Freut sich mit der Eintracht: Maskottchen Attila
analyse

Überraschung der Saison Eintracht Frankfurt ist die Mannschaft der Stunde

Stand: 08.11.2024 15:41 Uhr

Eintracht Frankfurt wandelt in den Spuren des VfB Stuttgart aus der Vorsaison. Der jüngste Kader der Liga hat in drei Wettbewerben noch viel vor.

Auch Attila schien hinterher ganz aus dem Häuschen. Mit wilden Flügelschlägen aus dem Anstoßkreis begleitete das lebende Maskottchen von Eintracht Frankfurt die nächste Feierstunde in der Europa League gegen Slavia Prag (1:0).

Das Sinnbild des Hochgefühls im Stadtwald: Der Eintracht-Adler will in dieser Saison hoch hinaus. Drei Heimsiege hintereinander - zuvor im DFB-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach (2:1) und in der Bundesliga gegen den VfL Bochum (7:2) - haben Frankfurt zur Mannschaft der Stunde gemacht.

Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass die Eintracht vor der letzten Länderspielpause beim VfB Stuttgart (Sonntag, 17.30 Uhr im Live-Ticker und der Radio-Reportage der Sportschau) vorstellig wird. Der Vizemeister der Vorsaison prüft den aktuellen Liga-Dritten, der als Überraschungsteam in schwäbischen Fußspuren wandelt. Der VfB konnte in die Phalanx der Liga-Größen aber auch deshalb einbrechen, weil die Zusatzbelastung Europapokal entfiel.

Eintracht Frankfurt und VfB Stuttgart: Beide Klubs sind gut vergleichbar

Diesbezüglich aber hat Trainer Dino Toppmöller keinerlei Sorgen: "Wir werden am Sonntag alles auspacken, was wir im Tank haben - und das ist viel!" Das klang fast wie eine Drohung. Die Adlerträger wollen einem Champions-League-Teilnehmer die Flügel stutzen, der gerade keine einfache Phase durchmacht. Rang 27 in der Champions League, Platz acht in der Bundesliga. Am Neckar geht es für den VfB auch darum, den Anschluss nach oben nicht zu verpassen.

Stuttgart ist insofern eine gute Vergleichsgröße für Frankfurt, weil eine wirtschaftsstarke Region und ein begeisterungsfähiges Umfeld hinter dem Klub stehen. Beide spielen in modernen Arenen. Die Rahmenbedingungen sind also ähnlich. Die Eintracht wies zuletzt mit 390 Millionen Euro einen Rekordumsatz aus. Auch wenn 143 Millionen Euro aus Transfererlösen stammen, ist der Wachstumskurs im wirtschaftlichen, sportlichen und administrativen Bereich verbürgt.

Bei Omar Marmoush gerät auch Sebastian Hoeneß ins Schwärmen

Mit Omar Marmoush verfügen die Frankfurter über einen Unterschiedsspieler, der wie im vergangenen Sommer bei den Stuttgartern mit Serhou Guirassy, Waldemar Anton (beide Borussia Dortmund) oder Hiroki Ito (FC Bayern) woanders Begehrlichkeiten wecken wird. Der ägyptische Irrwisch macht fast mit Ansage den Unterschied.

Auch VfB-Coach Sebastian Hoeneß geriet nun ins Schwärmen. Marmoush sei "gerade die wahrscheinlich heißeste Aktie in der Bundesliga, möglicherweise sogar europaweit: Soweit würde ich fast sogar schon mal gehen bei einem Spieler, der solche Scorer zeigt, der fast alles macht."   Der Angreifer, der in der Saison 2021/2022 auf Leihbasis in Stuttgart spielte, schieße "alle Arten von Toren und überragende Freistöße", lobte Hoeneß in der Pressekonferenz am Freitag (08.11.2024).

