Der Macher unter dem Bayer-Kreuz: Fernando Carro

Achtelfinale gegen Bayern Die bemerkenswerte Entwicklung von Leverkusen

Stand: 03.03.2025 19:32 Uhr

Bayer Leverkusen hat sich zu einer prägenden Marke der Fußball-Bundesliga entwickelt. Das hat auch mit wichtigen Weichenstellungen von Vorstandschef Fernando Carro zu tun.

Als die siegreichen Protagonisten von Bayer Leverkusen am Samstagabend vor den prallvollen Fanblock liefen, um sich für die Topleistung im Topspiel bei Eintracht Frankfurt (4:1) feiern zu lassen, schallte ihnen eine bekannte Aufforderung entgegen. "Zieht den Bayern die Lederhosen aus!", rief der Leverkusener Anhang im Chor. Ein zeitloser Klassiker, der irgendwie immer zieht.

Vor dem Champions-League-Achtelfinale zwischen Bayern München und Bayer Leverkusen (Mittwoch, 21 Uhr, live im Live-Ticker und Audiostream auf sportschau.de) ist kein Favorit auszumachen. Wenn jemand dem deutschen Rekordmeister und aktuellem Tabellenführer die Stirn bieten kann, dann die Werkself.

Florian Eckl, Florian Eckl, Sportschau, 21.02.2025 12:54 Uhr

Personalentscheidungen sind das A und O

Das Double im vergangenen Jahr geriet zur Machtdemonstration eines klug komponierten Kaders unter meisterlicher Anleitung: Leverkusen spielte einen so attraktiven Fußball, dass diese Mannschaft bundesweite Sympathien einsammelte. Ungeschlagen waren selbst die besten Bayern-Generationen noch nie durch eine Spielzeit gekommen. Die perfekte Saison tat auch einem lange genug mitunter belächelten Bundesliga-Standort gut.

Eine Tatsache, die insbesondere Vorstandschef Fernando Carro mit Stolz erfüllte. Der gebürtige Spanier kam 2018 als Quereinsteiger in den Profifußball, hatte zuvor als Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann-Tochter Arvato gearbeitet, einem Dienstleistungsunternehmen mit knapp 70.000 Beschäftigten.

Auf dem Sportbusinesskongress Spobis in Hamburg redete der 60-Jährige ausführlich über die bemerkenswerte Entwicklung: "Am Ende geht es immer um Personalentscheidungen. Sie sind das A und O. Ich weiß, dass am Ende sehr viel von den entscheidenden Verantwortlichen abhängt."

Glücksgriff mit Simon Rolfes

So habe er "einen neuen Vertriebs- und Marketingchef, einen neuen Kommunikationschef und einen neuen Sportchef mit Simon Rolfes geholt." Bereits in einem Horizont-Interview hatte der in Barcelona aufgewachsene Carro von seiner "besten Personalentscheidung bei Bayer 04" gesprochen, den Ex-Spieler erst 2018 zum Sportdirektor, dann 2022 zum Geschäftsführer Sport als Nachfolger von Rudi Völler zu machen. Alles sei schließlich dem Ziel untergeordnet, "den sportlichen Erfolg zu maximieren."

Das sei auch der entscheidende Unterschied zur Wirtschaft: Im Sport zähle eben "nicht zuerst das finanzielle Ergebnis". Es gehe stets darum, die vorhandenen Ressourcen optimal zu nutzen - Ressourcen heißt am Ende immer Geld. Carro sagte: "Sicher ist im Fußball nie was. Aber eine klare Strategie ist wichtig." Als das Bundesliga-Team im Herbst 2022 in eine Krise schlidderte, habe man noch einmal strategische Anpassungen vorgenommen.

Marke mit vielen positiven Attributen

Der Boss wagte es, gemeinsam mit Rolfes den bis dahin in Spanien unter dem Radar arbeitenden Xabi Alonso als Cheftrainer zu verpflichten. Der zweite Glücksgriff, um den Beinamen "Vizekusen" zu verscheuchen. Seitdem ist die Marke vielleicht so sexy wie nie zuvor, steht Bayer 04 Leverkusen laut Carro für "Erfolgshunger, Mut und Qualität, aber auch Nähe und Innovationskraft".

Bei dem Talk unter dem Titel "Zwischen Meisterschaft und Weltbühne" machte Carro deutlich, dass er bereits bei seinem Amtsantritt unter dem Bayer-Kreuz große Sehnsucht nach Titeln gespürt habe - und die ist auch mit dem Double 2023/2024 noch nicht gestillt.

Eine Begegnung auf Augenhöhe: Bayer Leverkusen gegen Bayern München

Begegnung auf Augenhöhe: Bayern München mit Jamal Musiala am Ball gegen Bayer Leverkusen mit Granit Xhaka

Die Devise für das noch in drei Wettbewerben vertretene Ensemble: "Wir nehmen alles!" Die Meisterschaft scheint allerdings bei acht Punkten Rückstand kaum mehr realistisch, der DFB-Pokal mit dem Halbfinale beim Drittligisten Arminia Bielefeld schon eher. Was in der Königsklasse geht, zeigen jetzt die Duelle mit den Bayern.

Niemand redet von Wachablösung

Doch das Wort Wachablösung nimmt in Leverkusen niemand in den Mund, obwohl man auf allen Ebenen zugelegt hat: Der Umsatz kletterte auf mehr als 350 Millionen Euro, die Mitgliederzahl stieg um fast 70 Prozent auf rund 66.000, es gibt eine lange Warteliste für Dauerkarten, vergangene Saison gingen 75.000 Trikots weg - und auch bei Social Media gab es neue Rekorde.

Doch die Bayern sind in jeder Kategorie eine andere Hausnummer: Allein durch ihren Rekordumsatz von 951 Millionen Euro sind die Möglichkeiten in München ganz andere. Die Herausforderungen für Leverkusen formulierte Carro wie folgt: "Um an der Spitze der Bundesliga zu bleiben, muss man als Klub in der Lage sein, seine Topspieler zu halten. Das ist uns in diesem Jahr gelungen. Wir können aber kaum verhindern, dass Spieler irgendwann zu den größten Vereinen der Welt gehen, die nochmal größere wirtschaftliche Möglichkeiten haben."

Angesprochen auf den Transferwunsch des Ehrenpräsidenten Uli Hoeneß in Bezug auf Florian Wirtz, sagte Carro vor einem Monat spaßeshalber: "Ich freue mich, wenn Uli H. träumt. Das sind seine Träume, nicht meine."

Florian Wirtz könnte Rekordablöse bringen

Gleichwohl: Dass der Edeltechniker wie einst Kai Havertz - womöglich für eine Rekordablöse - weiterzieht, ist kaum zu verhindern. Klar auch, dass Bayer Leverkusen weiter wachsen muss, um sich dauerhaft unter den 16 besten Mannschaft Europas zu positionieren. Langfristig spiele der US-Markt eine wichtige Rolle, kurzfristig bringt natürlich jede Runde in der Königsklasse enorm viel.

Alles folge laut Carro dieser Devise: "Wir versuchen mit unseren finanziellen Möglichkeiten intelligent umzugehen. Am Ende haben wir in der Führung des Vereins keinen direkten Einfluss auf die Geschehnisse auf dem Spielfeld. Aber wir tun alles dafür, mit unseren Entscheidungen die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg auf dem Platz zu erhöhen." Was seit anderthalb Jahren eindrucksvoll gelungen ist.