Tennisbälle und Schokotaler Fan-Proteste gegen DFL-Investor - Gründe, Folgen, Aussichten
Die Proteste gegen den möglichen Investoreneinstieg in der DFL werden deutlicher. Wird es einen Dialog zwischen DFL und Fans geben? Wie müssen die Schiedsrichter bei Unterbrechungen reagieren? Und wie geht es in den kommenden Wochen weiter?
Warum protestieren so viele organisierte Fanszenen?
Der mögliche Einstieg eines Investors in der Deutschen Fußball Liga (DFL) wird bei den meisten organisierten Fanszenen kritisch gesehen. Sie beanstanden eine weitere Kommerzialisierung des Fußballs in Deutschland und eine mögliche Einflussnahme des Investors.
Die Fans sprechen aber auch den Ablauf der geheimen Abstimmung an, bei der die kleinste notwendige Mehrheit zustande kam. Kritisiert wird dabei neben einer Intransparenz auch eine angenommene Aushöhlung der 50+1-Regel, da Martin Kind als Geschäftsführer von Hannover 96 mutmaßlich mit "Ja" gestimmt hat, obwohl der Hannover 96 e.V. ihn zu einer Ablehnung angewiesen hatte. Die organisierten Fanszenen mahnen dabei auch die Herkunft des Geldes der Private-Equity-Unternehmen an, die als Geldgeber im Raum stehen. Sie werden beispielsweise auch vom saudi-arabischen Staatsfonds finanziert.
Tennisbälle auf dem Feld in der Partie zwischen Union Berlin und dem VfL Bochum
Mittlerweile zeigt der Protest Wirkung. Claus Vogt, Präsident des VfB Stuttgart, forderte am Dienstag (07.02.2024) eine "erneute, transparente" Abstimmung über den Einstieg eines Investors in der DFL. Vogt bezog sich auch auf die Fan-Proteste. "Dies wäre ein erster Schritt, der auch die Interessen der Fans ernst nimmt und die Situation in den Stadien beruhigen kann", schrieb er. Mittlerweile schlossen sich Klubs wie Union Berlin, Hertha BSC oder der Karlsruher SC dieser Forderung an.
Was sagt die DFL zu den Protesten?
Die DFL äußerte sich am Donnerstag (08.02.2024) in einer Stellungnahme. Darin ging sie auf die Kernforderung einer Neuabstimmung nicht ein. bot aber Gespräche mit Fanorganisationen an. Erneut wies die DFL auf ihre bisherigen Argumente hin:
- Es würden keine Anteile verkauft, sondern der Geldgeber nur zeitlich begrenzt an Erlösen beteiligt.
- Es gebe "keinen Ausverkauf, keinen Kontrollverkust und keinen Abschied von 50+1".
- Der Partner werde keinen Einfluss auf Bereiche wie Anstoßzeiten oder Ansetzungen im Ausland haben.
- Das Modell halte den Verbund der 36 Klubs dauerhaft zusammen.
Auch nach der Abstimmung im Dezember hatte DFL-Geschäftsführer Steffen Merkel die Proteste aufgegriffen und die von der DFL beschriebenen Argumente für das Modell erklärt.
Wie reagieren Fanorganisationen auf das Gesprächsangebot der DFL?
Die "Fanszenen Deutschlands", die einen großen Teil der Ultragruppen von zahlreichen Vereinen in mehreren Ligen in Deutschland in einem losen Bündnis vereinen, erteilte dem Angebot eine Absage. Es werde versucht, "das Bündnis der deutschen Fanszenen durch die Einladung zur Teilnahme an einer reinen Scheindebatte zum Schweigen zu bringen", hieß es in einer Stellungnahme. "Unsere Forderung nach einer transparenten Neuabstimmung ist seit Wochen bekannt, nicht einmal eine Erwähnung war das der PR-Abteilung der DFL wert."
Das Bündnis, das bereits mehrere Protestspieltage ausgerufen hatte, stellte neue Aktionen in Aussicht: "Seid euch bewusst: Die deutschen Fanszenen haben einen langen Atem! Eure leeren Worte werden unseren Widerstand gegen euer Vorhaben nicht brechen! Wir sehen uns am Wochenende in den Stadien der Republik!"
Mehrere bundesweit aktive Fanorganisationen hatten das Dialogangebot der DFL als Feigenblatt kritisiert. "Keine Zeile zur Kritik am Zustandekommen des Abstimmungs-Ergebnisses. Keine Zeile dazu, dass damit 50+1 in seinen Grundfesten erschüttert wird. Keine Zeile dazu, wie die DFL auf die Kritiker*innen zugehen will", hieß es in einer Stellungnahme, die von "Unsere Kurve", "QFF - Queer Football Fans", "F_in - Netzwerk Frauen im Fußball", "FC Playfair" und "BAFF - Bündnis aktiver Fußballfans" unterzeichnet wurde.