Ein Freistoß setzt die Gesetze der Ballistik außer Kraft

Am Tag zuvor hatte der Ballartist beim Arbeitssieg gegen Prag bei seinem Volltreffer die Gesetze der Ballistik außer Kraft gesetzt. "Ich glaube, es gibt keinen besseren Freistoß", schwärmte Toppmöller. "Das ist symbolisch für seinen Lauf", lobte Sportvorstand Markus Krösche.

Der 25-Jährige steht wettbewerbsübergreifend bereits bei 22 Scorerpunkten. Wer mit seiner famosen Schusstechnik eine solche Flugkurve hinbekommt, den könnten wirklich der FC Bayern und FC Liverpool beobachten, wo mit Mo Salah das große Vorbild des Ausnahmestürmers spielt. Mit hochgezogenen Augenbrauen merkte Krösche an, man solle "nicht immer über mögliche Transfers diskutieren".

Gehört aber irgendwie zum Geschäft, wenn die Eintracht in solche Gefilde aufsteigt. Kein Klub hat in dieser Europapokalsaison für Deutschland bislang wieder so viele Punkte gesammelt.

Wer in der Europa League direkt das Achtelfinale anstrebt, im DFB-Pokal die Runde der letzten 16 bereits erreicht hat (4. Dezember bei RB Leipzig) und in der Bundesliga auf Rang drei steht, der muss sich gar nicht limitieren. Das dicke Europapokal-Brett gegen die beste Mannschaft Tschechiens bohrten die Hessen vor 57.350 Augenzeugen mit Bravour.

Markus Krösche lobt eine neue Verteidigungsmentalität bei Eintracht Frankfurt

Auffällig ungeachtet der offensiven List ist die defensive Lust, sich in jeden Zweikampf und jeden Schuss zu werfen. Krösche stellte als neues Qualitätsmerkmal die "Verteidigungsmentalität" heraus. "Wir können nicht jedes Spiel vier, fünf Tore schießen", betonte der smarte Macher, der bei der Zusammenstellung des jüngsten Kaders der Liga (24,8 Jahre) vieles richtig gemacht hat.

Die nächste Entdeckung ist der zu einem Spottpreis 2023 von Borussia Dortmund losgeeiste Defensivallrounder Nnamdi Collins, den sich als Rechtsverteidiger viele in absehbarer Zeit als Backup für Joshua Kimmich bei der Nationalmannschaft vorstellen können. Zunächst zeigt sich Frankfurts Shootingstar nun in der deutschen U21-Nationalelf.

Klatschen sich erfreut ab: Die Jungspunde Nnamdi Collins und Hugo Larsson (li.).

Klatschen sich erfreut ab: Die Jungspunde Nnamdi Collins und Hugo Larsson (li.).

Seine Schnelligkeit, sein Behauptungswille und seine Körperlichkeit wirken bei dem 20-Jährigen fast beängstigend gut ausgeprägt - den Draufgänger mit nigerianischen Wurzeln nannte Toppmöller "eine kleine Maschine: Er hat eine sehr gute Energie, das gibt uns viel."

Dino Toppmöller freut sich auf "spannende Zukunft"

Genau wie der ebenfalls erst 20 Jahre alte Mittelfeldmann Hugo Larsson, der später in Badelatschen mit blutverschmierten Knöcheln in die Mixed Zone kam. "Wir haben es erneut geschafft, gemeinsam von der ersten bis zur letzten Sekunde zu fighten." Dann müsse ein Sieg auch "nicht so sexy" aussehen, meinte der Schwede breit grinsend.

Perspektivspieler wie der inzwischen bis 2029 an die Eintracht gebundene Larsson hätten die vergangene Saison zur Anpassung an den kraftraubenden Drei- bis Vier-Tage-Rhythmus gebraucht. "Das waren viele unserer jungen Spieler nicht so gewohnt", führte Toppmöller aus. "Jetzt haben wir einen breiteren Kader und vorne mehr Qualität."

Insgesamt sei eine "runde Sache" entstanden. Für ihn steht sein Ensemble in einem Entwicklungsprozess "gerade erst am Anfang" und vor einer "spannenden Zukunft". Attila wird alles mit Adleraugen beobachten.