
Entwicklung im Frauenfußball Martina Voss-Tecklenburg blickt selbstkritisch auf DFB-Zeit
Es ist vergleichsweise ruhig geworden um Martina Voss-Tecklenburg. Die Misstöne der verkorksten Weltmeisterschaft mit dem Frauen-Nationalteam 2023 in Australien, die Spekulationen über ihren Gesundheitszustand, die Turbulenzen um ihre Trennung vom Deutschen Fußball-Bund – das alles liegt inzwischen anderthalb Jahre zurück.
Aber nur als Beobachterin im Stadion oder als Expertin im Fernsehstudio zu sitzen, ist Voss-Tecklenburg dann doch zu wenig, wie die 57-Jährige in einem Interview mit dem Fachmagazin "Kicker" andeutete. "Als ehemalige Bundestrainerin stellt sich schon die Frage, was noch danach kommen kann. Es ist ein bisschen was in Bewegung. Das Kapitel Trainerin ist noch nicht abgeschlossen", sagte sie.
"Es gab vergangenes Jahr vier Angebote, aber es hat aus unterschiedlichen Gründen nicht gepasst. Ich hatte auch ein, zwei Anfragen, ob ich als Beraterin arbeiten will. Ich habe mich damit beschäftigt, aber wenn ich mich entscheide, muss ich mich zu 100 Prozent damit committen – nicht nur zu 80 oder 90", so Voss-Tecklenburg, die sich weiterhin "alles anhören" möchte.
Trainer der Topvereine sitzen fest im Sattel
Das Problem: Bei den Topvereinen der Frauen-Bundesliga sitzen der Norweger Alexander Straus (Bayern München), der nun doch übers Saisonende hinaus weiterarbeitende Tommy Stroot (VfL Wolfsburg) und der dienstälteste Coach Niko Arnautis (Eintracht Frankfurt) fest im Sattel. Bliebe noch der Weg, den Sabrina Wittmann gegangen ist, die seit Sommer 2024 beim Drittligisten FC Ingolstadt im Männerfußball arbeitet.
Oder wird für die in Straelen nahe der niederländische Grenzen beheimatete Fußballlehrerin noch einmal ein Job im Ausland interessant? "MVT" hatte sehr erfolgreich von 2012 bis 2018 die Schweizer Nationalelf betreut und tief in die Verbesserung der Strukturen gewirkt, wovon heute Pia Sundhage profitiert, die die eidgenössische Auswahl auf die Heim-Europameisterschaft (2. bis 27. Juli) vorbereitet.
Mit dem DFB ist alles geklärt
Den Abgang beim DFB hat Voss-Tecklenburg inzwischen verschmerzt. "Wir hätten uns das alle anders gewünscht, aber ich hege keinen Groll. Wir haben viel zusammen angeschoben und erreicht. Das geht nicht durch die Trennung kaputt", sagte sie und fügte an: "Dass ich auf der persönlichen Ebene erst mal verletzt war, ist klar. Und in der Emotionalität neige ich dazu, Dinge nicht so sachlich zu sehen. Aber ich habe versucht, mal die andere Perspektive einzunehmen und zu verstehen, wo vielleicht Informationen gefehlt haben. Es ist mir bewusst, dass ich nicht alles richtig gemacht habe und es Irritationen gab."
Im Gegenzug werde sie die wunderbaren Momente - etwas bei der EM 2022 in England - nicht vergessen. Nach dem desaströsen Vorrunden-Aus bei der WM 2023 in Australien und Neuseeland war nach fünf Jahren für sie als Bundestrainerin fast unweigerlich Schluss, als immer mehr atmosphärische Verstimmungen aufkamen, die sich in der australischen Einöde im Örtchen Wyong angesammelt hatten. Die Wahl des Quartiers erwies sich als Irrtum. Bei der EM in der Schweiz wohnt das DFB-Team mitten in Zürich. Aber auch die personellen und taktischen Maßnahmen passten bei ihrem letzten Turnier nicht mehr.
Ein Lob für die Spielweise von Christian Wück
Auf die Arbeit von Christian Wück schaut die frühere Bundestrainerin derweil voller Anerkennung. "Ich liebe diesen Fußball, den auch Christian Wück jetzt spielen lässt. Ich gehe gerne ins Risiko und nehme Fehler in Kauf. Aber es gibt auch Spiele, in denen etwas anderes gefragt ist. Wenn der Gegner Spanien oder Niederlande heißt, musst du anders spielen." Ihr Paradebeispiel sei das zweite WM-Gruppenspiel gegen Kolumbien in Sydney gewesen: "Wir wollten nicht das 1:1 mitnehmen, hatten das Gefühl, das 2:1 schießen zu können, und kriegen dann das 1:2. Und dann stehst du da!"
Genau wie Voss-Tecklenburg hatte auch Wück die fehlende Konstanz des Nationalteams zuletzt beklagt. Die sich wiederholenden Schwächen der Defensive seien kein Zufall, erklärt die Ex-Bundestrainerin: "Erstmal müssen wir uns die Jugendarbeit anschauen. Wo werden unsere Spielerinnen ausgebildet? Wir haben den Fokus auf ballorientiertes Abwehrverhalten gelegt: Technik, Passfolgen, Ballbesitz. Damit sind wir davon abgekommen, Eins-gegen-eins-Situationen oder die Boxverteidigung zu trainieren. Es geht darum, auch mal Schüsse zu blocken und - in Anführungszeichen - dreckig zu spielen. Das ist Basisarbeit, die in den Vereinen geleistet werden muss."
Gegnerin der Aufstockung
Apropos Vereine. Wenig hält Voss-Tecklenburg davon, die bisher mit zwölf Klubs spielende Frauen-Bundesliga nächste Saison aufzustocken. "Ich finde, es ist zu früh. Die Frage ist doch: Haben wir genug gute Spielerinnen für 14 Vereine? Ich wäre bei zwölf Teams geblieben und hätte daran gearbeitet, die Zweitligisten zu stärken, damit der Schritt in die Bundesliga nicht zu groß ist."
In dieser Saison wird es drei Aufsteiger geben - aktuell stehen der 1. FC Nürnberg, Union Berlin und SV Meppen auf den Aufstiegsplätzen. "Natürlich erhöht man die Reichweite, und wir animieren wahrscheinlich auch die Vereine und das jeweilige Umfeld, mehr zu tun, Strukturen zu verbessern, die Trainerteams zu vergrößern und noch professioneller zu trainieren", sagte die frühere Bundestrainerin, gibt aber zu bedenken: "Das Sportliche muss immer an erster Stelle stehen. Man muss sich also schon fragen: Geht es uns nur um Sichtbarkeit? Oder geht es uns um Qualität? Was man auch nicht vergessen darf: Die Belastung steigt sowieso schon. Durch die Aufstockung werden es noch mehr Spiele - und ich glaube, dass es auch international neue Wettbewerbe geben wird, weil alles, was im Männerfußball passiert, irgendwann auch bei uns ankommt."