Er bedaure die Absage der Fanorganisationen, sagte Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund sowie Aufsichtsratschef und Präsidiumssprecher der DFL. Die Kritik sei nicht ignoriert worden. Sie sei bei den Rahmenbedingungen des Geschäfts, das im Dezember zur Abstimmung stand, im Vergleich zur gescheiterten Abstimmung im Mai aufgegriffen worden. "Die Gesprächsbereitschaft von Hans-Joachim Watzke bleibt selbstverständlich gegeben", sagte Watzke.
Warum wird der Protest stärker?
An den Spieltagen nach der Abstimmung warfen viele Fans in einem ironischen Protest goldene Münzen aus Schokolade auf das Spielfeld, später waren weitere Süßigkeiten und Flummis dabei - es folgten nur kurze Unterbrechungen der Spiele. Das Zweitligaspiel zwischen Hannover 96 und Hansa Rostock musste aber ganze elfmal unterbrochen werden. Bei der Partie zwischen Hertha BSC und dem Hamburger SV wurde eine lange Unterbrechung durch das Werfen zahlreicher Tennisbälle herbeigeführt, das Spiel war 32 Minuten ausgesetzt.
Die Hertha-Ultragruppe "Harlekins Berlin '98" schrieb in einer Stellungnahme, sie hätte sich für eine "besonders lange, besonders bohrende und besonders anstrengende Protestform entschieden". Die Begründung: "An kurze Proteste und kurze Unterbrechungen hat man sich scheinbar schnell gewöhnt in Deutschland." Die Fangruppen wollen verhindern, dass der Protest praktisch "ausgesessen" wird. Beim Spiel zwischen dem Hamburger SV und Hannover 96 kam es zu einer Spielunterbrechung, nachdem 96-Fans ein Transparent von Martin Kind in einem Fadenkreuz gezeigt hatten. HSV-Fans hatten zudem an einem Tor Fahrradschlösser angebracht, die danach abgesägt werden mussten.
Tennisbälle im Berliner Olympiastadion als Protest gegen den DFL-Investor
Wie gehen die Proteste gegen den DFL-Investor weiter?
Das Bündnis "Fanszenen Deutschlands" teilte bereits im Dezember mit, dass das Thema für sie noch nicht am Ende sei. In einer Stellungnahme Mitte Januar teilte das Bündnis mit: "Wir werden nicht lockerlassen und sind bereit, gegen den weiteren Ausverkauf und negativen Einfluss von außen auf unseren Fußball zu kämpfen."
Die Berliner Ultragruppe "Harlekins" - selbst Teil der "Fanszenen Deutschlands" - stellte in Aussicht, dass es weiter zu ähnlichen Protesten kommen wird. Bei der Dauer der Protestaktionen würde sie sich "auch künftig nicht an die Vorstellungen von Redakteuren, Vereinsoffiziellen oder DFL-Vertretern gebunden fühlen". Die Botschaft: Nur wenn Protest sichtbar wird, kann er eine Wirkung haben.
Wann müssen Schiedsrichter ein Spiel abbrechen?
"Dafür gibt es keine klaren Vorgaben in Minuten oder in der Anzahl der Unterbrechungen", sagt Alex Feuerherdt, Sprecher der DFB-Schiedsrichter, im Gespräch mit der Sportschau: "Die Schiedsrichter sollen besonnen vorgehen. Der Abbruch darf nur das letzte Mittel sein, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind." Die Schiedsrichter sollen erst dann abbrechen, wenn sich absehen lässt, dass eine Fortsetzung nicht möglich ist. "In Berlin gab es offenbar das Signal aus der Kurve an die Hertha-Verantwortlichen, dass die Fans keinen Abbruch herbeiführen wollen", sagt Feuerherdt.
Schiedsrichter Daniel Schlager (r.) mit Herthas Trainer Pal Dardai
Die Schiedsrichter sind bei der Frage nach einem Abbruch auch nicht vollständig alleine. Neben den Vereinen würden dann auch der Sicherheitsbeauftragte und die Polizei einbezogen. "Ein Beispiel: Wenn die Polizei sagt, dass ein Abbruch vor dem Stadion zu Problemen führen wird, kann das dem Schiedsrichter nicht komplett egal sein", sagt Feuerherdt.
Alex Feuerherdt, Mediensprecher der DFB Schiri GmbH
Werden die beteiligten Klubs bestraft?
