München muss tiefer in die Analyse
Umso lauter werden die Rufe, die nach einer Zäsur verlangen. Nach einem größeren Einschnitt, der vergangenen Sommer aus diversen Gründen ausgeblieben war. Sportvorstand Max Eberl wollte zunächst nur festhalten: "Das Gefühl ist natürlich bescheiden, aber wir haben nicht so viel Zeit. Wir können vielleicht eine Nacht trauern, aber dann spielen wir schon wieder in Heidenheim. Da wollen wir weiter versuchen, die deutsche Meisterschaft einzutüten. Es ist unser Job, sich darauf einzustellen. Dafür sind sie Profis."
Aber seine Aufgabe ist es, die Analyse deutlich tiefgreifender anzustellen. Zu lange haben die Bayern, insbesondere Eberl, über die Defizite in dieser Spielzeit hinweggesehen. Und so hat der deutsche Fußball im Giuseppe-Meazza-Stadion, das nicht nur für den FC Bayern, sondern auch die Nationalmannschaft mit so vielen schönen Erinnerungen verknüpft ist, einen Rückschlag fast mit Ansage erlitten.
Aus den Topligen fehlt nur Deutschland
Die Folge: Ausgerechnet in dem Jahr, in dem mit München mal wieder ein deutscher Ort fürs Finale (31. Mai) ausgewählt wurde, schaut die Bundesliga in die Röhre. Man ist bei den prominent besetzten Halbfinals außen vor, während sich die Tabellenführer aus Spanien (FC Barcelona), Italien (Inter Mailand) und Frankreich (Paris St. Germain) sowie der Tabellenzweite aus England (FC Arsenal) um den wichtigsten Titel im europäischen Vereinsfußball balgen. Weder Bayern noch Dortmund sind überraschend ausgeschieden.
Der deutsche Rekordmeister etwa erlitt in der Liga-Phase bereits Niederlagen bei Aston Villa (0:1), beim FC Barcelona (1:4) und bei Feyenoord Rotterdam (0:3). Spätestens nach den vielen Gegentoren in Heimspielen gegen Abstiegskandidaten wie Holstein Kiel (4:3), VfL Bochum (2:3) oder den FC St. Pauli (3:2) hätten die Alarmglocken klingeln müssen. Die Defensive unter Trainer Vincent Kompany genügt nicht höchsten internationalen Ansprüchen - und wenn dann Unterschiedsspieler wie Jamal Musiala oder Alphonso Davies genau in solchen Spielen fehlen, reicht es eben nicht. In der Tiefe braucht der Kader in München mehr Qualität.
Borussia Dortmund ist zu inkonstant
Der letztjährige Champions-League-Finalist Dortmund zeigte die gesamte Saison zwei Gesichter, vor allem in der Liga spielt der BVB so inkonstant, dass eine Saison ohne Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb droht. Sonst wäre ja nicht Niko Kovac als Coach anstelle von Nuri Sahin installiert worden. Die "Königsklasse" diente einer wankelmütigen Mannschaft als Bühne für Ausreißer nach oben, doch gerade in Barcelona (0:4) stieß der Kader an seine Grenzen. Das Aus mit Applaus nach dem 3:1 im Rückspiel kann nicht übertünchen, dass auch bei den Westfalen einige Renovierungsarbeiten warten.

Niedergeschlagen nach dem Aus: Der Dortmunder Ramy Bensebaini sitzt am Boden.
Dumm gelaufen, weil im Vorjahr eben die deutschen Schwergewichte in flirrenden Halbfinals standen. Dortmund hatte im Finale gegen Real Madrid (0:2) sogar gefühlt eine Hand am Henkelpott, so gut hielten die Schwarz-Gelben auf dem heiligem Rasen in Wembley gegen die "Königlichen" mit. Überhaupt erlebte die Bundesliga eine Renaissance auf internationaler Bühne, weil ja auch noch Bayer Leverkusen sich ins Finale der Europa League spielte.
In der UEFA-Jahreswertung abgefallen
Die Bundesliga holte nach der Serie A die zweitmeisten Punkte für die UEFA-Fünfjahreswertung und wurde mit einem fünften Startplatz für die Champions League belohnt. Jetzt lautet das Zwischenfazit: In der aktuellen Jahreswertung schneiden England (25,892 Punkte), Spanien (22,607) und Italien (20,750) bereits jetzt deutlich besser als Deutschland (18,421) ab.
Hier fallen das desaströse Abschneiden von RB Leipzig in der Champions League und auch die schwache Bilanz der TSG Hoffenheim in der Europa League negativ ins Gewicht. Beide Klubs überstanden nicht mal die Ligaphase, obwohl die Konkurrenz wirtschaftlich teils deutlich schlechter gestellt war. Einen solchen Luxus kann sich die Liga auf Dauer nicht leisten. Immerhin ist der vierte Platz in diesem Ranking - und damit vier feste Startplätze in der "Königsklasse" - auf absehbare Zeit nicht in Gefahr.
Die Auslandsvermarktung wird schwieriger
Doch liefert das aktuelle Abschneiden keine guten Argumente für Erlössteigerungen bei der Auslandsvermarktung. Anfang des Jahres auf dem "Spobis"-Kongress in Hamburg stellten die Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL), Steffen Merkel und Marc Lenz, vor, was alles getan werde, um die internationalen Einnahmen von bislang bescheidenen 200 Millionen Euro zu steigern.
Dafür wurde ein Vertrag mit der US-Agentur Relevent Sports Group abgeschlossen, die sich als Global Player in ihrem Segment versteht. Sechs Manager kamen zuletzt nach Deutschland, um die Vermarktungsoptionen für den gesamten amerikanischen Kontinent abzuklopfen. Die Klub-WM, an der bekanntlich Bayern und Dortmund teilnehmen, ist als weiterer Treiber gedacht.
Michael Diederich, Finanzvorstand des FC Bayern, sagte: "It's now or never!" Jetzt oder nie also. Durch die Klub-WM und die WM 2026 in Kanada, Mexiko und den USA bestehe eine einmalige Gelegenheit, Geld zu generieren. Das sei aber "harte Kärrnerarbeit" - gemeint waren mehr Sommertouren der Bundesliga in den Vereinigten Staaten. Genauso wichtig aber, dass die Aushängeschilder in der Champions League weiter kommen als in diesem Frühjahr.
Nur Julian Nagelsmann profitiert
Der einzige, der vom Aus der Flaggschiffe vielleicht profitiert, ist Bundestrainer Julian Nagelsmann. Weil Bayern und Dortmund auch im DFB-Pokalfinale (24. Mai) nur Zuschauer sind, haben Nationalspieler wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Leroy Sané, Pascal Groß und Karim Adeyemi nach dem letzten Bundesliga-Spieltag (17. Mai) fast drei Wochen frei, ehe das Final Four der Nations League mit dem Halbfinale gegen Portugal (4. Juni) und einem möglichen Finale gegen den Sieger der Begegnung Frankreich gegen Spanien (8. Juni) startet. Niemand aus diesem Kreis kann dann für die Aufgaben mit der Nationalmannschaft über schwere Beine klagen.