Die Klubs werden in der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB grundsätzlich für das Verhalten ihrer Anhänger verantwortlich gemacht. Kommt es zu einem Spielabbruch, wäre eine Spielwertung gegen ein Team möglich. Ebenfalls denkbar: Führen beide Fanlager zugleich den Abbruch herbei, sehen die Statuten auch eine Wertung gegen beide Mannschaften vor - es gäbe in dem Spiel also zwei unterlegene Teams. Der DFB teilte auf Anfrage der Sportschau mit, dass "der DFB-Kontrollausschuss bei allen Spielen Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, bei denen das Werfen von Gegenständen auf das Spielfeld zu Spielunterbrechungen geführt hat beziehungsweise die durch den Schiedsrichter oder eine Sicherheitsaufsicht gemeldet wurden".
In den bislang vorliegenden Fällen sind möglicherweise Geldstrafen die Folge. Der Strafzumessungsleitfaden für den DFB-Kontrollausschuss sieht pro geworfenem Gegenstand eine Strafe von 1.000 Euro in der Bundesliga und 500 Euro in der 2. Bundesliga vor. Ab fünf Minuten Unterbrechung wird die Geldstrafe verdoppelt, bei einer Ermittlung von Tätern kann die Strafe verringert werden.
Kostet der Wurf von jedem Tennisball die Klubs nun 500 oder 1.000 Euro? Wohl eher nicht, denn der Strafzumessungsleitfaden lässt Abweichungen zu - und zwar in "für eine standardisierte Behandlung nicht geeigneten Fällen". Der DFB teilte mit, dass in der Vergangenheit solche Fälle von der Sportgerichtsbarkeit des DFB so behandelt wurden. Damit müsste nicht jede Schokomünze einzeln gezählt, bestraft und bezahlt werden.
Schoko-Taler auf einem Fußballfeld
Warum will die DFL den Investor?
Die 36 Klubs sind sich weitgehend einig, dass sich die DFL weiterentwickeln muss. Mehr Digitalisierung, bessere Übertragungstechnik, ein Angebot für jüngere Zielgruppen und ein Wachstum im Ausland sind das Ziel. Uneinigkeit herrschte im Vorfeld der Abstimmung im Dezember darüber, wie die nötigen Maßnahmen finanziert werden sollen.
Die Klubs stimmten dem Investorenmodell knapp mit der nötigen Mehrheit zu, andere Vorschläge drehten sich um Kredite, den Verkauf des Namens der Bundesliga oder eine Finanzierung über bestehende Mittel. Die Rahmenbedingungen sehen vor, dass der Investor 20 Jahre lange mit acht Prozent an den Vermarktungseinnahmen beteiligt wird. Dafür soll die DFL im Gegenzug eine Milliarde Euro erhalten. Die Hoffnung der DFL: Die Einnahmen steigen insgesamt und das Geschäft lohnt sich für beide Seiten.
Nach Angaben der DFL sind mit den beiden Unternehmen CVC und Blackstone noch zwei potenzielle Investoren im Rennen. Die Gespräche befinden sich DFL-Geschäftsführer Marc Lenz zufolge in einer "kritischen" und "entscheidenden Phase". Es steht zudem noch eine Abstimmung über eine notwendige Satzungsänderung aus.
Gab es schon vergleichbare Proteste?
Fans von Eintracht Frankfurt hatten 2018 mit dem Werfen von zahlreichen Tennisbällen gegen Montagsspiele in der Bundesliga protestiert. Die DFB-Sportgerichtsbarkeit sprach damals eine Geldstrafe aus, allerdings im Gesamtpaket für mehrere Vergehen. Die DFL schaffte 2021 die Montagsspiele in der Bundesliga und in der 2. Bundesliga ab.
Fan-Proteste gegen Montagsspiele (2018)
Anfang 2020 gab es Proteste von aktiven Fanszenen gegen den damaligen Hoffenheimer Hauptgesellschafter Dietmar Hopp, Höhepunkt war ein Spiel Hoffenheims gegen den FC Bayern, als der Schiedsrichter mehrfach das Spiel wegen beleidigender Plakate unterbrach.
Später wurde bekannt, dass der DFB und die Vereine schon im Vorfeld von den Schmähungen gewusst hatten und die Reaktionen wohl entsprechend abgesprochen gewesen waren. Die kurz danach beginnende Coronavirus-Pandemie beendete die Diskussion darüber jedoch. Die zahlreichen Verfahren und Ermittlungen beim DFB-Kontrollausschuss und beim DFB-Sportgericht wurden eingestellt - aus Rücksicht auf die Finanzen der Klubs in der Pandemie, wie der DFB damals mitteilte.